WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Eidgenössisches Departement des Innern EDI v. Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationsnummern
Verfahren Nr. DCH2013-0006
1. Die Parteien
Gesuchsteller ist das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), Bundesamt für Statistik (BFS) aus Neuenburg, Schweiz, vertreten durch Fabio Tomasini und Regina Scartazzini Ditsch, Schweiz.
Gesuchsgegner ist das Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationsnummern aus Bern, Schweiz, vertreten durch Sandro Müller, Schweiz.
2. Streitiger Domainname
Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <uid-register.ch> (nachfolgend der „Domainname”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch ging beim WIPO Schiedsgerichts- und Mediationszentrum (dem “Zentrum”) am 9. April 2013 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 10. April 2013 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum wies den Gesuchsteller am 25. April 2013 darauf hin, dass das Gesuch gemäss Paragraph 14(b) des Verfahrensreglements formale Mängel aufweise, weil es auf Französisch eingereicht worden sei, die Sprache der Registrierungsvereinbarung jedoch Deutsch sei. Am 29. April 2013 reichte der Gesuchsteller daraufhin ein Gesuch in deutscher Sprache ein.
Am 13. Mai 2013 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 2. Juni 2013.
Die Gesuchserwiderung traf am 2. Juni 2013 beim Zentrum ein. Am 3. Juni 2013 bestätigte das Zentrum den Empfang der Gesuchserwiderung, worin der Gesuchsgegner seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung erklärte. Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 10. Juli 2013 mit, dass die Schlichtungsverhandlung nicht zu einem Vergleich geführt habe.
Am 18. Juli 2013 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 7. August 2013 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt hat.
4. Sachverhalt
Der Gesuchsteller ist das Eidgenössische Departement des Innern. Im Jahre 2000 hat der Bundesrat den Auftrag erteilt, den Inhalt der Unternehmens-Identifikationsnummer (UID) zu definieren. Diese Nummer wurde geschaffen, um den Austausch von Informationen einfacher und sicher gestalten zu können sowie um den administrativen Aufwand der Unternehmen zu reduzieren.
Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) am 1. Januar 2011 hat das Bundesamt für Statistik (BSF) jedem aktiven Unternehmen eine einzige UID zugewiesen. Mit Hilfe eines unentgeltlichen Registers („www.uid.ch“) macht das BFS die UID und die offizielle Adresse der Unternehmen öffentlich bekannt. Der entsprechende Domainname <uid.ch> war am 26. November 2004 registriert worden.
Der streitige Domainname wurde am 22. Juli 2011 registriert. Im Laufe des Jahres 2011 haben zahlreiche Unternehmen vom Gesuchsgegner eine Einladung erhalten, sich gegen Bezahlung einer Gebühr von CHF 55 im Register des Gesuchsgegners einzutragen.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchsteller
Zusammengefasst macht der Gesuchsteller folgendes geltend:
Der Name “UID-Register” wie auch “UID” selbst gehören nach Sinn und Zweck des Bundesgesetzes über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dürfen nicht unrechtmässig von Dritten verwendet werden.
Die Verwendung der bundesgesetzlich der Eidgenossenschaft zugeordneten Begriffe “UID” bzw. “UID-Register” durch den Gesuchsgegner stellt eine unrechtmässige Verwendung dar, die gegen Treu und Glauben verstösst und die Gefahr von Verwechslungen begründet. In der Tat haben sich zahlreiche Unternehmen und Personen an das BFS, die ESTV und/oder an den Konsumentenschutz gerichtet, da das Schreiben des Gesuchsgegners bei ihnen grosse Unsicherheit ausgelöst hat.
Der streitige Domainname ist somit an den gesetzlich bestimmten und rechtmässigen Betreiber des UID-Registers, das BFS, zu übertragen.
B. Gesuchsgegner
Zusammengefasst macht der Gesuchsgegner folgendes geltend:
Die Buchstaben “uid” stellen lediglich eine Abkürzung für unterschiedlichste Wortgruppen dar, und der Zusatz “register” ist beschreibend für den Inhalt der entsprechenden Website. Der Wortlaut “uid-register” ist somit nicht geschützt und der entsprechende Domainname daher auch nicht durch den Gesuchsgegner zu Unrecht erworben bzw. genutzt.
