Gesuchstellerin ist die Luzerner Kantonalbank AG, Luzern, Schweiz, vertreten durch Herrn Peter Felder vom Rechtsdienst der Gesuchstellerin.
Gesuchsgegner ist Jan Kowalski, Katowice, Polen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <luzerner-kantonalbank.ch> (nachfolgend der „Domain-Name”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 8. April 2010 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 9. April 2010 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber des Domainnamens ist und dass die Vertragssprache Deutsch ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 19. April 2010 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 9. Mai 2010.
Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 10. Mai 2010 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Der Gesuchsteller wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen.
Am 11. Mai 2010 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt und am 28. Mai 2010 wurde Lorenz Ehrler als Experte bestellt. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt hat.
Die Firma der Gesuchstellerin lautet seit dem 18. Juni 2008 „Luzerner Kantonalbank AG“. Zuvor lautete ihre Firma „Luzerner Kantonalbank“, und dies mindestens seit ihrer Eintragung ins Handelsregister im Jahre 1884. Ihr Gesellschaftszweck ist der gewinnorientierte Betrieb einer Universalbank.
Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der kombinierten Marke DIE LUZERNER BANK – LUZERNER KANTONALBANK, Marke Nr. P-439588, die in Klasse 36 für Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen eingetragen ist. Die Marke wurde am 3. Mai 1996 hinterlegt und am 11. April 1997 ins Markenregister eingetragen.
Sodann ist die Gesuchstellerin Inhaberin der Domainnamen <luzernerkantonalbank.ch> und <luzernerkantonalbank.com>.
Der Domain-Name wurde am 29. März 2009 durch den Gesuchsgegner eingetragen. Die unter dem Domain-Namen betriebene Website enthält verschiedene als „sponsored listings“ bezeichnete Links auf Websites im Banken- und Finanzbereich tätiger Unternehmen wie Postfinance, Bank-Now, Saxo Bank, Bank Liechtenstein, etc. und preist verschiedene Angebote dieser Unternehmen an.
Die Gesuchstellerin beruft sich insbesondere auf die Firma sowie die unter Ziff. 4 aufgeführte Marke der Gesuchstellerin und macht überdies geltend, das Verhalten des Gesuchsgegners sei unlauter.
In firmenrechtlicher Hinsicht macht sie zunächst geltend, der Domain-Name sei mit ihrer Firma identisch und verletze daher ihr Firmenrecht. Insbesondere sei die Nutzung von Firmennamen in Form von Domainnamen ausschliesslich dem Firmeninhaber vorbehalten, weshalb die Gesuchstellerin schon aus Firmenrecht Anspruch auf Übertragung des Domain-Namens habe.
Sodann macht die Gesuchstellerin geltend, der Domain-Name verletze ihre Marke Nr. P-439588 DIE LUZERNER BANK – LUZERNER KANTONALBANK, welche am 3. Mai 1996 hinterlegt wurde. Sie macht geltend, der Domain-Name sei eine ihr Markenrecht verletzende identische Übernahme der Marke. Auf den Inhalt der Website unter dem streitgegenständlichen Domain komme es gemäss Bundesgericht nicht an. Selbst wenn es darauf ankäme, läge jedenfalls Dienstleistungsähnlichkeit vor, zumal die Website verschiedene Werbelinks für Banken- und Immobiliendienstleistungen enthalte.
Schliesslich argumentiert sie, ihre Domain-Namen genössen lauterkeitsrechtlichen Kennzeichenschutz, insbesondere vor Verwechslung, gemäss Art. 3 lit. d UWG.
Schliesslich wirft sie dem Gesuchsgegner Bösgläubigkeit vor, da dieser vor der Registrierung hätte prüfen können, ob seiner Eintragung entgegenstehende Drittrechte bestehen.
Der Gesuchsgegner hat die Gelegenheit zur Einreichung einer Gesuchserwiderung nicht wahrgenommen.
Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.
Unter Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements finden sich folgende Erläuterungen:
Eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts liegt insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain Namens rechtfertigt.
Die Gesuchstellerin hat nachgewiesen, dass sie Inhaberin der unter Ziff. 4 genannten Kennzeichen ist, sprich der Firma „Luzerner Kantonalbank AG“, der gemischten Marke DIE LUZERNER BANK – LUZERNER KANTONALBANK AG sowie der Domain-Namen <luzernerkantonalbank.ch> und <luzernerkantonalbank.com>.
(i) Firmenrechtliche Anspruchsgrundlage
Der Inhaber einer Firma verfügt über ein ausschliessliches Recht an seiner Firma und einen Unterlassungsanspruch gegenüber jedem Dritten, der ein identisches oder verwechselbares Kennzeichen firmenmässig benützt (Art. 951 Abs. 2 und Art. 956 Abs. 2 OR). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gewähren die Art. 944ff. OR nur Schutz gegen den firmenmässigen Gebrauch eines Kennzeichens. Ob die Verwendung eines Domainnamens einen firmenmässigen Gebrauch darstellt ist umstritten, wird jedoch im Schrifttum überwiegend verneint. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich und bis heute steht eine höchstrichterliche Klärung aus (Joller, in Bettinger, Handbuch des Domainrechts, Köln/München 2008, S. 958f.).
