Beschwerdeführerin ist SAP AG aus Walldorf, Deutschland, vertreten durch Hogan Lovells International LLP, Deutschland.
Beschwerdegegnerin ist coresystems ag aus Windisch, Schweiz, vertreten durch Bohren Rechtsanwalt, Schweiz.
Der streitige Domainname <sapapps.com> (der„Domainname“) ist bei Name der eNom Inc., Vereinigte Staaten von Amerika (die „Domainvergabestelle“) registriert.
Die Beschwerde ging beim WIPO Schiedsgerichts- und Mediationszentrum (dem „Zentrum“) am 18. August 2011 per E-Mail ein. Am 18. August 2011 hat das Zentrum eine Bitte um Prüfung der Registrierungsdaten hinsichtlich des streitigen Domain Namens an eNom geschickt. Am 18. August 2011 übermittelte eNom das Prüfungsergebnis per E-mail an das Zentrum in dem sie bestätigte dass die Beschwerdegegnerin Inhaberin und administrative Kontaktperson für den Domainnamen ist.
Das Zentrum stellte fest, dass die Beschwerde den formellen Anforderungen der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Richtlinie“), der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Verfahrensordnung“) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Ergänzenden Verfahrensregeln“) genügt.
Gemäß Paragrafen 2(a) und 4(a) der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde der Beschwerdegegnerin förmlich zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 30. August 2011 eingeleitet. Gemäß Paragraf 5(a) der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 19. September 2011. Am
19. September 2011 reichte die Beschwerdegegnerin eine Beschwerdeerwiderung ein.
Das Zentrum bestellte Christian Gassauer-Fleissner am 13. Oktober 2011 als Einzelpanelmitglied. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass es ordnungsgemäß bestellt wurde. Das Beschwerdepanel hat eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäß Paragraf 7 der Verfahrensordnung abgegeben.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Beschwerdeführerin SAP AG gehört zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich Unternehmenssoftware und ist insbesondere eines der marktführenden Unternehmen im Bereich Enterprise Ressource Planning („ERP“) Software, welche von der Beschwerdeführerin unter den Kennzeichen „SAP“ vertrieben wird. Die Beschwerdeführerin ist auch Inhaberin einer Reihe von Marken SAP, unter anderem in den Klassen 9, 16 und 42, namentlich der IR 557756 SAP mit einer Priorität vom 30.11.1988, der CH 366280 SAP mit einer Priorität vom 19.8.1988 und der CTM 1270693 SAP mit einer Priorität vom 9.8.1999.
Die Beschwerdegegnerin ist eine Geschäftspartnerin der Beschwerdeführerin und seit 2010 SAP-Goldpartner im Bereich SSP (Software Solution-Partner). Die Beschwerdegegnerin hat auch bereits einige sogenannte „Apps“, als „Applications“ für die Benutzung mit SAP-Systemen entwickelt, unter anderem die Produkte „Coresuit Mobile Services“, „Coresuit Mobile Sales“, „Coresuit Mobile CRM“ und „Coresuit Mobile Management“
Der streitgegenständliche Domain Name <sapapps.com> wurde von der Beschwerdegegnerin am 21. Oktober 2009 registriert.
Am 24. Mai 2011 verlangte die Beschwerdeführerin von der Beschwerdegegnerin die Einwilligung in die Übertragung des gegenständlichen Domain Namens. Die Beschwerdegegnerin antwortete (in einem undatierten Schreiben) abschlägig und führte aus, dass sie den Domain Namen <sapapps.com> in Verfolgung legitimer eigener Interessen lediglich registriert habe, nicht jedoch benutze. Sie bot allerdings die Übertragung gegen Zahlung einer Summe von CHF 100.000 „für die bisherigen Auslagen und den Verlust des wirtschaftlichen Nutzens“ an. Mit anwaltlichen Schreiben von Messr. Hogan Lovells vom 30. Juni 2011 verlangte die Beschwerdeführerin erneut die Übertragung des Domain Namens; mit anwaltlichen Schreiben von Messr. Bohren vom 11. Juli 2011, wurde dies erneut zurückgewiesen. Mit Schreiben von Messr. Hogan Lovells vom 15. Juli 2011 wurden von der anwaltlichen Vertretung der Beschwerdeführerin nochmals jene Argumente dargestellt, die sie ihrer Ansicht nach zu einer Übertragung des Domain Namens berechtigten, mit Schreiben von Messr. Bohren vom 20. Juli 2011 führte die rechtsanwaltliche Vertreterin der Beschwerdegegnerin aus, dass man die Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht teile, einer gütlichen Einigung jedoch „keineswegs abgeneigt“ wäre und einen „konstruktiven Vorschlag“ begrüßen würde.
Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, dass sie die weltweit führende Anbieterin von Unternehmenssoftware und Dienstleistungen sei, mit denen Firmen jeder Größe und in über 25 Branchen ihre Geschäftsprozesse auf Wachstum und Profitabilität ausrichten können. Die Beschwerdeführerin sei Inhaberin der bekannten Marke SAP, die umfassend durch nationale und internationale Markenregistrierungen abgesichert sei. Die Marke würde von sämtlichen Gesellschaften der SAP-Gruppe intensiv benutzt und sei von weltweit herausragender Bekanntheit. Die Beschwerdeführerin sei im Mai 2011 auf den Domain Namen <sapapps.com> der Beschwerdegegnerin aufmerksam geworden, im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz habe die Beschwerdegegnerin den streitgegenständlichen Domain Namen zu einem Betrag von CHF 100.000 der Beschwerdeführerin zum Kauf angeboten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist der streitgegenständliche Domain Name verwechselbar ähnlich zu den bekannten SAP-Marken, weil die Bezeichnung „apps“ als Kurzform von „Applications“ generisch sei und als solche keinerlei kennzeichenmäßige Funktion innerhalb des beanstandeten Domain Namens habe. Die Beschwerdegegnerin habe kein berechtigtes Interesse an dem streitgegenständlichen Domain Namen, im Sinne der Richtlinie, sie sei weder durch Lizenz zur Nutzung des Kennzeichens „SAP“ im Rahmen des streitgegenständlichen Domain Namens berechtig, noch würde ihr die Eigenschaft als Geschäftspartnerin eine solche Berechtigung geben. Dies sei insbesondere deswegen der Fall, weil nach den Argumenten der Beschwerdegegnerin der Domain Name zu defensiven Zwecken registriert worden sei. Letztlich wäre der streitgegenständliche Domain Name bösgläubig registriert worden und würde bösgläubig genutzt, wofür insbesondere das Verkaufsanbot in der Höhe von CHF 100.000 ein ausreichender Beleg sei.
Die Beschwerdegegnerin brachte im Wesentlichen vor, dass der Domain Name <sapapps.com> mit der Marke SAP der Beschwerdeführerin nicht verwechselbar sei, insbesondere weil die Zeichenfolge „S-A-P“ mit Ausnahme des Namens der Beschwerdeführerin keine eigene assoziative Bedeutung habe, weshalb die Abkürzung „SAP“ in der Zeichenfolge „sapapps.com“ unterginge. Aufgrund des Betriebskonzepts der Beschwerdeführerin, welches auf Zusammenarbeit mit Partnern basiere, bestünde keine Gefahr, dass Internetnutzer unter einer „sapapp“ eine 2App“ von der Beschwerdeführerin erwarten. Vielmehr erwarteten sie eine „App“ für Produkte der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdegegnerin habe den Domain Namen zudem bis heute noch nicht gebraucht und würde in Zukunft ohne Zweifel dafür sorgen, dass keinerlei Verwechslungsgefahr mit der Beschwerdeführerin entstehen kann. Verwechslungsgefahr bestünde daher weder heute noch würde eine solche im Falle zukünftiger Nutzung drohen. Weiterhin habe die Beschwerdegegnerin ein legitimes Interesse am Domain Namen <sapapps.com>, da sie mit heute über 5.000 SAP-Kunden und 45.000 Anwendern der weltweit führende Anbieter für standardisierte Zusatzlösungen für SAP-KMU-Produkte sei. Auch von einer bösgläubigen Registrierung und Nutzung könne nicht die Rede sein, da die Beschwerdegegnerin seit fünf Jahren Anwendungsprodukte für die Beschwerdeführerin entwickle, vertreibe und betreibe. Zwar sei die Verwendungsart von sapapps.com bei der Registrierung noch nicht festgestanden und es habe auch noch keine Gewissheit bestanden, ob die Beschwerdegegnerin den Domain Namen schlussendlich tatsächlich gebrauchen werde, bei der Registrierung handle es sich aber um eine strategische, defensive Registrierung. Allerdings würde sich die Abwehr nicht gegen die Beschwerdeführerin richten, sondern gegen Konkurrenten der Beschwerdegegnerin, die Registrierung sei daher gutgläubig erfolgt. Die von der Beschwerdegegnerin im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz geforderten CHF 100.000 für eine Übertragung des Domain Namens habe sie für angemessen gehalten, denn sie sei nicht nur Partnerin der Beschwerdeführerin gewesen, sondern von Ihrer Idee und den Apps profitierten auch die Kunden der Beschwerdeführerin und damit die Beschwerdeführerin selbst. Sie habe den Domain Namen weder mit dem Zweck des Verkaufs oder der Vermietung an die Beschwerdeführerin registriert und behalten, noch hatte sie die Absicht, diesen an die Beschwerdeführerin zu übertragen, beim Anbot einer Übertragung habe es sich vielmehr um ein Entgegenkommen gehandelt.
