Beschwerdeführerin ist die BINOLI GmbH aus Baden-Baden, Deutschland, vertreten durch Beiten Burkhardt Rechtsanwalts GmbH, Deutschland.
Beschwerdegegner ist Henrik Drehmann-Westermann, aus Bensheim, Deutschland, vertreten durch RA Prof. Dr. Lambert Grosskopf, Deutschland.
Der streitige Domainname <binoli.com> (der „Domainname”) ist bei der Key-Systems GmbH dba domaindiscount24.com (die „Domainvergabestelle”) registriert.
Die Beschwerde ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (dem „Zentrum”) am 22. Dezember 2008 per E-Mail und am 6. Januar 2009 per Post ein. Am 23. Dezember 2008 hat das Zentrum eine Bitte um Prüfung der Registrierungsdaten hinsichtlich des streitigen Domainnamens an die Key-Systems GmbH dba domaindiscount24.com geschickt. Am 5. Januar 2009 übermittelte die Key-Systems GmbH dba domaindiscount24.com das Prüfungsergebnis per E-Mail an das Zentrum, indem sie bestätigte dass der Beschwerdegegner Inhaber und administrative Kontaktperson für den Domainnamen ist.
Das Zentrum stellte fest, dass die Beschwerde den formellen Anforderungen der Uniform Domainname Dispute Resolution Policy (der „Richtlinie”), der Rules for Uniform Domainname Dispute Resolution Policy (der „Verfahrensordnung”) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domainname Dispute Resolution Policy (der „Ergänzenden Verfahrensregeln”) genügt.
Gemäß Paragrafen 2(a) und 4(a) der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde dem Beschwerdegegner förmlich zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 8. Januar 2009 eingeleitet. Gemäß Paragraf 5(a) der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 28. Januar 2009. Am 26. Januar 2009 reichte der Beschwerdegegner eine Beschwerdeerwiderung ein.
Das Zentrum bestellte Stefan Naumann, Brigitte Joppich und Thomas Hoeren am 23. Februar 2009 als Beschwerdepanel. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass es ordnungsgemäß bestellt wurde. Jedes Beschwerdepanelmitglied hat eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäß Paragraf 7 der Verfahrensordnung abgegeben.
Nach der Beschwerdeerwiderung ist eine weitere Stellungnahme mit Beweisstücken von der Beschwerdeführerin eingereicht worden, wogegen der Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeerwiderung im voraus Widerspruch erhoben hat. Das Beschwerdepanel braucht zu der Frage der ergänzenden Stellungnahme nicht Stellung zu nehmen, um eine Entscheidung in diesem Verfahren zu treffen.
Das Zentrum hat auf Anfrage des Beschwerdepanels die Entscheidungsfrist bis zum 19. März 2009 verlängert.
Der Domainname <binoli.com> wurde am 20. Dezember 2006 von einem russischen Inhaber erstmalig registriert. Am 30. Januar 2008 wurde der streitgegenständliche Domainname auf den Beschwerdegegner übertragen.
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der deutschen Marke BINOLI (DE 307 81 313) mit Priorität vom 13. Dezember 2007, eingetragen am 21. Februar 2008 für die Klassen 38, 39, 41 und 43 und firmiert seit dem 18. Januar 2008 unter „BINOLI GmbH”, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg am 11. März 2008. Die Beschwerdeführerin ist weiterhin Inhaberin einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung BINOLI (006857718) in den Klassen 38, 39, 41 und 43 mit Priorität vom 13. Dezember 2007 und des Domainnamens <binoli.de>, jedenfalls seit dem 03. März 2008.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass (i) der Domainname <binoli.com> mit ihren Marken, dem Domainnamen <binoli.de> und ihrer Firma identisch sei, (ii) der Beschwerdegegner keine Markenrechte oder sonstigen Rechte oder legitimen Ansprüche im Hinblick auf den Domainnamen <binoli.com> habe, (iii) der Beschwerdegegner niemals Inhalte unter dem streitgegenständlichen Domainnamen angeboten habe und an das Affiliatenetzwerk „Zanox” herangetreten sei, um seinen Domainnamen mit dem Urlaubsportal <binoli.de> zu verlinken, (iv) auf Anfrage der Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner einen Verkaufspreis von 2,9 Mio. Euro genannt habe, und (v) der Domainname nach dem Start eines neuen Internetportals über Urlaubsreisen der Beschwerdeführerin in Zusammenarbeit mit Air Berlin von dem Beschwerdegegner erworben worden sei, wobei das neue Internetportal und die Kooperation mit Air Berlin seit Mitte Januar 2008 in der Presse kommentiert worden seien.
