WIPO

 

WIPO Arbitration and Mediation Center

 

ENTSCHEIDUNG DES BESCHWERDEPANELS

Continental AG v. Sven Richter

Verfahren Nr. D2007-1327

 

1. Die Parteien

Beschwerdeführerin ist die Continental Aktiengesellschaft aus Hannover, Deutschland, vertreten durch Taylor Wessing aus Düsseldorf, Deutschland.

Beschwerdegegner ist Sven Richter aus Herscheid, Deutschland.

 

2. Domainnamen und Domainvergabestelle

Die streitgegenständlichen Domainnamen <continental-service.com>, <continental-service.net>, <continental-service.org> und <continental-service.info> (die „Domainnamen“) sind bei der Cronon AG Berlin, Niederlassung Regensburg, Deutschland (die „Domainvergabestelle“) registriert.

 

3. Verfahrensablauf

Die Beschwerde ging bei dem WIPO Arbitration and Mediation Center (der „Beschwerdestelle“) am 05. September 2007 per E-Mail und am

07. September 2007 per Post ein. Am 19. September 2007 bestätigte die Domainvergabestelle auf Anfrage der Beschwerdestelle vom 10. September 2007, dass der Beschwerdegegner Inhaber und administrative Kontaktperson für die streitgegenständlichen Domainnamen sei. Die Beschwerdestelle stellte fest, dass die Beschwerde den formellen Anforderungen der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Richtlinie“), der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Verfahrensordnung“) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Ergänzenden Verfahrensregeln“) genügt.

Mit Schreiben vom 24. September 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die einmonatige Aussetzung des Verfahrens wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien. Die Beschwerdeführerin begründete dies unter anderem damit, dass sich der Beschwerdegegner unmittelbar nach der Parteizustellung der Beschwerde mit der Beschwerdeführerin in Verbindung gesetzt und sich verpflichtet habe, die streitgegenständlichen Domainnamen an die Beschwerdeführerin zu übertragen. Die Beschwerdestelle setzte das Verfahren antragsgemäß bis 24. Oktober 2007 aus.

Am 24. Oktober 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Aussetzung des Verfahrens um einen weiteren Monat. Die Beschwerdestelle bestätigte die Verlängerung bis 24. November 2007 am selben Tag.

Am 26. November 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des Verfahrens, da der Beschwerdegegner seiner Verpflichtung zur Übertragung der streitgegenständlichen Domainnamen bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgekommen sei.

Gemäß Paragrafen 2(a) und 4(a) der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde dem Beschwerdegegner förmlich zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 30. November 2007 eingeleitet. Gemäß Paragraf 5(a) der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 20. Dezember 2007. Der Beschwerdegegner reichte keine Beschwerdeerwiderung ein. Daher erging am 21. Dezember 2007 Mitteilung der Säumnis des Beschwerdegegners.

Die Beschwerdestelle bestellte Brigitte Joppich am 04. Januar 2008 als Einzelpanelmitglied. Das Panel stellt fest, dass es ordnungsgemäß bestellt wurde. Das Panel hat eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäß Paragraf 7 der Verfahrensordnung abgegeben.

 

4. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist einer der weltweit führenden Zulieferer der Automobilindustrie. Sie wurde im Jahre 1871 gegründet, unterhält mittlerweile mehr als 100 Standorte und beschäftigt rund 87.000 Mitarbeiter in 27 Ländern. Im Geschäftsjahr 2006 erwirtschaftete der Konzern der Beschwerdeführerin einen Umsatz von EUR 14.887 Millionen.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin zahlreicher deutscher und internationaler Marken mit dem Zeichenbestandteil „Continental“, ihr gehören unter anderen:

- die deutsche Wortmarke Nr. 40562 CONTINENTAL mit Priorität vom

17. Mai 1899,

- die deutsche Wortmarke Nr. 305633 CONTINENTAL mit Priorität vom

28. Oktober 1922 und

- die internationale Registrierung Nr. 159256 CONTINENTAL mit Registrierungsdatum 28. Januar 1952

(die „CONTINENTAL Marken“).

Die Marken der Beschwerdeführerin beanspruchen Schutz in zahlreichen Waren- und Dienstleistungsklassen und werden intensiv beworben.