Nach Punkt 4 (a) der Richtlinie muss die Beschwerdeführerin nachweisen, dass
(i) der Domain Name identisch oder verwechselbar ähnlich zu Marken ist, an welchen die Beschwerdeführerin Rechte hat; und
(ii) die Beschwerdegegnerin kein Recht oder berechtigtes Interesse in Bezug auf den Domain Namen hat; und
(iii) der Domain Name bösgläubig registriert wurde und genutzt wird.
Auf Basis des oben dargestellten Sachverhaltes sind, wie in der Folge gezeigt wird, zu jedem dieser Elemente eine Reihe weitergehender Überlegungen anzustellen. Im Einzelnen hat das Beschwerdepanel erwogen:
Nach Ansicht des Beschwerdepanels liegt Ähnlichkeit des Domain Namens <sapapps.com> mit den geschützten Kennzeichen „SAP“ der Beschwerdeführerin vor. Es ist insoweit offensichtlich, dass das Zeichen „SAP“ identisch in den Domain Namen <sapapps.com> übernommen wurde. Überdies ist festzustellen, dass der Domainbestandteil „apps“ tatsächlich generisch ist und als notorische Abkürzung des Begriffs „Applications“ verstanden wird.
Auch wenn der Beschwerdegegnerin zuzugestehen ist, dass der gesamt Wortlaut „sapapps“ als solches von eigener Anmutung ist, die sich aus der Alliteration der beiden Kennzeichenteile „sap“ und „apps“ ergibt, so führt dies nach Ansicht des Beschwerdepanels dennoch nicht aus der verwechslungsfähigen Ähnlichkeit, zumal – wie eingangs festgestellt – die Marke SAP von hoher Bekanntheit ist und der Begriff „apps“ auch auf gerade jenen Bereich verweist, nämlich Softwareprogrammierungen, in dem diese Bekanntheit am Stärksten ausgeprägt ist.
Das Beschwerdepanel folgt hier der Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach der Bezug auf die Beschwerdeführerin im Domain Namen <sapapps.com> klar und deutlich erkennbar ist, was nach dem von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung Deutsche Telekom AG v. Philip Seldon, WIPO Verfahrens Nr. D2007-0674, ausreicht, um nach Punkt 4 (a) (i) der Richtlinie verwechselbare Ähnlichkeit zu etablieren.
Während das Beschwerdepanel die Argumente der Beschwerdegnerin nach denen der Name der Beschwerdeführerin keine eigene assoziative Bedeutung habe zur Kenntnis nimmt, kann es diesen auch angesichts der vorgebrachten sonstigen Begründung der Beschwerdegegnerin nicht folgen, da die Registrierung eines der Marke SAP nicht verwechslungsfähig ähnlichen Domain Namens zu strategischen, defensiven Zwecken, nicht nachvollziehbar erscheint.
Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, ob die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall ein Recht oder ein berechtigtes Interesse am gegenständlichen Domainnamen hat oder nicht. Nachdem Markenrechte der Beschwerdegegnerin weder im Zusammenhang mit der Bezeichnung „SAP“ noch im Zusammenhang mit der Bezeichnung „sapapps“ bestehen, liegt ein Recht im Sinne der Richtlinie nicht vor.
Unstrittig ist jedoch auf der anderen Seite, dass die Beschwerdegegnerin nach den eingangs wiedergegebenen Feststellungen zum Sachverhalt eine Geschäftspartnerin der Beschwerdeführerin ist und unter anderem auch erfolgreich Applikationen, also „apps“, zu SAP-Produkte vertreibt.
Dies kann grundsätzlich nach Punkt 4(a)(ii) der Richtlinie einen geeigneten Ausgangssachverhalt darstellen, um ein legitimes Interesse an dem streitgegenständlichen Domain Namen zu begründen.
