WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Volvo Automobile (Schweiz) AG / Volvo Trademark Holding AB v. Auto Import Uster, Yves Allemann
Verfahren Nr. DCH2006-0020
1. Die Parteien
Die Gesuchstellerinnen sind Volvo Automobile (Schweiz) AG aus Glattbrugg in der Schweiz (nachfolgend die „Gesuchstellerin 1“) und Volvo Trademark Holding AB aus Göteborg in Schweden (nachfolgend die „Gesuchstellerin 2“), beide vertreten durch Philippe Probst von Fuhrer Marbach & Partner aus Bern, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist Auto Import Uster, resp. Yves Allemann aus Uster, Schweiz, der seinerzeit Angestellter der Central Garage Uster AG war, welche unter der Enseigne „Auto-Import-Uster“ ein Geschäft führte. Yves Allemann ist heute bei der Autoshow Aathal AG angestellt, die den Domain Namen heute auch verwendet. Andreas Jermann von Jermann Künzli Rechtanwälte aus Zürich, Schweiz, ist zur Vertretung aller drei genannten Parteien berufen.
2. Streitiger Domain-Name
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <volvo-import.ch> (nachfolgend der „Domain-Name“).
3. Verfahrensablauf
Die Beschwerdeschrift ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (das „Center“) am 21. August 2006 per E-Mail und am 23. August 2006 in Hardcopy ein. Am 29. August 2006 bestätigte SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domain-Namens ist.
Das Center bestätigt, dass die Beschwerdeschrift den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für .ch und .li Domain-Namen vom 1. März 2004 (das „Verfahrensreglement“) entspricht.
In Übereinstimmung mit Paragraph 14 des Verfahrensreglements übermittelte das Center am 29. August 2006 die Beschwerdeschrift an den Gesuchsgegner. Der Gesuchsgegner reichte beim Center am 18. September 2006 per E-Mail und am 20. September 2006 in Hardcopy eine Gesuchserwiderung ein, worin er auf die Durchführung einer Schlichtung verzichtet. Am 21. September 2006 bestätigte das Center den Eingang der Gesuchserwiderung. Das Center bestellte am 12. Oktober 2006 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte findet, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
4. Sachverhalt
Die Gesuchstellerin 1 ist eine im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragene Gesellschaft und bezweckt den Handel von Personenwagen, Ersatzteilen und Zubehör insbesondere der Marke VOLVO (Beilage 1a des Gesuchs). Ihre Geschäftstätigkeit ist gemäss Handelsregisterauszug auf das Gebiet der Schweiz beschränkt. Die Gesellschaft gehört zudem zur Volvo Car Corporation und ist gemäss eigener Darstellung die Generalimporteurin für Personenwagen, Ersatzteile und Zubehör der Marke VOLVO.
Die Gesuchstellerin 2 ist eine schwedische Aktiengesellschaft (Beilage 1b des Gesuchs). Sie ist Inhaberin der schweizerischen Wortmarke VOLVO und der Wort-/Bildmarke VOLVO für verschiedene Klassen (Beilagen 2a, 2b, 2c des Gesuchs). Gesuchstellerin 2 hat Gesuchstellerin 1 auf das Gebiet der Schweiz beschränkte Nutzungsrechte an sämtlichen von der Gesuchstellerin 2 gehaltenen VOLVO-Marken eingeräumt.
Yves Allemann hat den Domain-Namen am 8. Mai 2003 (Beilage 5 des Gesuchs) als Arbeitnehmer der Central Garage Uster AG eingetragen (Beilage 3 der Erwiderung). Die Central Garage Uster AG hat unter der Enseigne „Auto-Import-Uster“ ein Geschäft geführt (Beilage 1 der Erwiderung). Gemäss Darstellung des Gesuchsgegners führt heute die Autoshow Aathal AG das seinerzeit unter „Auto-Import-Uster“ betriebene Geschäft des Parallelimports von Personenwagen (Beilagen 2 und 8 der Erwiderung). Yves Allemann hat Ende 2003 von der Central Garage Uster AG zur Autoshow Aathal AG gewechselt (Beilage 3 der Erwiderung), wo er gemäss eigener Darstellung noch heute beschäftigt ist. Beide Gesellschaften gehören zur gleichen Firmengruppe. Der Domain-Name bezeichnet heute die Website der Autoshow Aathal AG, die auch unter <auto-show.ch>, aber auch unter der Verwendung der Kombination verschiedenster Automarken mit dem Zusatz „-import.ch“ zu erreichen ist (z.B. <alfa-import.ch>, <bmw-import.ch>, <audi-import.ch>, usw.).
