WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Feldschlösschen Getränke Holding AG v. Raphael Hintermann
Verfahren Nr. DCH2004-0017
1. Die Parteien
Der Gesuchsteller ist Feldschlösschen Getränke Holding AG, Rheinfelden, Schweiz, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Hunziker, Schärer Rechtsanwälte, Aarau, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist Herr Raphael Hintermann, Dietikon, Schweiz.
2. Streitiger Domain-Name
Der Streit betrifft den Domain-Namen <feldschlössli.ch>.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch wurde am 23. August 2004 beim WIPO Arbitration and Mediation Center auf Englisch eingereicht. Am selben Datum wurden die Registrierungsdaten durch SWITCH bestätigt aber darauf hingewiesen, dass der Registrierungsvertrag für den streitigen Domain-Namen in deutscher Sprache abgefasst ist. Daraufhin hat das Center den Vertreter des Gesuchstellers gebeten, das Gesuch in Deutsch nachzureichen. Der Gesuchsteller kam dieser Aufforderung am 24. August 2004 nach. Nachdem die formale Ordnungsmässigkeit des Gesuchs vom Center geprüft und festgestellt worden ist, hat es das Gesuch am 13. September 2004 dem Gesuchsgegner ordnungsgemäss zugestellt und ihm in Übereinstimmung mit Paragraph 15a des Verfahrensreglements eine Frist zur Erwiderung des Gesuchs bis zum 3. Oktober 2004 gesetzt.
Der Gesuchsgegner hat weder das Gesuch erwidert noch seine Bereitschaft erklärt, an einer Schlichtungsverhandlung gemäss Paragraphen 17 und 18 des Verfahrensreglements teilzunehmen.
Am 8. Oktober 2004 hat das Center den Gesuchsteller von der Möglichkeit, die Fortsetzung des Streitbeilegungsverfahrens zu beantragen, benachrichtigt. Am 11. Oktober 2004 hat der Gesuchsgegner den Antrag auf Fortsetzung des Streitbeilegungsverfahrens gestellt. Die Gebühr für die Fortsetzung des Verfahrens mit dem Expertenentscheid wurde fristgerecht gezahlt.
Am 21. Oktober 2004 hat das Center Michael Treis als Experte in diesem Verfahren bestellt. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt worden ist. In Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements hat der Experte seine Unabhängigkeit von den Parteien erklärt.
4. Sachverhalt
Der Gesuchsteller ist Inhaber der schweizerischen Marke Nummer 351848 FELDSCHLÖSSCHEN in Klasse 32 und weiterer Markeneintragungen für dasselbe Zeichen. Es ist bekannt, dass der Gesuchsteller seit langem Bier unter der Marke FELDSCHLÖSSCHEN herstellt und vertreibt.
Der Gesuchsgegner hat bei SWITCH den Domain-Namen <feldschlössli.ch> registriert. Er benutzt diesen Domain-Namen nicht.
Mit Schreiben vom 25. März 2004 hat der Gesuchsteller den Gesuchsgegner wegen der Eintragung des Domain-Namens <feldschlössli.ch> abgemahnt und sinngemäss ausgeführt, dass die Registrierung des Domain-Namens <feldschlössli.ch> geeignet sei, die Gefahr einer Verwechslung mit der Marke FELDSCHLÖSSCHEN des Gesuchstellers zu begründen. Der Gesuchsteller habe deshalb einen Anspruch auf unentgeltliche Übertragung des Domain-Namens <feldschlössli.ch>. Der Gesuchsgegner wurde aufgefordert, sich zur Übertragung des streitigen Domain-Namens bis zum 15. April 2004 zu verpflichten. Der Gesuchsgegner hat ein Doppel dieses Abmahnschreibens vom 25. März 2004 unterzeichnet und erklärt, dass er „mit der Übertragung im vorstehend erwähnten Sinne einverstanden“ sei.