Die ebenso vielzitierte wie apodiktische „Leitentscheidung“ in diesem Zusammenhang ist OKI Data Americas, Inc., v. ASD, Inc., WIPO Verfahren Nr. D2001-0903, welche die folgenden vier Kriterien für das Vorliegen eines berechtigten Interesses auflistet:
1. Respondent must actually be offering the goods or services at issue.
2. Respondent must use the site to sell only the trademarked goods; otherwise, it could be using the trademark to bait Internet users and then switch them to other goods.
3. The site must accurately disclose the registrant's relationship with the trademark owner.
4. The Respondent must not try to corner the market in all domain names, thus depriving the trademark owner of reflecting its own mark in a domain name.
Das Beschwerdepanel, nimmt die Aussage der OKI Data Entscheidung zur Kenntnis , wonach die vier oben genannten Voraussetzungen “at the minimum” vorliegen müssen und stellt fest, das im Einzelfall durchaus weitere oder andere Anhaltspunkte für ein berechtigtes Interesse von ähnlichem Gewicht vorliegen können. Vorliegend ist festzuhalten, dass die Nutzung des Domain Namens <sapapps.com> durch die Beschwerdegegnerin den OKI Data Voraussetzungen nicht genügt.
Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der Voraussetzungen (1) und (2) nach OKI Data, aus denen zwingend zu folgern ist, dass ein legitimes Interesse eines Geschäftspartners oder Wiederverkäufers nur dann vorliegt, wenn die in Rede stehende Domain auch tatsächlich verwendet wird und zwar, nach Voraussetzung (2) von OKI Data ausschließlich für den Vertrieb oder die Bewerbung von Produkten der jeweils in Rede stehenden (Original)Marke.
Es muss nach hier vertretener Ansicht nicht weiter untersucht werden, ob die Voraussetzung der tatsächlichen Verwendung des in Rede stehenden Domain Namens im Einzelfall möglicherweise auch dann bereits vorliegen kann, wenn zeitnahe konkrete Anstalten für eine zukünftige Verwendung getroffen werden, weil im vorliegenden Fall nach den oben genannten Feststellungen der streitgegenständliche Domain Name bereits im Jahr 2009 zur Registrierung gebracht wurde und bislang nicht in Verwendung steht.
Dies gesteht auch die Beschwerdegegnerin selbst zu, wenn sie ausführt, dass ein Grund für die Registrierung des gegenständlichen Domain Namens ein „strategischer, defensiver“ gewesen wäre.
Damit bleibt zu überprüfen, ob eine defensive Registrierung wertungsmäßig jenen Voraussetzungen gleichzuhalten ist, die in OKI Data aufgestellt wurden und deren Angemessenheit und Relevanz danach in einer Reihe anderer Entscheidungen bestätigt wurde. Dies ist nach Ansicht des Beschwerdepanels nicht der Fall.
Der Tatbestand des berechtigten Interesses soll es dem Verwender eines Domain Namens, insbesondere wenn er sich in einer Händler- oder Vertreiberposition zum Inhaber einer Originalmarke befindet, ermöglichen, Produkte des Markeninhabers zu vertreiben oder seine komplementären Produkte bzw. Dienstleistungen in angemessener Weise zu vermarkten. Damit stellt das berechtigten Interesse – wie man es ähnlich auch in einer Reihe nationaler Rechtsordnungen (z.B. der europäischen MarkenRL) findet – darauf ab, dass ein tatsächlicher Vertrieb von Waren- oder Dienstleistungen erleichtert werden soll. Dem ist nach Ansicht des Beschwerdepanels eine Situation nicht gleichzuhalten, in der ein Domain Name, der mit der Marke eines Originalherstellers identisch oder verwechselbar ähnlich ist, von einem Dritten zu Defensivzwecken angemeldet wird. Der Originalhersteller – in diesem Fall die Beschwerdeführerin – zieht aus einer solchen Defensivregistrierung keinen Nutzen und auch der Geschäftspartner, Händler oder Vertreiber hat ein wesentlich geringeres Interesse an einer solchen Defensivregistrierung als dies dann der Fall wäre, wenn er selbst Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung des Domain Namens vertreiben würde.
Nach Ansicht des Beschwerdepanels hat die Beschwerdeführerin daher nachgewiesen, dass die Beschwerdegegnerin kein legitimes eigenes Interesse an dem streitigen Domain Namen hat.
