WIPO

 

WIPO Arbitration and Mediation Center

 

ENTSCHEIDUNG DES EXPERTEN

Otto GmbH & Co. KG. v. Zeljko Radovancevic

Verfahren Nr. DCH2005-0021

 

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist Otto GmbH & Co. KG („Gesuchstellerin“) mit Sitz in Hamburg, Deutschland, vertreten durch Fürsprecherin Dr. Béatrice Pfister, Bern, Schweiz.

Der Gesuchsgegner ist Herr Zeljko Radovancevic, Hundwil, Schweiz („Gesuchsgegner“), vertreten durch Urs Schmid, Solothurn, Schweiz.

 

2. Domain Namen und Domainvergabestelle

Gegenstand des Verfahrens sind die Domainnamen <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch> („Domainnamen“).

Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz („Domainvergabestelle“).

 

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (“Center”) am 13. September 2005 per E-Mail und am 14. September 2005 in Hardcopy in deutscher Sprache ein. Das Center teilte am 20. September 2005 der Gesuchstellerin mit, dass das Gesuch keine Erklärung über etwaige gerichtliche Verfahren enthalte, die hinsichtlich des streitgegenständlichen Domain-Namens anhängig waren oder noch sind. Eine ergänzende Erklärung des Gesuchs ist per E-Mail am 22. September 2005 eingegangen. Drei nachträgliche Sets Kopien der Beilagen ebenso wie drei Kopien betreffend die Behebung des Mangels sind am 29. September 2005 eingegangen. Die Domainvergabestelle SWITCH bestätigte am 16. September 2005, dass der Gesuchsgegner die Inhaberin der Domainnamen <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch> ist und auch dessen administrative Kontaktperson ist.

Das Center stellte fest, dass das Gesuch den Anforderungen des Verfahrensreglementes für Streitbeilegungsverfahren für „.ch“ und „.li“ Domainnamen („Verfahrensreglement“), das SWITCH am 1. März 2004 in Kraft gesetzt hat, genügt, und dass ordnungsgemäss gezahlt wurde.

Am 30. September 2005 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 20. Oktober 2005.  Am 7. Oktober 2005 bestätigte das Center den Empfang des E-Mails des Gesuchsgegners vom 7. Oktober 2005, worin der Gesuchsgegner seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung erklärte undangab, keine Erwiderung einreichen zu wollen.

Das Center teilte mit Schreiben vom 21. November 2005 mit, dass die Schlichtungsverhandlung nicht zu einem Vergleichschluss geführt habe. Die Gesuchstellerin beantragte innert Frist die Fortsetzung des Streitbeilegungsverfahrens.

Am 5. Dezember 2005 ersuchte der Rechtsvertreter des Gesuchsgegners das Center, nach einer angemessenen Fristansetzung Gelegenheit zu geben, zu den Anbringen der Gesuchstellerin schriftlich Stellung zu nehmen. Mit E-mail vom 5. Dezember 2005 bestätigte das Center den Empfang dieses Schreibens und erläuterte, dass die Frist zur Einreichung einer Gesuchserwiderung bereits am 20. Oktober 2005 abgelaufensei. Der Experte könne jedoch gemäss Paragraph 21(c) einen weiteren Vortrag der Parteien zulassen.

Am 7. Dezember 2005 teilte das Center mit, dass Herr Bernhard F. Meyer-Hauser als Experte bestellt wurde, und dass der Experte eine Annahmeerklärung und eine Erklärung der Unabhängigkeit abgegeben hat.

 

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin betreibt unter der Marke „Otto“ den bekannten Versandhandel für diverse Güter des täglichen Gebrauchs, wie Kleidung, technische Geräte, Möbel etc.

Die schweizerische Marke Nr. P-423132 „Otto“ wurde am 25. März 1996, eingetragen.

Die Gesuchstellerin unterhält für den Versandhandel die Domainnamen „otto.de“, auf welche der Nutzer auch über „otto-versand.de“ sowie „ottoversand.de“ gelangt.

Der Gesuchsgegner ist eine Privatperson.

Die streitgegenständlichen Domainnamen wurden am 21. April 2005 durch den Gesuchsgegner registriert.

 

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin macht geltend, die Registrierung und/oder die Verwendung des streitgegenständlichen Domainnamens durch den Gesuchsgegner verletze nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins ihr Kennzeichenrecht. Sie beantragt deshalb, den Domainnamen auf die Gesuchstellerin zu übertragen.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner hat keine Gesuchserwiderung eingereicht. Er hat daher das Vorbringen des Gesuches nicht bestritten und der Experte wird auf der Grundlage des Vorbringens des Gesuches entscheiden (Paragraph 23(a) des Verfahrensreglements).

 

6. Entscheidgründe

Da der Gesuchsgegner mit E-mail vom 7. Oktober 2005 erklärt hat, keine Gesuchserwiderung einreichen zu wollen und er gemäss E-mail vom 5. Oktober 2005, sogar von einem Anwalt beraten worden ist, lässt der Experte keinen weiteren Vortrag des Gesuchsgegners gemäss Paragraph 21(c) zu.

Gemäss Paragraph 24(a) des Verfahrensreglements hat der Experte über das Gesuch unter Einhaltung des Verfahrensreglements und anhand der Vorbringen beider Parteien und der eingereichten Schriftstücke zu entscheiden.

Der Experte gibt dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder die Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das der Gesuchstellerin nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht (Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements). Gemäss Paragraph 24(d) liegt eine solche Verletzung insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.

A. Die Gesuchstellerin hat ein Recht am geltend gemachten Kennzeichen nach schweizerischem Recht

Wie bereits oben ausgeführt, ist die Gesuchstellerin in der Schweiz Inhaberin der Marke „Otto“, registriert am 25. März 1996 (Marken-Nr. P-423132).

