Beschwerdeführerin ist die Corporación Habanos S.A. aus Miramar, Republik Kuba, vertreten durch Gil-Vega, Spanien.
Beschwerdegegner ist Tobias Pischetsrieder, aus Breitbrunn, Deutschland, vertreten durch Bettinger Schneider Schramm.
Der streitige Domainname <cohiba.com> (der „Domainname”) ist bei der 1&1 Internet AG (die „Domainvergabestelle”) registriert.
Die Beschwerde ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (dem „Zentrum”) am 4. August 2009 per E-Mail und am 6. August 2009 per Post in spanischer Sprache ein. Am 4. August 2009 schickte das Zentrum eine Bitte um Prüfung der Registrierungsdaten hinsichtlich des streitigen Domainnamens an die 1&1 Internet AG. Am 5. August 2009 übermittelte die 1&1 Internet AG das Prüfungsergebnis per E-Mail an das Zentrum, indem sie bestätigte, dass der Beschwerdegegner Inhaber und administrative Kontaktperson für den Domainnamen sei. In Beantwortung einer Mitteilung des Zentrums dass die Sprache der Registrierungsvereinbarung deutsch sei, übermittelte die Beschwerdeführerin am 31. August 2009 eine Übersetzung der Beschwerde in die deutsche Sprache.
Das Zentrum stellte fest, dass die Beschwerde und die Beschwerdeergänzung den formellen Anforderungen der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Richtlinie”), der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Verfahrensordnung”) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Ergänzenden Verfahrensregeln”) genügt.
Gemäß Paragrafen 2(a) und 4(a) der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde dem Beschwerdegegner förmlich zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 2. September 2009 eingeleitet. Gemäß Paragraf 5(a) der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 22. September 2009. Am 22. September 2009 reichte der Beschwerdegegner eine Beschwerdeerwiderung ein.
Das Zentrum bestellte Alfred Meijboom, Ana María Pacón und Brigitte Joppich am 16. Oktober 2009 als Beschwerdepanel. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass es ordnungsgemäß bestellt wurde. Jedes Beschwerdepanelmitglied hat eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäß Paragraf 7 der Verfahrensordnung abgegeben.
Die Beschwerdeführerin gehört zu gleichen Teilen Cubatabaco und Altadis, einer spanischen Gesellschaft. Der Geschäftszweck der Beschwerdeführerin ist der weltweite Alleinvertrieb aller kubanischen Tabakprodukte und die Vermarktung damit in Zusammenhang stehender Produkte. Die Beschwerdeführerin ist auf allen Kontinenten und in mehr als 120 Ländern vertreten.
Die Havanna Zigarrenmarke COHIBA entstand im Jahr 1966. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin von mindestens 800 Marken weltweit mit dem Bestandteil COHIBA, unter anderem der deutschen Marken COHIBA Nr. 1060789 mit Priorität vom
1. Februar 1984, Nr. 1106850 mit Priorität vom 14. Dezember 1985 und Nr. 1134413 mit Priorität vom 14. März 1986 (die „COHIBA Marken”). In mehreren Jurisdiktionen wurde amtlich oder gerichtlich festgestellt, dass der Marke COHIBA in dem jeweiligen Territorium der Status einer bekannten Marke zukommt.
Der Beschwerdegegner registrierte den streitgegenständlichen Domainnamen am 15. Mai 1996.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass (i) der Domainname <cohiba.com> mit ihren COHIBA Marken identisch sei, wobei der Top Level Domainname „.com” unbeachtet bleiben müsse, dass (ii) der Beschwerdegegner keine Markenrechte oder sonstigen Rechte oder legitimen Ansprüche an dem Domainnamen <cohiba.com> habe und dass (iii) der streitgegenständliche Domainname bösgläubig registriert und verwendet worden sei, letzteres insbesondere angesichts des weltweiten Ruhmes und des guten Rufs der COHIBA Marken, der Tatsache, dass der Beschwerdegegner die Berühmtheit und die Anziehungskraft dieser Marke auszunutzen beabsichtigte, indem er die Aufmerksamkeit der Internetnutzer durch den Gebrauch des streitgegenständlichen Domainnamens auf seine Webseite lenken wollte, und weil er nicht auf die dem administrativen Verfahren vorausgegangene Abmahnung der Beschwerdeführerin erwidert hat.