Dies schliesst natürlich nicht aus, Firmenrecht zur Anwendung zu bringen, wenn im konkreten Streitfall der Domain-Name eindeutig firmenmässig gebraucht würde. Im Hinblick auf das Ergebnis der markenrechtlichen Prüfung unter (ii), erübrigt sich allerdings die Prüfung einer etwaigen firmenrechtlichen Anspruchslage im konkreten Streitfall.
(ii) Markenrechtliche Anspruchsgrundlage
Sodann stellt sich die Frage, ob der Domain-Name die kombinierte Marke Nr. P-439588 „Die Luzerner Bank – Luzerner Kantonalbank“ verletzt:
Genauso wie der Inhaber einer Firma verfügt auch der Markeninhaber über ein Ausschliesslichkeitsrecht an seiner Marke. Dieses richtet sich gegen identische oder verwechselbare jüngere Zeichen, welche im geschäftlichen Verkehr für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benützt werden (Art. 3 Abs. 1 MSchG), wobei vorausgesetzt ist, dass der fragliche Gebrauch kennzeichnungsmässig erfolgt.
Der Gebrauch erfolgt im geschäftlichen Verkehr, sobald er im Zusammenhang mit einem kommerziellen Angebot erfolgt. Dies ist vorliegend unfraglich der Fall, da die Links auf der Website des Gesuchsgegners kommerzieller Natur sind.
Sodann muss der Gebrauch kennzeichenmässig sein, d.h. er muss zur Unterscheidung von Waren, Dienstleistungen oder Personen dienen. Lehre und Praxis gehen einhellig davon aus, dass mit Marken Dritter gebildete und tatsächlich gebrauchte Domainnamen kennzeichenmässig verwendet werden (Joller, op. cit., p. 948). Dies trifft zumindest dann zu, wenn der Gebrauch der Marke im Zusammenhang mit einem kommerziellen Angebot stattfindet, was vorliegend der Fall ist, da die unter dem Domain-Namen betriebene Website die Zurverfügungstellung virtueller Werbeflächen für kommerzielle Links namentlich im Banken- und Finanzsektor zum Gegenstand hat. Jedenfalls schafft der Domain-Name die Gefahr, dass er von einem durchschnittlichen Abnehmer als herkunftsspezifisches Unterscheidungsmerkmal verstanden werden könnte (Marbach, Markenrecht, SIWR III/1, Basel 2009, S. 433), was an sich schon ausreicht.
Damit eine Verletzung der Marke der Gesuchstellerin bejaht werden kann, muss der Domain-Name des Gesuchsgegners eine Verwechslungsgefahr gemäss Art. 3 Abs. 1 MSchG schaffen. Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn einerseits Ähnlichkeit zwischen den strittigen Zeichen und andererseits Waren- und Dienstleistungsgleichartigkeit vorliegt, derart, dass daraus eine Verwechslungsgefahr resultiert. Dass es auf den Inhalt der Website nicht ankommen soll, wie die Gesuchstellerin gestützt auf den Entscheid „T-Online“ argumentiert, ist, nach Ansicht des Experten, nicht zutreffend. Der zitierte Entscheid wurde in späteren Entscheiden korrigiert (Joller, op. cit., S. 955 sowie dort zitierte Judikatur).
Zeichenähnlichkeit liegt unfraglich vor: Neben dem Kantonalbanklogo ist der Wortbestandteil „Luzerner Kantonalbank“ ein prägender Bestandteil der Marke der Gesuchstellerin. Diese Wortkombination ist mit dem unbedeutenden Zusatz eines Bindestrichs zwischen „Luzerner“ und „Kantonalbank“ identisch im Domain-Namen enthalten.
Waren- und Dienstleistungsgleichartigkeit: Die Marke der Gesuchstellerin ist insbesondere für Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen eingetragen. Gleichartigkeit liegt dann vor, wenn der Domain-Name für gleiche oder gleichartige Dienstleistungen gebraucht wird. Wie ein Augenschein auf der unter dem Domain-Name aufgeschalteten Website ergibt enthält diese verschiedene Werbelinks für Dienstleistungen verschiedener Unternehmen im Bank- und Finanzbereich. Mit anderen Worten wird der Domain-Name zur Bewerbung von gleichartigen, respektive identischen Dienstleistungen verwendet, weshalb Gleichartigkeit der Dienstleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 MSchG vorliegt (vgl. OG LU sich! 2000, 804, „Elcotherm“; Portalangebot für die Wärmetechnik-Branche).
Kennzeichnungskraft: Man könnte einwenden, dass „Luzerner Kantonalbank“ rein beschreibend und somit schutzunfähig ist für eine Bank, welche aufgrund eines kantonalen Gesetzes (vgl. Gesetz über die Umwandlung der Luzerner Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft vom 8. Mai 2000) einen Sonderstatus aufweist und den Auftrag hat, besonders die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft des Kantons Luzern zu berücksichtigen.
