Die Gesuchstellerin ist Baccarat SA aus Baccarat, Frankreich, vertreten durch Theda König Horowicz, Genf, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist Celik Nectat aus Essen, Deutschland.
Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <baccarat.ch> (nachfolgend der „Domainname”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
Das Gesuch ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (das „Center”) am 28. August 2008 ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 3. September 2008 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Center stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 17. September 2008 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 7. Oktober 2008. Die Frist wurde vom Center auf Ersuchen des Gesuchsgegners um 10 Tage bis zum 16. Oktober 2008 erstreckt.
Das Center teilte mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 mit, dass der Gesuchsgegner die Gesuchserwiderung am 16. Oktober 2008 eingereicht und seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung mit Email vom 17. Oktober 2008 gegenüber dem Center zum Ausdruck gebracht hat. Eine Schlichtungsverhandlung kam jedoch wegen zu später Antwort des Gesuchsgegners betreffend die vom Center vorgeschlagenen Terminen nicht zustande.
Die Parteien führten im Anschluss bilaterale Vergleichsverhandlungen, kamen aber zu keiner Einigung.
Das Verfahren wurde in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Center bestellte am 27. November 2008 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 reichte die Gesuchstellerin eine ergänzende Eingabe ein, auf welche der Gesuchsgegner mit Schreiben vom 7. Dezember 2008 reagierte.
Die Gesuchstellerin ist eine Herstellerin von exklusiven Kristallen.
Sie ist Inhaberin der CH-Wortmarke BACCARAT (Nr. P-355966), hinterlegt am 18. Februar 1987, sowie der CH-Bildmarke BACCARAT (Nr. P-421923), hinterlegt am 31. Januar 1994. Überdies hat sie die Marke BACCARAT international schützen lassen. Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der Domainnamen <baccarat.com>, <baccarat.sg>, <baccarat.hk>, <baccarat.fr>, <baccarat.be>, <baccarat.es>, <baccarat.in>, <baccarat.jp>, <baccarat.tw> und <baccarat.eu>.
Der strittige Domainname wurde am 17. Oktober 2007 durch den Gesuchsgegner registriert.
Die Gesuchstellerin macht geltend, dass sie die Marke BACCARAT schon seit Jahrzehnten in der Schweiz intensiv benutze und bewerbe. Sie beruft sich auf ihre Marken und gibt an, dass diese Berühmtheit im Sinne des Markenrechts erlangt hätten.
Gemäss der Gesuchstellerin registrierte der Gesuchsgegner die strittige Domain im Wissen um die Identität mit Zeichen und Firmennamen der Gesuchstellerin und die Berühmtheit der Marke, um sich durch die Ausbeutung des guten Rufes der Marke zu bereichern. Durch die Verlinkung zu Konkurrenten der Gesuchstellerin sei auch die Kennzeichnungskraft der berühmten Marke BACCARAT verwässert worden.
Die Gesuchstellerin verweist auf zwei Webseiten, wo der Gesuchsgegner seine Domain zum Verkauf angeboten habe. Auch dies und die „unverhältnismässig hohe Ablösesumme“ sowie die Verlinkung auf Kristallprodukte zeige, dass der Gesuchsgegner den Domainname registriert habe, um von der bekannten Marke zu profitieren in krasser Verletzung der Markenrechte der Gesuchsstellerin und der Bestimmungen des unlauteren Wettbewerbs. Ohnehin bestreitet die Gesuchstellerin, dass der Gesuchsgegner im Glückspiel und Sportwettbereich tätig sei.
Der Gesuchgegner macht geltend, die Bezeichnung BACCARAT sei im Zusammenhang mit Spielen eine gemeinfreie, beschreibende Bezeichnung, für welche kein Ausschlussrecht bestehen könne. Er vertritt zudem die Meinung, dass die Gesuchstellerin den rechtserhaltenden Gebrauch des Markenrechts nicht nachweisen könne. Nach der Ansicht des Gesuchgegners sei überdies keine Berühmtheit der Marke gegeben.
Von einem bösgläubigen Erwerb des Domainnamens könne keine Rede sein, da dem Gesuchsgegner im Zeitpunkt der Sicherung der Domainrechte die Geschäftsbezeichnung der Gesuchstellerin im Zusammenhang mit Kristallwaren gänzlich unbekannt und die Interessen an der Domain einzig darin begründet war, den Namen des Spiels „Baccarat“ seinem ursprünglichen Inhalt nach zu nutzen.
Der Gesuchsgegner habe auf der Website unter der Domain <baccarat.ch> das Zeichen Baccarat nie für die von der Gesuchsstellerin beanspruchten Waren genutzt. Eine Verletzung der geschützten Marke liege daher nicht vor.
Eine Verletzung des Namensrechts liege nicht vor, da Baccarat eine Sachbezeichnung darstelle, welche dem allgemeinen Sprachgebrauch zuzurechnen sei, was gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine Verwechslungsgefahr entfallen lasse.
