WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Turkcell Iletisim Hizmetleri A.S. v. Keyis Yusuf Kemal
Verfahren Nr. DCH2011-0007
1. Die Parteien
Der Gesuchsteller ist Turkcell Iletisim Hizmetleri A.S. aus Istanbul, Türkei, vertreten durch Istanbul Patent & Trademark Consultancy Ltd., Türkei.
Der Gesuchsgegner ist Keyis Yusuf Kemal aus Olten, Schweiz, vertreten durch Grüter Schneider & Partner AG, Schweiz.
2. Streitiger Domain-Name
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <turkcelleurope.ch> (nachfolgend der „Domain-Name”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 18. Februar 2011 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 21. Februar 2011 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchgegner Inhaberin und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum wies den Gesuchsteller am 22. Februar 2011 darauf hin, dass das Gesuch gemäss Paragraph 7 des Verfahrensreglements formale Mängel aufwies, da es auf Englisch eingereicht wurde, obwohl das Verfahren, gemäss Paragraph 7 des Verfahrensreglements, in der Sprache des Registrierungsvertrages durchgeführt werden muss. Nach Angabe des Zentrums reichte der Gesuchsteller das auf Deutsch übersetzte Gesuch am 28. Februar 2011 per E-Mail ein, innert der verlängerten Frist.
Am. 28. Februar 2011 (deutsche Übersetzung) wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 24. März 2011.
Erwiderung und Schlichtung
Die Gesuchserwiderung traf elektronisch am 23. März 2011 beim Zentrum ein. Am gleichen Tag bestätigte das Zentrum den Empfang der Gesuchserwiderung des Gesuchgegners vom 23. März 2011, worin der Gesuchgegner seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung erklärte.
Am 19. April 2011 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt und das Zentrum bestellte am 28. April 2011 Daniel Kraus als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
4. Sachverhalt
Der Gesuchsteller ist eine türkische Aktiengesellschaft Namens Turkcell Iletisim Hizmetleri A.S., die im Bereich Mobiltelefonie tätig ist. Der Gesuchsteller ist Inhaber mehrerer Marken mit dem Namen Turkcell, aber keiner solchen in der Schweiz. Marken mit dem Namen Turkcell wurden auch in der Schweiz hinterlegt, aber nach der Einreichung des Gesuchs im vorliegenden Fall. Turkcell Iletisim Hizmetleri A.S ist gleichzeitig der Inhaber verschiedener Domainnamen, unter anderem <turkcelleurope.com>, <turkcelleurope.de>, <turkcelleurope.nl>, <turkcelleurope.at>.
Der Gesuchgegner ist eine Privatperson die den Begriff „turkcell“ (in Kombination mit der Bezeichnung „europe“) für Batterien verwendet, insb. Autobatterien, die er aus der Türkei exportiert bzw. importiert. Er hat den streitgegenständlichen Domainnamen am 16. Dezember 2010 bei SWITCH registriert.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchsteller
Der Gesuchsteller argumentiert, obwohl seine Marke in der Schweiz nicht registriert sei, sei sie in der Türkei sehr bekannt. Die Gesellschaft Turkcell Iletisim Hizmetleri A.S. sei in der Türkei im Bereich Mobiltelefonie führend und sogar international bekannt. Sie sei auf der New York Stock Exchange quotiert. Sie bietet verschiedene Dienstleistungen im Bereich der Mobiltelefonie, inkl. Roaming an und sei also international tätig bzw. bekannt und habe sogar Preise für ihre Produkte gewonnen.
Sie habe verschiede Marken mit dem Begriff Turkcell in der Türkei unter Klasse 38, aber teilweise auch 9 und 35 registriert, in den meisten Fällen mit einem Bildelement kombiniert. Die Marke wurde auch in der EU als Gemeinschaftsmarke und in den USA in der Klasse 38 registriert. Die Marke sei in der Türkei notorisch.
Der Gesuchsteller bezieht sich noch auf eine Reihe von Entscheiden in WIPO Verfahren, die entweder Domainnamen mit dem gtld „.com“ enden, oder in welcher der Gesuchsteller sich auf eine Marke stützen kann.
Weiter argumentiert der Gesuchsteller, dass der Gesuchgegner keine Rechte oder legitimierte Interessen im Zusammenhang mit dem Domainnamen habe, sowie dass der Gesuchgegner den Domainnamen in böser Absicht registrierte und verwendete. Er beantragt deshalb, den Domainnamen auf den Gesuchsteller zu übertragen.
B. Gesuchgegner
Der Gesuchgegner argumentiert, dass der Gesuchsteller nicht belegt, dass er Inhaber eines Kennzeichenrechts, insbesondere einer Marke oder einer Firma nach schweizerischem Recht mit Wirkung in der Schweiz ist. Die Belege des Gesuchstellers und die Recherchen des Gesuchgegners in den für die Schweiz relevanten Marken-Datenbanken unter “www.swissreg.ch“ und ROMARIN zeigen, dass der Gesuchsteller keine Marken mit der Bezeichnung „turkcell“ und/oder „turkcelleurope“ vorweisen kann, die Wirkung in der Schweiz haben. Die für die Schweiz relevante Firmen-Datenbank unter “www.zefix.ch“ zeige zudem, dass der Gesuchsteller auch keine Firma mit der Bezeichnung „turkcell“ und/oder „turkcelleurope“ mit Wirkung in der Schweiz vorweisen kann.