Der vorliegende Fall ist weniger klar, was Punkt 4(a)(iii) der Richtlinie betrifft. Er berührt den Bereich des vieldiskutierten „and“ in Punkt 4(a)(iii) und damit die Frage nach dem Nebeneinander von bösgläubiger Registrierung und Verwendung.
Auf Basis des vorliegenden Sachverhaltes ist das Beschwerdepanel nicht überzeugt davon, dass der Domain Name <sapapps.com> von der Beschwerdegegnerin bösgläubig registriert wurde. Die Beschwerdegegnerin ist eine etablierte Geschäftspartnerin der Beschwerdeführerin, sie entwickelt und vertreibt selbst Applications für SAP-Produkte und hätte daher nach der Richtlinie und dem oben zitierten Prinzipien der OKI Data Entscheidung grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, den Domain Namen in einer Art und Weise zu benutzen, der in Übereinstimmung mit der Richtlinie steht. Ob eine solche Nutzung möglicherweise Bedenken markenrechtlicher Natur in einzelnen nationalen Rechtsordnungen begegnet wäre, ist eine Frage, die das Beschwerdepanel in diesem Rahmen nicht zu beantworten hat. Nach Ansicht des Beschwerdepanels wurden keine Anhaltspunkte dafür nachgewiesen, dass die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der Registrierung geplant hätte, den Domain Namen für den Zweck eines späteren Verkaufes an die Beschwerdeführerin zu registrieren oder sonst die Beschwerdeführerin in unlauterer Weise auf dem Markt zu behindern.
Wiewohl die in Punkt 4 (b) genannten Umstände der Richtlinie im Zusammenhang mit dem Nachweis einer Registrierung und Verwendung in bösem Glauben nicht abschließend sind, ist festzuhalten, dass somit jedenfalls keines der dort genannten Kriterien nachgewiesen wurde, insbesondere auch nicht, dass der streitgegenständliche Domain Name „primarily for the purpose of selling, renting or otherwise transferring“ registriert wurde. Nach dem vorliegenden Sachverhalt erscheint es dem Beschwerdepanel eher wahrscheinlich, dass der Domain Name tatsächlich zur eigenen Verwendung registriert wurde, gleichzeitig aber auch verhindert werden sollte, dass Mitbewerber der Beschwerdegegnerin sich diesen Domain Namen sichern. Wertungsmäßig liegt daher nach Ansicht des Beschwerdepanels kein Sachverhalt vor, welcher zum Zeitpunkt der Registrierung Elemente von Bösgläubigkeit enthält, die denen des Punktes 4 (b) der Richtlinie gleichzuhalten sind (und auch nicht entsprechen, wie erwähnt). Die bloße Kenntnis der bekannten Marke „SAP“ zum Zeitpunkt der Registrierung, die in vielen anderen Fällen bereits zur Etablierung von Böswilligkeit ausreichte, hilft der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall nicht weiter, weil es sich bei der Beschwerdegegnerin um einen Geschäftspartner handelt und – jedenfalls zum Zeitpunkt der Registrierung – die Absicht, den Domain Namen selbst zu nutzen nicht per se bösgläubig wäre und – obgleich dies eine Frage ist, die das Beschwerdepanel nicht zu entscheiden hat – auch nach vielen nationalen Rechtsordnungen nicht per se unmöglich gewesen wäre. Das Beschwerdepanel konnte aus den vorgelegten Unterlagen auch kein vertragliches Verbot der Registrierung des Domain Namens erkennen.
Wenn das Verkaufsangebot eine bösgläubige Verwendung darstellen sollte – was im konkreten Fall keine ausgemachte Sache ist – stellt sich die Frage, ob das nachfolgende Verkaufsanbot der Beschwerdegegnerin, welches in seiner Höhe ohne jede Diskussion in keinerlei Relation zu den Ausgaben der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Registrierung des vorliegenden Domain Namens steht, für sich genommen wertungsmäßig so zu beurteilen ist, dass insgesamt Böswilligkeit im Sinne des Punktes 4 (a) (iii) der Richtlinie vorliegt. Anders gesagt: Reicht das Verkaufsangebot aus, um generell Bösgläubigkeit zu etablieren, obwohl der Nachweis einer Bösgläubigkeit bei der Registrierung nicht vorliegt?