Der Gesuchsgegner hat es trotz wiederholter Mahnung unterlassen, den streitigen Domain-Namen auf den Gesuchsteller zu übertragen.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchsteller
Der Gesuchsteller trägt vor, dass Domain-Namen gemäss konstanter bundesgerichtlicher Praxis unabhängig vom Website-Inhalt geeignet seien, eine Verwechslungsgefahr mit einer Marke oder mit einem Namen zu begründen. Da mit dem Domain-Namen <feldschlössli.ch> eine Gefahr der Verwechslung mit der prioritätsälteren Marke FELDSCHLÖSSCHEN geschaffen werde, sei der Gesuchsteller berechtigt, die Übertragung dieses Domain-Namens zu verlangen. Es liege ein klassischer Fall des Domain-Grabbings vor, was keinen Schutz verdiene.
B. Gesuchsgegner
Der Gesuchsgegner hat auf das Gesuch nicht geantwortet.
6. Entscheidungsgründe
A. Der Gesuchsteller hat ein ausschliessliches Recht an der Marke FELDSCHLÖSSCHEN.
Der Gesuchsteller hat nachgewiesen, dass er aufgrund seiner schweizerischen Marke Nummer 351848 FELDSCHLÖSSCHEN ein ausschliessliches Recht an der Marke FELDSCHLÖSSCHEN in Bezug auf Bier in der Schweiz hat. Diese Marke besitzt ohne Zweifel ausgeprägte Kennzeichnungskraft und geniesst daher als starke Marke einen grösseren Schutzumfang (BGE 122 III 385 f. Kamillosan). Ausserdem ist sie in der Schweiz sehr bekannt, was ein weiterer Grund ist, ihr einen erweiterten Schutzumfang zu gewähren.
B. Die Registrierung oder der Gebrauch des Domain-Namens <feldschlössli.ch> stellt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts dar, dass dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz zusteht.
1. Gemäss Art. 13 Abs. 1 und 2 des Schweizerischen Markenschutzgesetzes (MSchG) hat der Inhaber einer Marke ein ausschliessliches Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen. Dieses ausschliessliche Recht umfasst auch die Benutzung einer Marke als Element eines Domain-Namens, wenn ein solcher Domain-Name eine Verwechslungsgefahr erzeugt. In Anwendung von Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c MSchG ist dies insbesondere dann der Fall, wenn der Domain-Name mit einer älteren Marke ähnlich ist und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt ist, sodass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt.
2. Indessen gebraucht der Gesuchsgegner den streitigen Domain-Namen <feldschössli.ch> nicht, das heisst, die Registrierung dieses Domain-Namens wird nicht aktiv in Bezug auf eine Website verwendet. Daher bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesuchsgegner den Domain-Namen für gleiche oder gleichartige Waren wie diejenige, für die die Marke FELDSCHLÖSSCHEN geschützt ist, gebraucht. Auch trägt der Gesuchsteller nicht vor, warum die Registrierung des Domain-Namens durch den Gesuchsgegner eine Verwechslungsgefahr mit der Marke FELDSCHLÖSSCHEN erzeugen würde. Der Gesuchsteller beschränkt sich insoweit auf die rechtliche Ausführung, gemäss konstanter bundesgerichtlicher Praxis seien Domain-Namen unabhängig vom Website-Inhalt geeignet, eine Verwechslungsgefahr mit einer Marke oder einem Namen zu begründen. Er verweist insoweit auf das Bundesgerichtsurteil BGE 128 III 401 in Sachen „www.luzern.ch“ sowie auf den Bundesgerichtsentscheid vom 19. Mai 2003 (4C.337 2002) in Sachen „www.tonline.ch“. Diese Entscheide lassen sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles jedoch nicht heranziehen, da sie Fälle betreffen, in denen die jeweils beklagten Inhaber von Domain-Namen diese Domain-Namen für ihre jeweiligen Websites benutzt haben. Es gab in jenen Fällen im Gegensatz zum vorliegenden Fall zumindest Websites, auf die man durch Eingabe des fraglichen Domain-Namens gelangen konnte. Die Feststellung des Bundesgerichts, dass Domain-Namen unabhängig vom Website-Inhalt geeignet sein können, eine Verwechslungsgefahr mit einer Marke oder einem Namen zu begründen, heisst noch nicht, dass es auf das Vorhandensein einer Website überhaupt nicht ankommt.