Dass ein absolutes Freihaltebedürfnis an diesem Markenbestandteil bestehen könnte ist sicherlich unzutreffend, da es per definitionem nur eine Luzerner Kantonalbank geben kann und somit diese Wortkombination den Mitbewerbern weder zur freien Verfügung stehen muss noch kann. Gemäss jüngster Rechtsprechung des Bundesgerichts kann bei Begriffskombinationen nur dann ein absolutes Freihaltebedürfnis angenommen werden, wenn ein solches Bedürfnis für die Kombination der verschiedenen Begriffe besteht („Radio Suisse Romande“, Tribunal fédéral du 30 novembre 2009, sic! 2010 162,165f.). Ob gegebenenfalls die Begriffe „Luzern“, „kantonal“ und „Bank“ für sich genommen absolut freihaltebedürftig sind, spielt also vorliegend keine Rolle, weshalb dieser Frage nicht weiter nachzugehen ist.
Dennoch ist es zutreffend, dass die Wortkombination „Luzerner Kantonalbank“ an sich beschreibend und somit grundsätzlich nicht schutzfähig ist, es sei denn, sie hat nachträglich Kennzeichnungskraft erworben. Wie die Gesuchstellerin anführt, wurde die Luzerner Kantonalbank unter dieser Firma im Jahre 1850 gegründet und im Jahre 1884 im Handelsregister eingetragen. Heute gehört die Gesuchstellerin mit einer Bilanzsumme von CHF 24 Milliarden und rund 1‘000 Mitarbeitern zu den zehn grössten Schweizer Banken (siehe „www.lukb.ch“). Der Kennzeichenbestandteil „Luzerner Kantonalbank“, der seit über 150 Jahren gebraucht wird, ist in der Schweiz notorisch bekannt. Für die Verkehrskreise in der ganzen Schweiz ist ohne weiteres ersichtlich, dass dieses Zeichen sich auf die Gesuchstellerin bezieht. Allein schon aufgrund des besonderen gesetzlichen Status der Kantonalbanken ist es für die Mehrheit des schweizerischen Publikums klar, dass der Markenbestandteil „Luzerner Kantonalbank“ die Gesuchstellerin bezeichnet.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Markenbestandteil „Luzerner Kantonalbank“ nicht nur ein schutzfähiges, sondern gar ein starkes Kennzeichen ist. Der Einwand der Schutzunfähigkeit wäre daher unzutreffend.
Verwechslungsgefahr: Aus der Quasi-Identität der Zeichen und der Dienstleistungen ergibt sich eine Verwechslungsgefahr in dem Sinne, dass die Verkehrskreise vermuten könnten, die Website des Gesuchsgegners werde von der Gesuchstellerin oder von einer mit dieser verbundenen Unternehmung betrieben.
Es besteht somit eine klare Verletzung des Markenrechts der Gesuchstellerin.
(iii) Andere Rechtsgrundlagen
Aufgrund des Resultats unter (ii) ist es nicht erforderlich, das Vorliegen eines Anspruchs aufgrund anderer Rechtsgrundlagen, namentlich UWG und Namensrecht, zu prüfen.
Dennoch sei festgestellt, dass das Gesuch nach Ansicht des Experten auch unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zielführend wäre: einerseits dürfte angesichts des Gesagten auch gemäss Art. 3 lit. d UWG eine Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, zumal das Kennzeichen „Luzerner Kantonalbank“ zweifellos über die erforderliche Verkehrsgeltung verfügt. Ausserdem liegt unlauteres Verhalten auch dann vor, wenn mit der Reservierung eines Domainnamens der Ruf eines fremden Kennzeichens ausgebeutet wird. Dies bejahte beispielsweise das Obergericht Luzern im Fall luzern.ch, wo es festgestellt hat, mit der Verwendung des bekannten Namens Luzern würden Benutzer angelockt, die dahinter die Stadt Luzern vermuten und die die Verletzerin bei Verwendung eines anderen Domainnamens nicht angesprochen hätte. Mit diesem Vorgehen würde in unlauterer Weise die Wahrscheinlichkeit von Zugriffen auf die eigene Website erhöht (OG LU sic! 2002, 176 E. 5.3).
Auch unter namensrechtlichen Gesichtspunkten wäre das Gesuch der Gesuchstellerin vermutlich zu schützen.
Der Gesuchsgegner hat die Gelegenheit zur Einreichung einer Gesuchserwiderung nicht wahrgenommen. Wie oben angeführt, liegen nach Ansicht des Experten auch anderweitig keine relevanten Verteidigungsgründe vor.
Aufgrund der von der Gesuchstellerin erhobenen Rechtsbegehren, und in anbetracht der Rechtsverletzung des Gesuchsgegners, rechtfertigt sich die Übertragung des Domain-Namens auf die Gesuchstellerin.
Aus den dargelegten Erwägungen entscheidet der Experte, der streitgegenständliche Domain-Name <luzerner-kantonalbank.ch> sei gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerin zu übertragen.
Dr. Lorenz Ehrler
Experte
Datum: 11. Juni 2010