Der Beschwerdegegner bestreitet die Identität des streitgegenständlichen Domainnamens mit den COHIBA Marken nicht, wohl aber das Vorliegen des zweiten und des dritten Elements der Richtlinie. Dem Beschwerdegegner stehe ein berechtigtes Interesse an dem streitgegenständlichen Domainnamen im Sinne von Paragraf 4(a)(ii) der Richtlinie zu und der Vorwurf, die Registrierung und Benutzung des Domainnamens durch den Beschwerdegegner sei bösgläubig im Sinne von Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie sei unbegründet.
Er lässt im Wesentlichen vortragen wie folgt:
Der Beschwerdegegner habe den streitgegenständlichen Domainnamen am 15. Mai 1996 ausschließlich für private Zwecke registriert. Zu diesem Zeitpunkt seien Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Registrierung und Benutzung von Domainnamen noch völlig ungeklärt gewesen, insbesondere sei offen gewesen, ob die Registrierung oder Benutzung eines Domainnamens aufgrund seines Adresscharakters überhaupt Kennzeichenrechtsverletzungen begründen konnten. Im Jahre 1996 sei dem Beschwerdegegner zwar bekannt gewesen, dass es Zigarren der Marke COHIBA gab, jedoch hätte für ihn kein Anlass zu der Annahme bestanden, dass das Internet für den Vertrieb von Zigarren eine Bedeutung erlangen und die Registrierung des Domainnamens ein Konflikt mit dem Inhaber der Markenrechte an dem Zeichen „Cohiba” begründe könne.
Der Beschwerdegegner habe den streitgegenständlichen Domainnamen nach der Registrierung zunächst ungenutzt gelassen, ab dem Jahre 2000 darunter jedoch eine Webseite eingerichtet, die stets nur mittels eines Benutzernamens und eines Passworts geöffnet werden konnte. Der Beschwerdegegner habe den geschützten Bereich dieser Webseite für verschiedene private Zwecke verwendet, insbesondere als Versuchsfeld zum Aufbau von HTML Internetseiten und zur Erstellung einer Link-Sammlung unter dem Namen „COHIBA – the coherent intellectual base”, die er regelmäßig aktualisiert hätte.
Der Beschwerdegegner habe im Laufe der Jahre mehrmals Anfragen erhalten, ob der streitgegenständliche Domainname zum Verkauf stehe. Zu keinem Zeitpunkt habe er die Bereitschaft erklärt, den Domainnamen zu veräußern, ebenso wenig habe er den Domainnamen auf Domain-Handelsbörsen zum Verkauf oder zur Versteigerung angeboten. Unter dem streitgegenständlichen Domainnamen seien zu keinem Zeitpunkt Werbebanner oder andere Werbeanzeigen geschaltet gewesen, mit denen der Beschwerdegegner hätte Einkünfte erzielen können.
Die COHIBA Marken hätten im Übrigen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keineswegs eine Berühmtheit erlangt, die ihnen auch außerhalb des geschützten Warenbereichs umfassenden Schutz gewähren würde, so dass die Verwendung des Zeichens „Cohiba” durch Dritte schlechthin unzulässig wäre. Dafür sprächen auch zahlreiche eingetragene Marken Dritter.
Die Beschwerde sei schon deshalb abzuweisen, weil der Beschwerdegegner den streitgegenständlichen Domainnamen auf legitime nicht gewerbliche Weise verwende, er habe seit der Registrierung im Jahre 1996 zu keinem Zeitpunkt das Ziel verfolgt, ihn wirtschaftlich zu verwerten oder Verbraucher in irreführender Weise abzuwerben oder die COHIBA Marken zu verunglimpfen.
Die Beschwerde sei ferner auch deshalb abzuweisen, weil dem Beschwerdegegner nicht vorgeworfen werden könne, dass er den streitgegenständlichen Domainnamen bösgläubig registriert und benutzt habe. Es läge weder eines der Beispiele bösgläubiger Registrierung und Benutzung gemäß Paragraf 4(b) der Richtlinie vor noch sonstige Indizien, die eine bösgläubigen Registrierung und Benutzung des Domainnamens durch den Beschwerdegegner im Sinne von Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie begründen könnten. Die Aufrechterhaltung eines Domainnamens in Kenntnis einer mit diesem identischen Marke begründe für sich genommen kein bösgläubiges Verhalten, das seine Übertragung rechtfertige, selbst dann nicht, wenn man unterstellen würde, dass sich die Marke COHIBA zwischenzeitlich zu einer berühmten Marke entwickelt habe (was der Beschwerdegegner bestreitet).