3. Was den mit Bundesgerichtsurteil vom 23. Juli 2002 (BGE 128 III 401) entschiedenen Fall „www.luzern.ch“ betrifft, hat das Bundesgericht darin ausgeführt (S. 407-408), dass der Name der Stadt Luzern einen sehr hohen Bekanntheitsgrad im In- und Ausland geniesst und dass der durchschnittliche Internet-Benutzer erwartet, auf der Internetseite der Stadt Luzern zu gelangen, wenn er in seinem Computer die Adresse „www.luzern.ch” eingibt. Das Bundesgericht hat also der Stadt Luzern als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen in sachlicher Hinsicht äusserst umfassenden Schutz dieses Namens zugesprochen, der im Ergebnis dem Schutz ähnlich ist, der einer berühmten Marke gemäss Art. 15 MSchG zuteil wird. Damit ist die Bejahung der Verwechslungsgefahr in jenem Urteil konkret begründet worden.
Wenn das Bundesgericht im selben Urteil (S. 409-410) die Frage, inwieweit einer Verwechslungsgefahr durch die besondere Gestaltung einer Website begegnet werden könne, mit der Erwägung beantwortet, dass der Inhalt der Website nicht entscheidend ist sondern der Domain-Name als solcher, bedeutet dies noch nicht allgemein, dass ein jüngerer Domain-Name bei Vorliegen von Ähnlichkeit oder Identität stets eine Gefahr der Verwechslung mit einer älteren Marke begründet. Das markenrechtliche Spezialitätsprinzip gilt nämlich auch im Internet, d.h. die Verwechslungsgefahr folgt aus Markenähnlichkeit (oder –identität) und aus Gleichartigkeit (oder Gleichheit) hinsichtlich der Waren oder Dienstleistungen. Daher setzt eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr voraus, dass der durchschnittliche Internet-Nutzer erwartet, dass der von ihm eingegebene Domain-Namen zu Inhalten führt oder zumindest führen kann, die seinen Vorstellungen von dem unter dem Namen angebotenen Waren oder Dienstleistungen entspricht. Im Falle der Adresse „www.luzern.ch” erwartet er zum Beispiel, offizielle oder offiziöse Informationen der Stadt Luzern zu finden. Und im Falle der Adresse www.tonline.ch erwartet er gemäss dem o.a. Urteil des Bundesgerichts, Informationen der T-Online vorzufinden: « C’est en effet uniquement celle-ci qui éveille l’intérêt du public et lui donne l’espoir d’obtenir des informations conformes à l’association d’idées évoqée par le nom de domaine. « (Bundesgerichtsentscheid v.19. Mai 2004, 4C.377/2002, Erw. 2.2). Aber im Falle von Domain-Namen wie z.B. huber.ch oder mueller.ch, die a priori keiner bestimmten Person und keinem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden können, gibt es von vornherein keine entsprechende Assoziation zu bestimmten Inhalten und kann man keine solche erwarten.
Mit seiner Feststellung in BGE 128 III 401 (409), dass der Inhalt der Website nicht entscheidend ist, wollte das Bundesgericht daher lediglich präzisieren, dass der beklagte Inhaber des Domain-Namens luzern.ch den Vorwurf der Verwechslungsgefahr nicht dadurch ausräumen kann, dass er auf seiner Website z.B. einen klarstellenden Hinweis über den nicht-amtlichen Charakter des Inhalts anbringt. Die Verwechslungsgefahr ist also bereits gegeben, wenn Internet-Benutzer begründeten Anlass haben, unter dem Domain-Namen Inhalte spezifischer Anbieter vorzufinden, diese Erwartung jedoch beim Ansteuern der Website enttäuscht wird. Die Verwechslungsgefahr kann nicht nachträglich dadurch behoben werden, dass der Betreiber der Website/Inhaber des Domain-Namens den Internet-Benutzer mit dem Inhalt der Website post factum darüber aufklärt, dass er nicht mit derjenigen Person identisch ist, dessen Website der Internet-Benutzer unter dem Domain-Namen gesucht hat.