Entsprechend hat die Gesuchstellerin den Nachweis gemäss Paragraph 24(d)(i) des Verfahrensreglements ausreichend erbracht.

B. Die Registrierung oder die Verwendung des Domainnamens ist eine klare Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin

Der streitgegenständliche Domainnamen lauten <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch>. Die Gesuchstellerin ist die Inhaberin der Marke „Otto“ in der Schweiz.

Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel daran, dass der kennzeichnungskräftige Teil des Domainnamens mit der Marke der Gesuchstellerin identisch ist.

Das Schweizerische Bundesgericht hat in seinem Leitentscheid festgehalten, dass Domainnamen in ihrer Funktion die dahinter stehenden Personen, Produkte bzw. Sachen oder Dienstleistungen identifizieren und deshalb vergleichbar seien mit Personennamen, Firmen oder Marken (vgl. BGE 126 III 239, 244, mit weiteren Literaturhinweisen). Diese Kennzeichenfunktion von Domainnamen habe zur Folge, dass diese gegenüber absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten hätten (BGE 126 III 239, 244 f.).

Im WIPO Verfahren No. DCH2004-0012, Feldschlösschen Getränke Holding AG v. John De Souza, wird festgehalten, dass diese Voraussetzungen lediglich auf sogenannte aktive Webseiten anwendbar sind. Wieso zwischen aktiven und passiven Webseiten unterschieden wird, ist allerdings nicht nachvollziehbar. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ein Domainhalter früher oder später, eventuell auch nach dem Verkauf des registrierten Domainnamens, beabsichtigt, damit Informationen für andere Internetnutzer zugänglich zu machen. Somit birgt der registrierte Domainname immer eine potentielle Verletzung von Markenrechten in sich, weshalb es der Schutzzweck erfordert, dass auch passive Domainnamen gegenüber absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten haben.

In Bezug auf die Marke „Otto“ kommt als Anspruchsgrundlage der von der Gesuchstellerin geltend gemachte Art. 13 Abs. 2 lit. e des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben vom 28. August 1992 („MSchG“; SR 232.11) in Betracht. Demnach kann eine Markeninhaberin anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das aufgrund ihres älteren Markenrechts nach Art. 3 Abs. 1 MSchG vom Markenschutz ausgeschlossen ist, so insbesondere auf Geschäftspapieren, in der Werbung oder sonst wie im geschäftlichen Verkehr.

Der kennzeichnungskräftige Teil der streitigen Domainnamen ist mit der Marke der Gesuchstellerin identisch. Ebenfalls kann der kennzeichnungsmässige Gebrauch für einen Domainnamen ohne weiters bejaht werden. Bei den streitigen Domainnamen <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch>liegt es nahe, dass der Gesuchsgegner einen Versandhandel über diese Domainnamen betreiben will. Die gewerbliche Nutzung ist deshalb zu bejahen. Die Verletzung des markenrechtlichen Schutzes der Marke „Otto“ ist zu bejahen.

Domainnamen unterstehen neben dem Kennzeichenrecht auch dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 126 III 239, 245). Gemäss gefestigter Rechtsprechung kommt das Wettbewerbsrecht dabei nicht nur ergänzend bei nicht bestehendem Kennzeichenschutz, sondern auch kumulativ zur Füllung von Schutzlücken des Kennzeichnungsrechts zur Anwendung (vgl. statt vieler HGer ZH, zitiert in sic! 1999, 582 ff. Rivella – Apiella II).

Gemäss Art. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“; SR 241) ist unlauter und damit widerrechtlich jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst.

Art. 3 lit. d UWG bestimmt, dass unlauter handelt, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Unter diesen wettbewerbsrechtlichen Kennzeichenschutz fallen sämtliche Verhaltensweisen, bei denen das Publikum durch die Schaffung von Verwechslungsgefahr irregeführt wird (BGE 126 III 239, 245).

Der Gesuchsgegner hat keine Gründe angegeben, weshalb er die streitigen Domainnamen registriert hat. Vernünftige Gründe sind auch für den Experten nicht ersichtlich. Auf der anderen Seite benachteiligt die Registrierung der streitigen Domainnamen die Gesuchstellerin erheblich: die Domainnamen <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch> können von ihr nicht mehr gebraucht werden, um den Versandhandel auch über diese Domainnamen zu betreiben.

Der kennzeichnungskräftige Teil der Domainnamen („otto“) ist identisch mit der Marke der Gesuchstellerin. Die Marke „Otto“ ist in Bezug auf den Versandhandel zumindest in der Deutschschweiz sehr bekannt. Die Verwechselbarkeit der Domainnamen zusammengesetzt aus der Marke „Otto“ und dem Zusatz „Versand“ wird vom Experten als erheblich eingeschätzt.

Ein Benutzer, welcher die streitigen Domainnamen ansteuert, geht davon aus, direkt mit dem Versandhandel der Gesuchstellerin verbunden zu sein. Internetbenutzer werden den Domainnamen mit dem Versandhandel der Gesuchstellerin in Verbindung bringen und dabei über deren Herkunft irregeführt werden.

Die vorliegende Rechtsverletzung rechtfertigt die Übertragung der streitgegenständlichen Domainnamen.

Die Voraussetzungen von Paragraph 24(c) und (d) des Verfahrensreglements sind somit erfüllt.

 

7. Entscheidung

Im Sinne der obigen Erwägungen ordnet der Experte an, die streitgegenständlichen Domainnamen <ottoversand.ch> und <otto-versand.ch> im Sinne von Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerin zu übertragen.


Bernhard F. Meyer-Hauser
Experte

Datum: 21. Dezember 2005