Schließlich sei die Beschwerde abzuweisen, weil der streitgegenständliche Domainname bereits seit über 13 Jahren von dem Beschwerdegegner in zulässiger Weise registriert bzw. genutzt würde. Auch wenn ein Verwirkungseinwand in der Richtlinie ausdrücklich nicht enthalten sei, so führe eine derart lange durch den Markeninhaber unbeanstandete Registrierung und Benutzung eines Domainnamens durch den Beschwerdegegner in der Entscheidungspraxis regelmäßig dazu, dass entweder ein berechtigtes Interesse im Sinne des Paragrafen 4(a)(ii) der Richtlinie bejaht oder aber die Bösgläubigkeit der Benutzung des Domainnamens verneint würde.
Paragraf 4(a) der Richtlinie nennt drei Elemente, welche ein Beschwerdeführer nachweisen muss, damit der Domainname von dem Beschwerdegegner auf ihn übertragen wird:
(i) der Domainname ist mit einer Marke, aus welcher der Beschwerdeführer Rechte herleitet, identisch oder verwechslungsfähig ähnlich,
(ii) der Beschwerdegegner hat weder ein Recht noch ein berechtigtes Interesse an dem Domainnamen, und
(iii) der Domainname wurde bösgläubig registriert und wird bösgläubig verwendet.
Der Domainname <cohiba.com> ist mit den COHIBA Marken der Beschwerdeführerin identisch, da der streitgegenständliche Domainname das Zeichen COHIBA vollständig enthält und der Bestandteil “.com” bei der Beurteilung einer Verwechslungsgefahr unberücksichtigt bleibt (siehe Magnum Piering, Inc. v. The Mudjackers and Garwood S. Wilson, Sr., WIPO Verfahren Nr. D2000-1525; Rollerblade, Inc. v. Chris McCrady, WIPO Verfahren Nr. D2000-0429; Phenomedia AG v. Meta Verzeichnis Com, WIPO Verfahren Nr. D2001-0374).
Ob dem Beschwerdegegner aufgrund der – nach Meinung des Beschwerdepanels sehr begrenzten und nicht glaubhaft mit der Bezeichnung COHIBA in Zusammenhang stehenden – Nutzung des streitgegenständlichen Domainnamens ein Recht oder berechtigtes Interesse hieran zusteht, kann angesichts des Ergebnisses unter C. unten dahingestellt bleiben.
Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie fordert, dass der Domainname bösgläubig registriert wurde und verwendet wird, und ihr Paragraf 4(b) nennt insbesondere die folgenden Umstände, die, sofern ihr Vorliegen vom Beschwerdepanel festgestellt wird, den Nachweis der bösgläubigen Registrierung und Verwendung erbringen:
(i) Umstände, die darauf hindeuten, dass der Beschwerdegegner den Domainnamen vorrangig in der Absicht registriert oder erworben hat, ihn gegen ein Entgelt, welches seine nachgewiesenen, unmittelbar mit dem Domainnamen verbundenen Aufwendungen übersteigt, an den Beschwerdeführer, der Inhaber der Marke ist, oder an einen seiner Wettbewerber zu veräußern, zu lizenzieren oder auf andere Weise zu übertragen;
(ii) der Beschwerdegegner hat den Domainnamen in der Absicht registriert, den Inhaber der Marke an deren Wiedergabe in einem seinem Zeichen entsprechenden Domainnamen zu hindern, sofern sein Verhalten einem entsprechenden Muster folgt,
(iii) der Beschwerdegegner hat den Domainnamen vorrangig in der Absicht registriert, den Geschäftsbetrieb eines Wettbewerbers zu behindern, oder
(iv) der Beschwerdegegner hat willentlich und in Gewinnerzielungsabsicht versucht, durch die Verwendung des Domainnamens Internetbenutzer zu seiner Website oder zu einer anderen Online-Präsenz zu lenken, indem er eine Verwechslungsgefahr mit dem Zeichen des Beschwerdeführers hinsichtlich Quelle, Urheberschaft, Zugehörigkeit oder Unterstützung seiner Website oder Online-Präsenz oder von auf seiner Website oder Online-Präsenz angebotenen Produkten oder Dienstleistungen geschaffen hat.