Im vorliegend zu entscheidenden Fall des Domain-Namens <feldschlössli.ch> wären mithin grundsätzlich zur Begründung der Verwechslungsgefahr Ausführungen dazu zu verlangen, dass der durchschnittliche Internet-Benutzer in der Schweiz erwarten wird, unter diesem Domain-Namen eine Website des Gesuchstellers vorzufinden. Ausführungen dieses Inhalts sind im Gesuch jedoch nicht enthalten. Das Stichwort „Domain-Grabbing“, das im Gesuch fällt, ersetzt die rechtliche Begründung der Verwechslungsgefahr noch nicht.
4. Es ist auch nicht so, dass die Zuordnung des streitigen Domain-Namens <feldschlössli.ch> zum Gesuchsteller eine allgemein bekannte Tatsache und damit gerichtsnotorisch wäre. Zwar entspricht das schwyzerdütsche Wort „Schlössli“ der hochdeutschen Diminutivform „Schlösschen“, weshalb bedeutungsmässig Identität mit dem Namen und der bekannten Marke des Gesuchstellers vorliegt. Auch wird die Marke des Gesuchstellers in der Mundart häufig FELDSCHLÖSSLI ausgesprochen. Aber immerhin gelangt man bei einer Internet-Recherche nach dem Wort „Feldschlössli“ auch zu Websites Dritter, die soweit ersichtlich keinen direkten Bezug zum Gesuchsteller haben. Daher müsste vom Gesuchssteller substanziert werden, warum der vom Gesuchsgegner registrierte Domain-Namen eine Verwechslungsgefahr erzeugt und warum dies eine im Sinne von Paragraph 24 des Verfahrensreglements klare Verletzung eines Kennzeichenrechts des Gesuchstellers darstellt. Das Gesuch lässt diese Begründung vermissen.
5. Indessen hat der Gesuchsgegner auf das Schreiben des Gesuchstellers vom 25. März 2004 – Gesuchsbeilage 6 – mit einem gegengezeichneten Doppel des Schreibens geantwortet. Der Gesuchsgegner hat damit erklärt, dass er mit der Übertragung des Domain-Namens <feldschlössli.ch> „im vorstehend erwähnten Sinne einverstanden“ sei. Der „vorstehend erwähnte Sinn“ umfasst auch die Behauptung, dass der streitige Domain-Name eine Verwechslungsgefahr mit der Marke FELDSCHLÖSSCHEN erzeugt. Daher hat der Gesuchsgegner die Richtigkeit dieser Behauptung implizit anerkannt. Ausserdem hat der Gesuchsgegner es versäumt, auf das Gesuch fristgerecht zu antworten, weshalb der Experte gemäss Paragraph 23 des Verfahrensreglements auf Grundlage der Akten entscheiden kann. Diese Akten umfassen auch die Behauptung des Gesuchstellers unter IV B. des Gesuchs, es liege ein klassischer Fall des „Domain-Grabbings“ vor. Die Tatsache, dass auch diese Behauptung unwidersprochen geblieben ist, gibt dem Experten im vorliegenden Fall Anlass, von der Richtigkeit dieser Behauptung auszugehen. Die implizite Anerkennung der Verwechslungsgefahr durch den Gesuchsgegner und sein Schweigen auf den Vorwurf des „Domain-Grabbings“ führt zur Feststellung, dass die Registrierung des Domain-Namens <feldschlössli.ch> eine klare Verletzung des Kennzeichenrechts des Gesuchstellers darstellt.
Der Experte stellt daher fest, dass das Gesuch begründet ist.
7. Entscheidung
Aus den oben ausgeführten Gründen und in Übereinstimmung mit Paragraph 24 des Verfahrensreglements ordnet der Experte an, dass der Domain-Name <feldschlössli.ch> auf den Gesuchsteller zu übertragen ist.
Dr. Michael Treis
Datum: 8. November 2004