Die Parteien standen im vorprozessualen Kontakt, haben aber keine Einigung gefunden.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchstellerinnen
Die Gesuchstellerinnen machen geltend, dass durch die Registrierung des Domain-Namens die Namen- und Firmenrechte der Gesuchstellerin 1 dadurch verletzt würden, dass sich durch die Übernahme des Namens/der Firma in den Domain-Namen als Hauptbestandteil die Gefahr einer Fehlzurechnung und Verwechslung realisiert. Weiter rügen die Gesuchstellerinnen eine Verletzung der Markenrechte der Gesuchstellerin 2. Durch die Verwendung der Marke im Domain-Namen für gleichartige Waren durch den Gesuchsgegner schaffe dieser eine mittelbare Verwechslungsgefahr und bedrohe die Unterscheidungskraft der Marke. Zudem sei die Gesuchstellerin 2 als Markeninhaberin von der Nutzung des Domain-Namens ausgeschlossen. Letztlich rügen die Gesuchstellerinnen, dass durch unlauteres Verhalten ihr Ruf ausgebeutet werde und eine wirtschaftliche Verbindung zum Gesuchsgegner suggeriert würde.
B. Gesuchsgegner
Der Gesuchsgegner bestreitet die Vorwürfe der Gesuchstellerinnen und führt aus, dass er ein schützenswertes Interesse am Domain-Namen habe. Weiter entgegnet der Gesuchsgegner, dass durch den Domain-Namen keine Verwechslungsgefahr entstehe.
6. Entscheidungsgründe
Gemäss Paragraph 24 (c) des Verfahrensreglements, gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.
Unter Paragraph 24 (d) der Verfahrensreglements finden sich folgende Konkretisierungen:
Eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts liegt insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.
Die Gesuchstellerinnen haben bewiesen, dass die Gesuchstellerin 2 Inhaberin von Schweizer Markenrechten am Kennzeichen VOLVO ist. Der Schutz dieser Marke umfasst u.a. Fahrzeuge (Beilage 2a, 2b, 2c des Gesuchs).
B. Die Registrierung und der Gebrauch des Domain-Namens stellen eine klare Verletzung der Rechte der Gesuchstellerinnen dar
(i) Namens- und Firmenrecht
Da der Beklagte mit dem Domain-Namen keine Firma bezeichnet, kommen die Regeln zur Abwehr der namenmässigen Firmenanmassung nicht zum Zuge. Dagegen können sich die Klägerinnen auf Art. 29 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (nachfolgend „ZGB“) berufen und eine Verletzung ihres Namensrechtes rügen, da das Namensrecht eine grössere Reichweite als das Firmenrecht aufweist.
Die schweizerische Lehre und Rechtsprechung anerkennen seit längerem Domain-Namen als Schutzobjekte des Namensrechts, da sie einerseits eine dazu geschaltete Website und andererseits die dahinter stehende Person identifizieren.
Vorliegend ist also zur Begründung des Verletzungstatbestandes von Art. 29 Abs. 2 ZGB zu beurteilen, ob eine Namensanmassung als Zeichengebrauch vorliegt, diese eine massgebliche Verwechslungsgefahr schafft und wie bei deren Vorliegen die involvierten Interessen zu gewichten sind.