Dieser Themenkreis ist Gegenstand zahlreicher – teilweiser widerstreitender – Entscheidungen: In den Fällen Ville de Paris v. Jeff Walter, WIPO Verfahren Nr. D2009-1278; City Views Limited v. Moniker Privacy Services, WIPO Verfahren Nr. D2009-0643 und Octogen Pharmacal Company, Inc. v. Domains By Proxy, Inc. / Rich Sanders and Octogen e-Solutions, WIPO Verfahren Nr. D2009-0786 wurde diese Frage – entgegen dem Wortlaut der Richtlinie – bejaht. Andere Entscheidungen, die wohl den vorherrschenden Trend zu reflektieren scheinen, wie beispielsweise PAA Laboratories GmbH v. Printing Arts America ( WIPO Verfahren Nr. D2004-0338; oder Teradyne, Inc. v. 4Tel Technology, WIPO Verfahren Nr. D2000-0026, vertreten (teilweise auch im Zusammenhang mit der Frage einer Verlängerung von Domain Namen) einen strengeren Standpunkt im Sinne einer Trennung von „registration“ und „use“. Siehe zu dieser Frage WIPO Overview of WIPO Panel Views on Selected UDRP Questions, Second Edition (WIPO Overview 2.0) at paragraph 3.1.,
Nach Ansicht des Beschwerdepanels ist der Wortlaut der Richtlinie insoweit klar und eindeutig, als sowohl der Nachweis einer bösgläubigen Registrierung als auch der Nachweis einer bösgläubigen Nutzung erbracht werden müssen. Wo eine bösgläubige Registrierung nicht vorliegt, kann – nach Ansicht dieses Beschwerdepanels – ein Verstoß gegen Punkt 4 (a) (iii) nicht alleine deshalb angenommen werden, weil der Domain Name nachfolgend böswillig verwendet wird, etwa durch den Versuch, sie um einen weit überhöhten Preis im Vergleich zu den Kosten der Registrierung zu verkaufen. Ein solches Verständnis würde die Reichweite der Richtlinie weit über ihren Wortsinn hinaus ausdehnen.
Daran ändert grundsätzlich auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin zum Zeitpunkt dieser Entscheidung das Erfordernis des Punktes 4 (a) (ii) der Richtlinie nicht erfüllt, weil sie – möglicherweise entgegen ihren ursprünglichen Intentionen – den streitigen Domain Namen nicht tatsächlich verwendet. Die Gründe, warum der Domain Name gegenwärtig nicht verwendet wird und auch nach der Registrierung nicht verwendet wurde, spielen hier insofern keine Rolle, als die Voraussetzungen der Punkte 4 (a) (ii) und 4 (a) (iii) wiederum nach dem klaren Wortlaut der Richtlinie unabhängig nebeneinander stehen. Bloß die Tatsache, dass ein berechtigtes Interesse zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegt, kann nach hier vertretener Ansicht noch keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, dass zum Zeitpunkt der Registrierung Böswilligkeit vorgelegen hat. Wäre ein solches Verständnis nach der Richtlinie intendiert gewesen, so hätte man reglungstechnisch Punkt 4 (a) (ii) in Punkt 4 (a) (iii) aufgehen lassen müssen um das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines berechtigten Interesses ausschließlich im Rahmen der Prüfung der Böswilligkeit abzuhandeln.
Zuzugestehen ist der Beschwerdeführerin, dass sich bei dieser Interpretation der Richtlinie, die möglichst nahe am – klaren – Wortlaut bleibt, Schutzlücken für einen Markeninhaber auftun können. Festzuhalten ist auch, dass das Beschwerdepanel die Praxis, nicht genutzte Domain Namen um überhöhte Preise loszuschlagen keinesfalls gutheißt. Das Beschwerdepanel kann hier die Frage offenlassen, ob eine Verlängerung des streitgegenständlichen Domain Namens eine andere rechtliche Beurteilung verlangen würde.
Für den vorliegenden Fall war jedoch spruchgemäß zu entscheiden, weil keine Böswilligkeit zum Zeitpunkt der Registrierung nachgewiesen wurde und das Beschwerdepanel der Ansicht ist, dass diese nach dem klaren Wortlaut der Richtlinie auch dann eine Voraussetzung ist, wenn im Nachhinein versucht wird, den Domainnamen um einen Preis zu veräußern, der zu den Registrierungskosten in keiner Relation steht.
Aus den vorgenannten Gründen wird die Beschwerde abgewiesen.
Christian Gassauer-Fleissner
Einzelbeschwerdepanelmitglied
Datum: 7. November 2011