Dagegen habe der Gesuchgegner die mit dem streitgegenständlichen Domainnamen ähnliche Marke TURKCELL EUROPE mit Wirkung in der Schweiz hinterlegt.
Damit fehle es in casu schon an der Grundvoraussetzung für die Gutheissung des Gesuches.
6. Entscheidungsgründe
6.1. Allgemeine Bemerkung
Nachdem das Gesuch vom türkischen Vertreter des Gesuchstellers am 28. Februar 2011 auf Deutsch zugestellt wurde, wurde ein Anwalt in der Schweiz für die Vertretung des Gesuchstellers nominiert. Diese Vertretung schrieb den Experten direkt mit Email vom 29. April 2011 an. Dieses Verhalten wurde vom Anwalt des Gesuchgegners mit Email vom 2. Mai 2011 angefochten.
Das Verfahrensreglement sieht nicht vor, nachträglich noch Schriftstücke nachzureichen. Diese zusätzlichen Informationen werden vom Experten nicht in die Entscheidung einbezogen.
6.2. Bedingungen von art. 24 (a), (c) und (d) des Verfahrensreglements
Gemäss Paragraph 24 (a) des Verfahrensreglements hat der Experte über das Gesuch unter Einhaltung des Verfahrensreglements und anhand der Vorbringen beider Parteien und den eingereichten Schriftstücken zu entscheiden. Gemäss Paragraph 24 (c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, welches dem Gesuchsteller nach schweizerischem oder liechtensteinischem Recht zusteht.
Gemäss Paragraph 24 (d) des Verfahrensreglements liegt eine solche Verletzung insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.
Im vorliegenden Fall hat der Gesuchsteller zum Zeitpunkt des Gesuches weder eine Marke hinterlegt, noch registriert. Die Frage stellt sich, ob er den Schutz einer notorischen Marke im Sinne von Art. 6 bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums erhält. Dies wurde vom Gesuchsteller nicht glaubhaft gemacht. Im Rahmen eines summarischen Verfahrens ist es dem Experten nicht möglich, im Detail zu analysieren, ob eine Marke notorisch in der Schweiz bekannt ist. Dies wurde auch vom Gesuchsteller selber (mindestens innert Frist) nicht glaubhaft gemacht, sodass die einzige Möglichkeit ist, diese Frage in einem zivilrechtlichen Prozess vor einem Gericht abklären zu lassen.
Somit kommt der Experte zum Schluss, dass der Gesuchsteller nicht Inhaber einer Marke in der Schweiz ist und somit sein Gesuch nicht auf einer Marke gründen kann.
Basis des Gesuches kann aber auch ein anderes Kennzeichenrecht sein, wie ein Name oder eine Firma. Die Existenz einer solchen Firma wurde vom Gesuchsteller nicht glaubhaft gemacht und ist auch nicht auf dem Handelsregister zu finden. Der Schutz des Namenrechts gemäss Art. 29 ZGB beantragt der Gesuchsteller nicht, weshalb sich ein Prüfung dessen erübrigt, die auch unter Betrachtung der geographisch erscheinenden Elemente des umstrittenen Begriffs sehr fraglich wäre. Darauf folgt, dass der Gesuchsteller auch nicht den Schutz des Namen- oder Firmenrechts beantragen kann.
Somit fehlt die erste Bedingung von Paragraph 24 d des Verfahrensreglements, namentlich der Bestand eines Kennzeichenrechts.
Auch die Bedingungen vom Schweizerischen Gesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) sind nicht erfüllt. Gemäss Art. 2 UWG ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst, unlauter und damit wiederrechtlich. Unlauter handelt insbesondere, gemäss Art. 3 lit. d UWG, wer Massnahmen trifft, welche geeignet sind, Verwechslungen mit Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Gemäss der Rechtsprechung unterstehen Domainnamen neben dem Kennzeichenrecht auch dem Wettbewerbsrecht, nicht nur ergänzend bei nicht bestehendem Kennzeichenschutz sondern auch kumulativ zur Füllung von Schutzlücken des Kennzeichnungsrechts (BGE 126 III 245; Feldschlösschen Getränke Holding AG v. John de Souza, WIPO Verfahren Nr. DCH2004-0012).
Im vorliegenden Fall kann man aber nicht von Verwechslungsgefahr sprechen, da die Produkte, die in Betracht kommen, auf der einen Seite Mobiltelefonie und auf der anderen Seite Autobatterien nicht verwechselbar sind. Auch der Schutz des UWG wurde deshalb mit Recht nicht beantragt.
Da die erste Bedingung Paragraph 24 (d) des Verfahrensreglements nicht erfüllt ist, brauchen die zwei anderen (keine relevanten Verteidigungsgründe des Gesuchgegners und Rechtfertigung der Übertragung) nicht weiter analysiert zu werden.
7. Entscheidung
In Anbetracht der Gesamtumstände dieses Falles, rechtfertigt sich die Übertragung des strittigen Domainnamens nicht.
Gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements weist der Experte die von der Gesuchstellerin beantragte Übertragung des Domainnamens <turkcelleurope.ch> ab.
Daniel Kraus
Experte
12. Mai 2011