Durch die Übernahme des kompletten Namens der Gesuchstellerinnen und durch die Kombination mit dem Zusatz „-import“ formt der Gesuchsgegner zwar einen eigenen Namen, aber mittels Namensanmassung. Fraglich ist nur, ob sich dadurch für den durchschnittlichen Autokäufer und Internetbenutzer eine Verwechslungsgefahr realisiert. Während die Gesuchstellerinnen die Bedeutung des Zusatzes „-import“ negieren, sieht der Gesuchsgegner darin eine wesentliche Unterscheidungskraft. Erstere gehen davon aus, dass jeder Name mit dem Bestandteil VOLVO den Gesuchstellerinnen zugerechnet wird oder zumindest eine Verbindung daraus abgeleitet wird, die sie ablehnen. Die oben erwähnten beteiligten Verkehrskreise differenzieren jedoch nach Ansicht des Experten mehr als dies die Gesuchstellerinnen behaupten. Ein möglicher Autokäufer, der sich auf dem Internet über Angebote informiert, sucht meistens bereits andere Angebote als diejenigen über den offiziellen Absatzmarkt; denn diese sind bei den jeweiligen Vertragshändlern zu finden und nicht über einen Import-Markt. Ansonsten würde ein z.B. an einem VW Interessierter die Website der AMAG oder einer verbundenen Garage besuchen. Der Hinweis auf den branchenüblichen „Direkt“-Import am offiziellen Import vorbei ist dahingehend bereits unterscheidungskräftig. Es ist als Allgemeinwissen zu betrachten, dass durch Ausschaltung des Zwischenhandels über den Weg des Parallelimports die Preise unter Umständen reduziert werden können. Dieser Verkaufskanal ist heute v.a. über das Internet zugänglich und für eine Vielzahl von Produkten etabliert. Daher ist dieser Experte der Ansicht, dass der Domain-Name mit dem massgeblichen Zusatz „-import“, gemessen an der durchschnittlichen Aufmerksamkeit der beteiligten Verkehrskreise, kein Verwechslungspotential birgt. Zudem hat der Gesuchsgegner als Erst- oder Wiederverkäufer u.a. der Marke VOLVO ein berechtigtes Interesse am Domain-Namen. Dadurch, dass der Domain-Name als einer von vielen auf die Website des Gesuchsgegners verweist und nicht einmal bei einer Internetsuche nach dem Begriff „Volvo“ auffindbar ist, muss auch eine allfällig realisierte Verwechslung als marginal bezeichnet werden.
(ii) Markenrecht
Der von den Gesuchstellerinnen als verletzt gerügte Art. 3 Abs. 1 lit. c des Schweizerischen Markenschutzgesetzes (nachfolgend „MSchG“) findet gemäss BGE 4C.354/1999 („Chanel IV“) seine Grenzen im Erschöpfungsgrundsatz. Der Markeninhaber kann demnach einem legitimen Wiederverkäufer nicht verwehren, für Markenartikel in seinem Sortiment unter Verwendung der Marke zu werben, solange diese Verwendung auf sein konkretes Angebot beschränkt ist und für den Vertrieb der Ware erforderlich ist. Ein ähnliches Urteil ist in BGE 128 III 146 zu finden. In beiden Fällen hat der Wiederverkäufer die Markenware unter Verwendung der Marke und sogar des Logos beworben und wurde vom Bundesgericht darin bestätigt. Im vorliegenden Fall vertreibt der Gesuchsgegner Markenprodukte und weist für die VOLVO-Fahrzeuge speziell mit dem Domain-Namen auf sein Angebot hin, ohne das VOLVO-Logo zu benutzen. Diese Verwendung der Marke der Gesuchstellerinnen durch einen Wiederverkäufer ist nicht vom markenrechtlichen Schutz der Individualisierung und Abgrenzung erfasst, da der Gesuchsgegner gerade durch seine Werbung und Verkaufstätigkeit zur Individualisierung und Abgrenzung beiträgt. Eine Einflussnahme des Markeninhabers auf die Art und Weise wie dies zu geschehen hat, wird grundsätzlich ausgeschlossen. Eine missbräuchliche Ankündigung der Waren des Markeninhabers ist nicht ersichtlich.
(iii) Lauterkeitsrecht
Die von den Gesuchstellerinnen vorgeworfene Verletzung von Art. 3 lit. d des Schweizerischen Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (nachfolgend „UWG“) läuft ins Leere, da der Gesuchsteller keine Verwechslungsgefahr schafft (siehe i. oben). Zusätzlich lauterkeitsrechtlich relevant ist die Tatsache, dass der Gesuchsgegner Personenwagen vieler anderer Marken anbietet. Es wird vernünftigerweise von keinem potentiellen Kunden angenommen werden, der Gesuchsteller sei Vertragshändler aller dieser Marken. Die Suggerierung einer Verbindung zwischen den Gesuchstellerinnen und dem Gesuchsgegner aufgrund des Domain-Namens und dem Angebot auf der Website ist nicht ersichtlich. Zudem wird den Gesuchstellerinnen der Zugang zum ccTLD .ch-Markt nicht verwehrt, da sie bereits den wichtigsten Domain-Namen <volvo.ch> registriert haben. Von einem Versperren des Zeichenerwerbs kann also nicht die Rede sein.
7. Entscheidung
Daher entscheidet dieser Experte, dass das Gesuch, den Domain-Namen <volvo-import.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin zu übertragen, abzuweisen ist.
Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 26. Oktober 2006