Der Beschwerdegegner registrierte die streitgegenständlichen Domainnamen <continental-service.com>, <continental-service.net> und <continental-service.info> am 21. Februar 2007 und den Domainnamen <continental-service.org> am

19. Mai 2007. Der Beschwerdegegner benutzte die streitgegenständlichen Domainnamen in Verbindung mit der Bewerbung und dem Angebot von Fahrzeugreifen, Felgen und Fahrzeugzubehör. Unter den angebotenen Produkten waren solche der Beschwerdeführerin und auch solche von mit der Beschwerdeführerin in Wettbewerb stehenden Dritten. Darüber hinaus wurden unter den streitgegenständlichen Domainnamen Dienstleistungen einer Unternehmensberatung angeboten.

 

5. Parteivorbringen

A. Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass im vorliegenden Fall alle drei Elemente gemäß Paragraf 4(a) der Richtlinie gegeben seien:

(i) Der Domainname sei ihren CONTINENTAL Marken verwechslungsfähig ähnlich, da die Domainnamen die Marken der Beschwerdeführerin vollumfänglich enthalten. Bei dem hinzugefügten Bestandteil „service“ handele es sich lediglich um einen generischen Begriff, dem keinerlei Unterscheidungskraft beigemessen werden könne. Gleiches gelte auch für die Top-Level-Domainnamen „.com“, „.net“, „.org“ und „.info“, deren rein technisch-funktionale Bedeutung vom Nutzer erkannt werde.

(ii) Der Beschwerdegegner habe keine Rechte oder berechtigte Interessen an den streitgegenständlichen Domainnamen. Der Beschwerdegegner sei weder Vertreter oder Lizenznehmer der Beschwerdeführerin noch in sonstiger Weise zur Führung der für die Beschwerdeführerin geschützten Bezeichnung CONTINENTAL berechtigt. Auch nutze der Beschwerdegegner die Domainnamen nicht für ein gutgläubiges Angebot von Waren und Dienstleistungen. Eine solche gutgläubige Nutzung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beschwerdegegner die Domainnamen in Kenntnis der markenrechtlich geschützten und weltweit überragend bekannten Bezeichnung CONTINENTAL registriert habe und unter den streitgegenständlichen Domainnamen sowohl die Produkte der Beschwerdeführerin als auch die ihrer Konkurrenten anbiete. Schließlich sei der Beschwerdegegner unter den Domainnamen weder bekannt noch verwende er die Domainnamen in nichtgewerblicher oder sonst anerkennenswerter Weise ohne Gewinnerzielungsabsicht.

(iii) Die Domainnamen seien schließlich auch bösgläubig registriert und verwendet worden. Auf Grund der Berühmtheit der Marken der Beschwerdeführerin gäbe es keinen Zweifel, dass der Beschwerdegegner bei der Registrierung der Domainnamen Kenntnis von den Marken der Beschwerdeführerin hatte. Eine bösgläubige Nutzung der Domainnamen liege in dem Versuch des Beschwerdegegners, durch die Benutzung der Domainnamen Internetnutzer in Gewinnerzielungsabsicht zu einer Webseite oder anderen Online-Präsenz zu lenken, indem eine Verwechslungsgefahr mit der Marke der Beschwerdeführerin hervorgerufen werde. Darüber hinaus sei die Registrierung in Behinderungsabsicht erfolgt.

B. Beschwerdegegner

Die Beschwerdegegnerin hat keine Beschwerdeerwiderung eingereicht.

 

6. Entscheidungsgründe

Paragraf 4(a) der Richtlinie nennt drei Elemente, welche ein Beschwerdeführer nachweisen muss, damit der Domainname von dem Beschwerdegegner auf ihn übertragen wird:

(i) der Domainname ist mit einer Marke, aus welcher der Beschwerdeführer Rechte herleitet, identisch oder verwechslungsfähig ähnlich,

(ii) der Beschwerdegegner hat weder ein Recht noch ein berechtigtes Interesse an dem Domainnamen, und

(iii) der Domainname wurde bösgläubig registriert und wird bösgläubig verwendet.

A. Identisch oder verwechslungsfähig ähnlich

Es ist allgemein anerkannt, dass die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen einem Domainnamen und einer Marke nach den Grundsätzen der Richtlinie unabhängig von den Waren und Dienstleistungen erfolgt, die unter den sich gegenüberstehenden Zeichen angeboten werden.

Die streitgegenständlichen Domainnamen enthalten die bekannte Marke der Beschwerdeführerin vollständig.