Auch eine Verletzung des Lauterkeitsrechts sei nicht gegeben. Zum einen sei mangels Verletzung eines Kennzeichenrechts auch keine Verwechslungsgefahr im Lauterkeitsrecht gegeben, zum anderen sei mangels Vorliegens einer allgemeinen Gebrauchspflicht von Domainnamen im schweizerischen Recht keine „Störung“ im Sinne des Lauterkeitsrechts gegeben.
Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.
Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.
Die Gesuchstellerin hat bewiesen, dass sie Inhaberin diverser Marken mit dem Kennzeichen BACCARAT ist, wobei die Hinterlegungszeitpunkte bei allen Marken auch deutlich vor dem Zeitpunkt der Registrierung des strittigen Domainnamens datieren.
Das Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domain-Namen eine Kennzeichnungsfunktion haben und gegenüber den absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten haben, um Verwechslungen zu vermeiden (BGE 126 III 244, <berneroberland.ch>). Eine Verwechslungsgefahr besteht, sobald es aufgrund der erwähnten Kriterien (Schriftbild, Wirkung, Sinngehalt) und aufgrund der Gleichartigkeit des Angebots an Dienstleistungen bei den Benutzern des Internets zu Verwechslungen kommen kann. Dass Verwechslungen tatsächlich stattgefunden haben, ist nicht Voraussetzung (BGE 128 III 401 E. 5, <luzern.ch>).
Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber anderen verbieten, ein Zeichen zu gebrauchen, das nach Art. 3 Abs. 1 MSchG vom Markenschutz ausgeschlossen ist. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist ein Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen, wenn es mit einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt ist, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt.
Ist das als Domain-Name verwendete Zeichen namenrechtlich, firmenrechtlich oder markenrechtlich geschützt, kann der entsprechende Berechtigte einem Unberechtigten nach der im Einklang mit der Lehre stehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Verwendung des Zeichens als Domain-Namen grundsätzlich verbieten (BGE 4C.141/2002, BGE 128 III 354 E. 3, BGE 126 III 239 E. 2b/c).
Die Gesuchstellerin versucht nachzuweisen, dass es sich bei BACCARAT um eine in der Schweiz berühmte Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 MSchG handelt. Berühmte Marken i.S.v. Art. 15 MSchG geniessen einen weitergehenden Schutz. Ihr Inhaber kann anderen Personen oder Unternehmen deren Gebrauch für jede Art von Waren und Dienstleistungen verbieten, wenn ein solcher Gebrauch die Unterscheidungskraft der Marke gefährdet oder deren Ruf ausnützt oder beeinträchtigt. Berühmtheit setzt voraus, dass die Marke gesamtschweizerisch und in allen Bevölkerungsgruppen bekannt und ein positiver oder negativer Wert mit ihr assoziiert wird (Rolf H. Weber, E-Commerce und Recht: Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, 2001, S. 138). Der Nachweis der Berühmtheit der Marke BACCARAT gelingt der Gesuchstellerin in diesem Fall allerdings nicht. Zwar mag die Marke in ihrem speziellen Abnehmerkreis von Bedeutung sein, dies rechtfertigt jedoch nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kein legitimes Bedürfnis nach einem erweiterten Schutz.
Damit stellt sich die Frage, ob der Gesuchsgegner das Zeichen BACCARAT für die von der Gesuchstellerin beanspruchten Waren benutzt bzw. benutzt hat, da mangels Berühmtheit der Marke im Sinne von Art. 15 Abs. 1 MSchG einzig eine solche Benutzung eine Verletzung von deren Markenrechten darstellen könnte.
Der Gesuchgegner ist gemäss eigenen Angaben im Bereich der Glücks-, Kasinospiele und Sportwetten (als Buchmacher) sowie der Aufstellung von Spielautomaten tätig. Zwar hat der Gesuchsgegner den angekündigten Handelsregisterauszug der Rane Soft GmbH nicht beigebracht, doch ist er zumindest Inhaber der Marke BARBUT, registriert für Waren- und Dienstleistungen im einschlägigen Bereich, sowie weiteren Domains betreffend Glücks- und Kasinospiele. Die Gesuchstellerin bestreitet zwar, dass der Gesuchsgegner in der genannten Branche tätig ist, hat jedoch keine entsprechenden Beweise vorbringen können.
Wie der Gesuchsgegner richtigerweise vorbringt, handelt es sich beim Begriff BACCARAT hinsichtlich des gleichnamigen Kartenspiels um einen beschreibenden bzw. generischen Begriff. Betreffend den Gebrauch des Begriffes BACCARAT im Zusammenhang mit Glücks- und Kasinospielen kann daher der Marke BACCARAT keine Schutzwirkung zukommen.