Der Beschwerdegegner stellt sich als Student vor, mit Interesse an indischer Kultur und Plänen für eine Himalaya Trekking Tour, und behauptet, er habe den streitgegenständlichen Domainnamen Mitte Januar 2008 zum Preis von 800 Euro von den russischen Vorbesitzern übernommen. Er erwidert auf den Vortrag der Beschwerdeführerin, dass (i) die Anmeldung der deutschen Marken BINOLI durch eine nicht existierenden „Phantom-GmbH” erfolgt sei , so dass die Beschwerdeführerin sich auf Rechte an den Marken nur seit dem Datum ihrer Eintragung als Markeninhaberin berufen könne, (ii) die Gemeinschaftsmarke erst nach Registrierung des Domainnamens eingetragen worden sei, (iii) BINOLI vor Anmeldung der deutschen und der Gemeinschaftsmarken keine Verkehrsgeltung besessen habe, (iv) Binoli ein indischer Ort mit touristischer und kultureller Bedeutung sei oder wenigstens sich in der Nähe von Orten mit touristischer und kultureller Bedeutung befinde, (v) der Domainname als lexikalisch nachweisbarer Begriff ohne Missbrauchsabsicht eingetragen und vor den Markenanmeldungen der Beschwerdeführerin auf den Beschwerdegegner übertragen worden sei, (vi) er Kenntnis von der Existenz der Beschwerdeführerin erst nach der Übertragung des Domainnamens erlangt und den Domainnamen gutgläubig erworben habe, und (vii) die Beschwerdeführerin bei Einreichung der Beschwerde gewusst habe, dass sie keine besseren Rechte gegenüber dem Beschwerdegegner hatte und es sich daher bei diesem Verfahren um einen Versuch von Reverse Domain Name Hijacking handele.
Laut Paragraf 4(a) der Richtlinie muss die Beschwerdeführerin nachweisen, dass (i) der streitgegenständliche Domainname mit einer Marke, aus welcher der Beschwerdeführer Rechte herleitet, identisch oder verwechslungsfähig ähnlich ist, (ii) der Beschwerdegegner keine Rechte bzw. kein berechtigtes Interesse hinsichtlich des Domainnamens hat, und (iii) der Domainname bösgläubig angemeldet wurde und genutzt wird.
Der Domainname <binoli.com> ist mit der deutschen Marke BINOLI der Beschwerdeführerin identisch, da der Domainname die Marke ganz einschließt und der Bestandteil “.com” bei der Beurteilung einer Verwechslungsgefahr unberücksichtigt bleibt (siehe Behindertenhilfe – Aktion Mensch e.V. v. Benjamin Kotzur, WIPO Case No. D2003-0124; Forest Laboratories Inc. v. Andrew Miller, WIPO Case No. D2008-1722; Deutsche Telekom AG v. Ben Anderrson, WIPO Case No. D2005-1268).
Die deutsche BINOLI Marke wurde erst am 13. Dezember 2007 angemeldet, fast ein Jahr nach der erstmaligen Registrierung des Domainnamen <binoli.com>. Da Paragraf 4 (a)(i) der Richtlinie sich nicht ausdrücklich auf eine prioritätsältere Marke bezieht, hat eine Reihe Panel-Entscheidungen anerkannt, dass auch eine spätere Marke mit einem früheren Domainamen identisch oder verwechslungsfähig ähnlich sein kann (siehe z.B. AB Svenska Spel v. Andrey Zacharov, WIPO Case No. D2003-0527; Madrid 2012, S.A. v. Scott Martin-MadridMan Websites, WIPO Case No. D2003-0598). Die Chronologie der Anmeldungen spielt erst im Zusammenhang mit Paragraf 4 (a)(iii) der Richtlinie eine Rolle.
Das Beschwerdepanel kommt daher zu dem Ergebnis, dass Verwechslungsgefahr mit einer eingetragenen Marke, aus welcher die Beschwerdeführerin Rechte herleitet, besteht.
Gemäß Paragraf 4(c)(iii) der Richtlinie wird für ein berechtigtes Interesse an einem Domainnamen vorausgesetzt, dass der Beschwerdegegner einen legitimen nicht-kommerziellen Gebrauch von dem Domainnamen macht, ohne die Absicht, einen kommerziellen Gewinn zu erzielen, oder in irreführender Weise Benutzer auf andere Websites zu lenken oder die entsprechende Marke zu verwässern.