Die bloße Hinzufügung des beschreibenden Zusatzes „service“ steht der Annahme der verwechslungsfähigen Ähnlichkeit nicht entgegen, da dieser vom Verkehr als rein beschreibender Zusatz verstanden wird. Es ist darüber hinaus allgemein anerkannt, dass ein Domainname, der eine Marke vollumfänglich enthält, dieser nach der Richtlinie als verwechslungsfähig ähnlich angesehen werden kann, wenn neben der Marke lediglich beschreibende Zusätze im Domainnamen enthalten sind (siehe Dr. Grandel GmbH v. Drg Randel Inc., WIPO Verfahren Nr. D2005-0829; Microsoft Corporation v. J. Holiday Co., WIPO Verfahren Nr. D2000-1493; Quixtar Investments, Inc. v. Dennis Hoffman, WIPO Verfahren Nr. D2000-0253; RRI Financial, Inc., v. Ray Chen, WIPO Verfahren Nr. D2001-1242).

Schließlich sind die Top-Level-Domainnamen „.com”, „.net”, „.org“ und „.info“ bei der Beurteilung der verwechslungsfähigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen außer Betracht zu lassen, da diesen lediglich eine technisch-funktionale Bedeutung zukommt, die vom Verkehr auch erkannt wird (siehe Magnum Piering, Inc. v. The Mudjackers and Garwood S. Wilson, Sr., WIPO Verfahren Nr. D2000-1525; Rollerblade, Inc. v. Chris McCrady, WIPO Verfahren Nr. D2000-0429; Phenomedia AG v. Meta Verzeichnis Com, WIPO Verfahren Nr. D2001-0374; Teradyne, Inc v. 4Tel Technology, WIPO Verfahren Nr. D2000-0026).

Nach alledem sind die streitgegenständlichen Domainnamen <continental-service.com>, <continental-service.net>, <continental-service.org> und <continental-service.info> den CONTINENTAL Marken der Beschwerdeführerin verwechslungsfähig ähnlich.

B. Recht oder berechtigtes Interesse an dem Domainnamen

Die Beweislast dafür, dass dem Beschwerdegegner kein Recht oder berechtigtes Interesse an den Domainnamen zusteht, liegt gemäß Paragraf 4(a)(ii) der Richtlinie grundsätzlich bei der Beschwerdeführerin. Wenn diese allerdings Tatsachen vorträgt, aus denen sich dem ersten Anschein nach ergibt, dass dem Beschwerdegegner kein Recht oder berechtigtes Interesse an den Domainnamen zusteht, liegt es wiederum bei dem Beschwerdegegner, Umstände darzulegen, aus denen sich sein Recht oder berechtigtes Interesse an den Domainnamen ergibt.

Da keine Beschwerdeerwiderung vorliegt, kann das Panel aus den vorliegenden Umständen kein legitimes Interesse des Beschwerdegegners in Bezug auf die Domainnamen erkennen. Es folgt daher den schlüssigen Behauptungen der Beschwerdeführerin, dass dem Beschwerdegegner kein Recht oder berechtigtes Interesse an den Domainnamen zusteht.

Das Panel sieht insbesondere die Voraussetzungen eines berechtigten Interesses an den Domainnamen nach den Grundsätzen der Oki-Data-Entscheidung (Oki Data Americas, Inc. v. ASD, Inc., WIPO Verfahren Nr. D2001-0903) nicht als gegeben an. Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung, der sich eine Vielzahl von Panels angeschlossen hat, ist die Benutzung der Marke eines Herstellers als Domainname durch einen Vertragshändler oder Reseller nur dann als gutgläubiges Waren– und Dienstleistungsangebot im Sinne von Paragraf 4(c)(i) der Richtlinie zu werten, wenn nachfolgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- der Beschwerdegegner muss tatsächlich Waren und Dienstleistungen anbieten,

- der Beschwerdegegner muss die Website dazu nutzen, um ausschließlich mit der Marke gekennzeichnete Waren zu vertreiben, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der Beschwerdegegner die Marke nutzt, um andere Internetnutzer anzulocken, die dann zu anderen Produktangeboten wechseln,

- die Website muss in korrekter Weise die Beziehung zum Markeninhaber deutlich machen und darf zum Beispiel nicht den falschen Eindruck vermitteln, der Beschwerdegegner sei der Markeninhaber oder es handele sich um die offizielle Website des Markeninhabers, wenn der Beschwerdegegner tatsächlich nur einer von vielen Handelsvertretern ist,

- der Beschwerdegegner darf nicht versuchen, den Markt hinsichtlich aller Domainnamen zu kontrollieren und den Markeninhaber so der Möglichkeit berauben, seine eigene Marke in einem Domainnamen wiederzugeben.

Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdegegner unter den streitgegenständlichen Domainnamen nachgewiesenermaßen auch Produkte direkter Wettbewerber der Beschwerdeführerin zum Verkauf angeboten hat.

C. Bösgläubige Registrierung und Verwendung des Domainnamens

Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie fordert, dass der Domainname bösgläubig registriert wurde und verwendet wird, und ihr Paragraf 4(b) nennt insbesondere die folgenden Umstände, die, sofern ihr Vorliegen von dem Panel festgestellt wird, den Nachweis der bösgläubigen Registrierung und Verwendung erbringen:

(i) Umstände, die darauf hinweisen, dass der Beschwerdegegner den Domainnamen vorrangig in der Absicht registriert oder erworben hat, ihn gegen ein Entgelt, welches seine nachgewiesenen, unmittelbar mit dem Domainnamen verbundenen Aufwendungen übersteigt, an den Beschwerdeführer, der Inhaber der Marke ist, oder an einen seiner Wettbewerber zu veräußern, zu lizenzieren oder auf andere Weise zu übertragen;

(ii) der Beschwerdegegner hat den Domainnamen in der Absicht registriert, den Inhaber der Marke an deren Wiedergabe in einem seinem Zeichen entsprechenden Domainnamen zu hindern, sofern sein Verhalten einem entsprechenden Muster folgt,

(iii) der Beschwerdegegner hat den Domainnamen vorrangig in der Absicht registriert, das Geschäft eines Wettbewerbers zu behindern, oder

(iv) der Beschwerdegegner hat willentlich und in Gewinnerzielungsabsicht versucht, durch die Verwendung des Domainnamens Internetbenutzer zu seiner Website oder zu einer anderen Online-Präsenz zu lenken, indem er eine Verwechslungsgefahr mit dem Zeichen des Beschwerdeführers hinsichtlich Quelle, Urheberschaft, Zugehörigkeit oder Unterstützung seiner Website, seiner Online-Präsenz oder von auf seiner Website oder Online-Präsenz angebotenen Produkten oder Dienstleistungen geschaffen hat.

Die Umstände gemäß Paragraf 4(b) der Richtlinie sind nicht abschließend, allerdings müssen die Voraussetzung der bösgläubigen Registrierung und Verwendung kumulativ vorliegen.

Das Panel geht angesichts der überragenden Bekanntheit der Beschwerdeführerin unter dem Namen CONTINENTAL am Sitz des Beschwerdegegners in Deutschland davon aus, dass der Beschwerdegegner die CONTINENTAL Marken zum Zeitpunkt der Registrierung der Domainnamen kannte, zumal er unter den streitgegenständlichen Domainnamen Fahrzeugreifen, Felgen und Fahrzeugzubehör auch von der Beschwerdeführerin anbot.

Das Panel ist außerdem der Ansicht, dass die Domainnamen auch im Sinne von Paragraf 4(b)(iv) der Richtlinie bösgläubig genutzt wurden. Der Beschwerdegegner bot unter den streitgegenständlichen Domainnamen Produkte von direkten Wettbewerbern der Beschwerdeführerin in Gewinnerzielungsabsicht an. Das Panel ist überzeugt, dass der Beschwerdegegner die Domainnamen und die Marken der Beschwerdeführerin gezielt dazu verwendete, Internetnutzer zu seiner Website zu lenken, indem er eine Verwechslungsgefahr mit dem Zeichen der Beschwerdeführerin hinsichtlich Quelle, Urheberschaft, Zugehörigkeit oder Unterstützung seiner Website oder von auf seiner Website angebotenen Produkten oder Dienstleistungen schuf.

Folglich kommt das Panel zu dem Ergebnis, dass die Domainnamen durch den Beschwerdegegner gemäß Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie bösgläubig registriert und bösgläubig verwendet wurden. Der Umstand, dass die Domainnamen momentan nicht mehr aktiv verwendet werden, ändert nichts an der Entscheidung des Panels.

 

7. Entscheidung

Aus den vorgenannten Gründen ordnet das Panel gemäß Paragraf 4(i) der Richtlinie und Paragraf 15 der Verfahrensordnung an, dass die Domainnamen <continental-service.com>, <continental-service.net>, <continental-service.org> und <continental-service.info> auf die Beschwerdeführerin übertragen werden.


Brigitte Joppich
Panelmitglied

Datum: 16. Januar 2008