Damit liegt eine ähnliche Ausgangslage vor wie im WIPO-Fall Nr. DBIZ2002-00081, Baccarat SA v. Priorität Software Inc. Anders als im vorliegenden Fall ging jedoch der Experte in jenem Fall davon aus, dass es sich beim Kennzeichen BACCARAT um eine berühmte Marke handelt, schränkte dann jedoch den Schutzbereich der Marke aufgrund des Umstandes, dass es sich bei BACCARAT um einen generischen Begriff handelt, wiederum auf den registrierten Waren- und Dienstleistungsbereich ein. Damit ist die Ausgangslage in der Konsequenz vergleichbar. Der Experte kam im zitierten WIPO-Verfahren zur Überzeugung, dass eine Übertragung der Domain an die Gesuchsstellerin nicht gerechtfertigt wäre.
Im Fall Baccarat SA v. Priorität Software Inc. hatte der Gesuchsgegner die Domain zu keinem Zeitpunkt zum Verkauf angeboten. Im vorliegenden Fall ist hingegen bewiesen, dass der Gesuchsgegner den Domainnamen <baccarat.ch> mehrmals zum Verkauf feilgeboten hat. Dies stellt jedoch an sich noch keine Verletzung des Markenrechts dar. Eher spricht die Tatsache, dass der Gesuchsgegner den strittigen Domainnamen am 5. Dezember 2007 zusammen mit den Domainnamen <mypoker.cc> und <mybingo.es> auf der Webseite „www.startcasino.com“ zum Verkauf angeboten hat, dafür, dass sich der Gesuchsgegner der Marke BACCARAT nicht bewusst war. Damit erscheint es auch wahrscheinlich, dass der Gesuchsgegner die strittige Domain nicht wegen der Bekanntheit der Marke registriert hat, um sich durch die Ausbeutung des guten Rufes der Marke zu bereichern.
Dass der Gesuchsgegner der Gesuchstellerin in einem Vergleichsvorschlag den Domainname <baccarat.ch> für CHF 500.000,-- angeboten hat (von wessen Seite der Anstoss für den Vergleichsvorschlag kam, ist an sich wenig relevant), muss ebenfalls dahingehend gewertet werden, dass es dem Gesuchsgegner nicht darum geht, sich durch den guten Ruf der Marke zu bereichern.
Die Gesuchstellerin vertritt die Auffassung, der Gesuchsgegner habe auf seiner Webseite unter dem strittigen Domainnamen absichtlich Links zu Internetseiten von Schmuck- und Dekorationsverkäufen platziert, um fehlgeleitete Kunden der Marke BACCARAT auf jene zu verweisen. Er habe sich durch „pay per click“ bereichert. Der Gesuchsgegner entgegnet, bei den unter der strittigen Domain aufgelisteten Links handle es sich ausschliesslich um solche zu Drittanbietern, wobei zu beachten sei, dass die Werbung automatisch eingestellt wurde und zudem nicht zu einer Bereicherung des Gesuchsgegners geführt habe. Die aufgeführten Links machen einen wenig strukturierten Eindruck und scheinen von einer Suchmaschine willkürlich ausgewählt worden zu sein. So finden sich in der gleichen Liste bspw. auch Anbieter von Online-Glücksspielen. Heute scheint die Website nicht mehr benutzt zu werden.
An sich ist es nicht relevant, ob die Links auf eine Initiative des Gesuchsgegners selber zurückzuführen sind; der letztere könnte unter Umständen auch Verantwortung für von Dritten organisierten „pay per click“ Links unter dem Domainnamen des Gesuchsgegners tragen. Nach Ermessen des Experten reichen die oben genannten Umstände insgesamt jedoch nicht für eine derartige Schlussfolgerung in diesem Fall aus.
Damit ist festzustellen, dass der Domainname des Gesuchsgegners zwar mit der Marke BACCARAT der Gesuchstellerin identisch ist, dass der Gesuchsgegner jedoch ein legitimes Interesse am Domainnamen hat und von der Gesuchsstellerin nicht schlüssig dargelegt werden konnte, dass der Gesuchsgegner die Domain bösgläubig erworben hat. Eine Verletzung des Kennzeichenrechts ist damit nicht gegeben, weshalb eine Übertragung oder Löschung des Domainnamens nicht gerechtfertigt ist.
Der Experte entscheidet aus den oben genannten Gründen, den Antrag der Gesuchstellerin, den Domainnamen <baccarat.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin zu übertragen, abzuweisen.
Ungeachtet der vorliegenden Entscheidung bleibt der Gesuchstellerin der Gang zu den ordentlichen Gerichten offen (siehe Paragraph 10(a) des Verfahrenreglements). Dort könnten auch weiterführende Sachverhalts- und rechtliche Klärungen vorgenommen werden, die im Rahmen dieses Streitbeilegungsverfahrens grundsätzlich nicht möglich sind.
Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 11. Dezember 2008