Der Beschwerdegegner hat keine eigenen Marken- oder Kennzeichenrechte an der streitgegenständlichen Bezeichnung. Er gibt an, unter dem Domainnamen ein Forum für den indischen Ort Binoli sowie für Himalaja-Trekking-Touren zu planen, und verweist auf den Kontakt zu einem Bewohner dieses Ortes. Die Website unter dem Domainnamen weist keinerlei Inhalt dahingehend auf, sondern einzig die Wörter „binoli.com“ und „kontakt“. Offensichtlich war der Beschwerdegegner nie persönlich im Himalaja, noch ist sein „Kontakt” zu dem Bewohner des Ortes näher substantiiert vorgetragen. Ausweislich der Informationen aus Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Binoli) hat der Ort Binoli 570 Einwohner; weitere Auskünfte zu dem Ort im Internet sind sehr spärlich. Selbst wenn man unterstellt, dass der Beschwerdegegner über die Domain den Ort als Ausgangspunkt einer Himalaya-Trekking–Tour im Internet vorstellen wollte, reicht die bloße Absicht nicht aus, um die Nutzung des Domainnamens <binoli.com> rechtfertigen zu können. Wie schon frühere UDRP-Entscheidungen zeigen, muss der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beschwerdegegner zur Rechtfertigung einer Domain-Nutzung mehr vortragen als die reine Absicht (siehe Do The Hustle, LLC v. Tropic Web, WIPO Case No. D2000-0624; FC Bayern München e.V v. Miguel Garcia, WIPO Case No. D2000-1773).
Im Übrigen ist der Beschwerdegegner unstreitig an das Affiliatenetzwerk „Zanox” herangetreten, um eine Verlinkung auf die Seite der Beschwerdeführerin zu bewirken und auf diese Weise Geld zu verdienen. In der Folgezeit teilte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin in seiner E-Mail vom 21. Oktober 2008 mit, dass er für 2,9 Millionen Euro bereit sei, den streitgegenständlichen Domainnamen zu verkaufen. Unter diesen Umständen kann man nach Meinung dieses Panels nicht mehr ernsthaft von einem nicht-kommerziellen Gebrauch ohne Absicht der Gewinnerzielung sprechen. Somit hat der Beschwerdegegner kein berechtigtes Interesse an dem streitigen Domainnamen i.S.v. Paragraf 4(a)(ii) und 4(c) der Richtlinie.
Damit eine Beschwerde Erfolg haben kann, muss das Beschwerdepanel überzeugt sein, dass der Domainname bösgläubig eingetragen wurde und bösgläubig genutzt wird.
Zu klären ist zunächst der für die zu prüfende bösgläubige Registrierung maßgebliche Zeitpunkt: Zur Zeit der erstmaligen Eintragung des streitgegenständlichen Domainnamens am 20. Dezember 2006 gab es weder eine Marke noch eine Firma BINOLI. Die Parteivorbringen nebst Anlagen deuten auf keine Weise an, dass im Dezember 2006 die Anmeldung oder Benutzung des Zeichens BINOLI bereits öffentlich angekündigt worden war. Die ursprüngliche Registrierung des Domainnamens war also nach dem vorliegenden Sachverhalt im Verhältnis zu der Beschwerdeführerin nicht bösgläubig. Der Beschwerdegegner hat den Domainnamen <binoli.com> am 30. Januar 2008 auf sich umschreiben lassen. Er behauptet zwar, den streitgegenständlichen Domainnamen bereits Mitte Januar erworben zu haben, dieser Umstand wurde aber nicht glaubhaft gemacht, so dass das Beschwerdepanel das nachgewiesene Datum der Umschreibung, nämlich den 30. Januar 2008, als Erwerbszeitpunkt ansieht. Der bösgläubige Erwerb eines Domainnamens kann einer bösgläubigen Anmeldung gleichkommen (siehe MC Enterprises v. Mark Segal (Namegiant.com), WIPO Case No. D2005-1270; Société Air France v. Vladimir Federov, WIPO Case No. D2003-0639; Laure Pester (Lorie) and Sony Music Entertainment France SA v. Movie Name, WIPO Case No. D2003-0312; Facebook Inc. v. Callverse Pty Ltd, WIPO Case No. DAU2008-0007). Der für die zu prüfende bösgläubige Registrierung maßgebliche Zeitpunkt ist daher hier nach Auffassung des Beschwerdepanels der 30. Januar 2008.