Zudem besteht keine Verwechslungsgefahr. Das unter dem streitigen Domainnamen betriebene Online-Portal unterscheidet sich grundlegend von allen Internetseiten des BFS, da es wesentlich kompakter ist und sich somit stärker auf ein breiteres Publikum ausrichtet.
Anstatt eine Zusammenarbeit in Betracht zu ziehen und Konsumenten nochmaligen Mehrwert zu bieten, versucht das BFS, jeglichen Fortschritt und damit auch privatwirtschaftliche Interessen zu bekämpfen.
Aus diesen Gründen ist der Antrag auf Übertragung des streitigen Domainnamens abzuweisen.
6. Entscheidungsgründe
A. Der Gesuchsteller ist Inhaber eines schweizerischen Kennzeichenrechts
Ob die Begriffe “UID” bzw. “UID-Register”, wie vom Gesuchsteller behauptet, dem Namensrecht gemäss Art. 29 ZGB unterstehen, darf bezweifelt werden. Möglicher Träger eines subjektiven Namensrechts kann nur sein, wer als Inhaber von Persönlichkeitsrechten in Frage kommt (BSK ZGB I-Bühler, Art. 29 N 13). Dies trifft bei einer Unternehmens-Datenbank nicht zu. Domainnamen sind wiederum nur dann als Kennzeichen mit Namen vergleichbar, wenn sie bei geeigneter Ausstattung auch eine hinter dieser stehende Person identifizieren (BSK ZGB I-Bühler, Art. 29 N 9).
Das Bundesgericht anerkennt jedoch, dass Domainnamen als Kennzeichen auch dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts unterstehen (BGE 126 III 239 E. 2c). Damit kann der Gesuchsteller als Inhaber des Domainnamens <uid.ch> schweizerische Kennzeichenrechte nach den Bestimmungen des UWG geltend machen.
B. Klare Verletzung der Rechte des Gesuchstellers
In Bezug auf die Aktivlegitimation des Bundes in dieser Sache ist einleitend festzuhalten, dass der Bund gemäss Art. 10 Abs. 3 lit. b UWG Verletzungen des UWG einklagen kann, wenn die Interessen mehrerer Personen oder einer Gruppe von Angehörigen einer Branche oder andere Kollektivinteressen bedroht oder verletzt sind.
Mit der Aufmachung seiner Website und der Geschäftsbezeichnung "Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationsnummern" geht es dem Gesuchsgegner offensichtlich darum, sich als offizielles UID-Register des Bundes auszugeben. Entgegen den Behauptungen des Gesuchsgegners ist nach den allgemeinen Erfahrungen des Lebens anzunehmen, dass sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Adressaten der Handlungen täuschen lässt bzw. einem Irrtum verfällt (vgl. BGE 136 III 44 E. 9.1, der einen ähnlichen Fall von missbräuchlichen Verzeichnissen betrifft). Offenbar haben sich denn auch zahlreiche Konsumenten an das BFS, die ESTV und/oder an den Konsumentenschutz gewendet, weil das Schreiben des Gesuchsgegners bei ihnen grosse Unsicherheit ausgelöst hat (vgl. Ziff. 5 oben). Damit macht der Gesuchsgegner irreführende Angaben über seine Geschäftsbezeichnung und seine Dienstleistungen und erfüllt den Tatbestand von Art. 3 lit. b UWG.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesuchsgegner auf missbräuchliche Art und Weise mit seinem Angebot Geld verdienen will. Das entsprechende Verhalten stellt eine allgemein bekannte "Masche" dar, um leichtgläubigen Konsumenten Geld aus der Tasche zu ziehen für einen Dienst, den sie auch gratis haben könnten.
Das Vorgehen des Gesuchsgegners verletzt damit Art. 2 und Art. 3 lit. b UWG (vgl. BGE 136 III 23 E. 9.1-9.3).
Da der Gesuchsgegner keine schlüssigen Verteidigungsgründe vorbringt, welche die Darstellungen des Gesuchstellers widerlegen oder sein eigenes legitimes Interesse begründen, befindet der Experte, dass die Verletzung der Rechte des Gesuchstellers durch die Registrierung und Verwendung des streitigen Domainnamens seitens des Gesuchsgegners eine Übertragung des Domainnamens rechtfertigt.
7. Entscheidung
Der Experte entscheidet aus den oben genannten Gründen, dass der Domainname <uid-register.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an den Gesuchsteller zu übertragen ist.
Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 21. August 2013