Die Umstände gemäß Paragraf 4(b) der Richtlinie sind nicht abschließend, allerdings müssen die Voraussetzung der bösgläubigen Registrierung und Verwendung kumulativ vorliegen.
Im Hinblick auf die Registrierung des streitgegenständlichen Domainnamens hat der Beschwerdegegner vorgetragen, dass er „Cohiba”-Zigarren zwar 1996 kannte, dem streitgegenständlichen Domainnamen aber bei der Registrierung keine Zeichenfunktion zugeordnet hat. Tatsächlich haben deutsche Gerichte noch 1996 entschieden, dass Domainnamen lediglich eine Adress- und keine Kennzeichnungsfunktion zukommen würde (z. B. Landgericht Köln, 17.01.1996, Az.: 3 O 474/96). Tatsächlich ist der genaue Grad der markenrechtlichen Bekanntheit der COHIBA Marken zum Zeitpunkt der Eintragung des streitgegenständlichen Domainnamens 1996 nicht klar aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich. Weiterhin gab es – damals wie heute – in einer Vielzahl von Territorien mit den COHIBA Marken koexistierende Marken, die jedenfalls ohne Berücksichtigung der geschützten Waren und Dienstleistungen mit „Cohiba” verwechslungsfähig waren. Aufgrund der Gesamtumstände im vorliegenden Fall, ist das Beschwerdepanel der Ansicht, dass der streitgegenständliche Domainname nicht in bösem Glauben registriert wurde. Besonders fällt auch der Umstand ins Gewicht, dass der Beschwerdegegner den streitgegenständlichen Domainnamen nicht bösgläubig verwendet. Es liegt keiner der oben zitierten Beispielsfälle des Paragrafen 4(a)(iii) der Richtlinie vor, insbesondere kann der Schutz des Zugangs zu der Webseite unter dem streitgegenständlichen Domainnamen durch Benutzernamen und Passwort dem Beschwerdegegner nicht vorgeworfen werden. Auch die Gesamtumstände des Falles sprechen nach Meinung des Panels nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ein bösgläubiges Verhalten des Beschwerdegegners, dessen Vortrag umfassend und durchweg glaubhaft ist, der in 13 Jahren nie versucht hat, Profit aus dem streitgegenständlichen Domainnamen zu schlagen oder sich dessen Bekanntheit zu Nutze zu machen, und der auch bisher niemals Partei in einem Verfahren nach der Richtlinie war.
Ausschlaggebend spricht die zwischen Registrierung des streitgegenständlichen Domainnamens und dem Beginn dieses Verfahrens verstrichene Frist von mehr als 13 Jahren dafür, die vorliegende Beschwerde abzuweisen. Obwohl die Richtlinie den Einwand der Verwirkung nicht ausdrücklich zulässt, können aus dem langen Zeitablauf in Zweifelsfällen doch Rückschlüsse auf die fehlende Bösgläubigkeit des Beschwerdegegners gezogen werden (siehe Shem, LLC v. Solytix, Inc, WIPO Verfahren Nr. D2009-0739; Maryland Limited Liability Company v. Sports Solutions Inc. and Contactprivacy.com, WIPO Verfahren Nr. D2008-0983; 5B Investments, Inc. v. RareNames, WebReg, WIPO Verfahren Nr. D2008-0146; The Knot, Inc. v. Ali Aziz, WIPO Verfahren Nr. D2007-1006).
Das Beschwerdepanel weist darauf hin, dass ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht weiterführende Sachverhaltsabklärungen zulässt, die im Rahmen des Verfahrens nach der Richtlinie nicht möglich sind. Im vorliegenden Verfahren und in Anbetracht der Gesamtumstände in diesem Fall, kommt das Panel allerdings zu dem Ergebnis, dass der streitgegenständliche Domainname durch die Beschwerdegegnerin gemäß Paragraf 4(a)(iii) der Richtlinie weder bösgläubig registriert noch bösgläubig verwendet wurde.
Aus den vorgenannten Gründen wird die Beschwerde abgewiesen.
Alfred Meijboom
| |
Ana María Pacón | Brigitte Joppich |
Datum: 30. Oktober 2009