Der streitgegenständliche Domainname wurde von dem Beschwerdegegner erworben, bevor die Beschwerdeführerin Rechte an der Marke „BINOLI” erwarb. Eine bösgläubige Registrierung ist unter derartigen Umständen regelmäßig schwer vorstellbar. Jedoch ist in einer Vielzahl früherer UDRP-Verfahren festgestellt wurden, dass eine bösgläubige Registrierung von Domainnamen auch vor dem Erwerb entsprechender Markenrechte durch den Beschwerdeführer z.B. dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdegegner auf einen bevorstehenden Unternehmenszusammenschluss spekuliert hat, da nach der Intention der Richtlinie nicht zwischen bestehenden Markenrechten und solchen Markenrechten zu unterscheiden ist, deren Erwerb bekanntermaßen bevorsteht, wenn der Beschwerdegegner diese Rechte kennt und in spekulativer Absicht handelt (siehe ExecuJet Holdings Ltd. v. Air Alpha America, Inc., WIPO Case No.D2002-0669; Kangwon Land, Inc. v. Bong Woo Chun (K.W.L. Inc), WIPO Case No. D2003-0320; MADRID 2012, S.A. v. Scott Martin-MadridMan Websites, WIPO Case No. D2003-0598; General Growth Properties, Inc., Provo Mall L.L.C. v. Steven Rasmussen/Provo Towne Centre Online, WIPO Case No. D2003-0845; Facebook Inc. v. Privacy Ltd. Disclosed Agent for YOLAPT, WIPO Case No. D2007-1193; Nokia Corporation, Navteq Corporation v. Juha Vainio, WIPO Case No. D2008-0772; Cliffe Dekker, Inc. and Hofmeyr Herbstein & Gihwala, Inc. v. Information Services, Brian Evans, WIPO Case No. D2008-1327). Das Beschwerdepanel geht aufgrund der folgenden Umstände davon aus, dass der Beschwerdegegner den streitgegenständlichen Domainnamen in spekulativer Absicht bösgläubig erworben und dann auch bösgläubig genutzt hat:
- Unmittelbar vor der Übertragung des streitgegenständlichen Domainnamens gab es eine Vielzahl von Artikeln in überörtlichen Zeitungen (darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die Financial Times Deutschland) über die neue Internetplattform der Beschwerdeführerin unter dem Namen BINOLI und die geplante Kooperation mit Air Berlin, der zweitgrößten Fluglinie Deutschlands.
- Der Beschwerdegegner wohnt in Bensheim, nur rund 120 km vom Sitz der Beschwerdeführerin in Baden-Baden entfernt. Auch in der regionalen Presse spielte die bevorstehende Zusammenarbeit eine große Rolle.
- Es besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen diesen Zeitungsartikeln und dem Erwerb des streitgegenständlichen Domainamens durch den Beschwerdegegner.
- Die Marke BINOLI ist fantasievoll und kennzeichnungsstark, und jedenfalls in Deutschland erscheint dem Beschwerdepanel eine Verbindung zu dem indischen Dorf Binoli mit seinen 570 Einwohnern als konstruiert.
- Die Anfrage des Beschwerdegegners bei dem Affiliatenetzwerk „Zanox” mit dem Wunsch, seinen Domainnamen in der Kategorie „Reisen & Flüge Portal” mit dem Urlaubsportal <binoli.de> zu verlinken, beweist, dass er von der Bekanntheit des Namens der Beschwerdeführerin profitieren wollte.
- Eine bösgläubige Verwendung geht zudem aus dem Verkaufsangebot des Beschwerdegegners an die Beschwerdeführerin zu einem Preis von 2,9 Mio. Euro hervor (siehe Behindertenhilfe – Aktion Mensch e.V. v. Benjamin Kotzur, WIPO Case No. D2003-0124).
Das Beschwerdepanel kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdegegner den Domainnamen <binoli.com> gemäß Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie bösgläubig registriert und verwendet hat.
Aus den vorgenannten Gründen ordnet das Beschwerdepanel gemäß Paragrafen 4(i) der Richtlinie und 15 der Verfahrensordnung an, dass der Domainname <binoli.com> auf die Beschwerdeführerin übertragen wird.
Angesichts dieser Entscheidung ist kein Raum für einen Ausspruch von Reverse Domain Name Hijacking zu Lasten der Beschwerdeführerin wie von dem Beschwerdegegner beantragt.
Stefan Naumann | |
Brigitte Joppich | Thomas Hoeren |
Datum: 19. März 2009