Die Beschwerdeführerin ist RTR Energía S.L. aus Madrid, Spanien, vertreten durch Mind The Law S.L.P. (vormals C&ML Servicios Jurídicos), Spanien.
Der Beschwerdegegner ist Achim Tempelmeier, KBR Kompensationsanlagenbau GmbH aus Schwabach, Deutschland.
Der streitige Domainname <rtrenergia.com> ist bei der Deutsche Telekom AG (die “Domainvergabestelle”) registriert.
Die Beschwerde ging auf Spanisch beim WIPO Schiedsgerichts- und Mediationszentrum (dem “Zentrum”) am 1. Februar 2018 per E-Mail ein. Am 1. Februar 2018 schickte das Zentrum eine Bitte um Prüfung der Registrierungsdaten hinsichtlich des streitigen Domainnamens an die Domainvergabestelle. Am 2. Februar 2018 übermittelte die Domainvergabestelle die Prüfungsergebnisse per E-Mail an das Zentrum und bestätigte, dass der Beschwerdegegner Inhaber und administrative Kontaktperson für den Domainnamen und Deutsch die Sprache der Registrierungsvereinbarung sei.
Am 5. Februar 2018 übermittelte das Zentrum den Parteien eine Mitteilung zur Verfahrenssprache, wonach die Sprache der Registrierungsvereinbarung entsprechend dem Prüfungsergebnis der Domainvergabestelle Deutsch sei. Die Beschwerdeführerin wurde gebeten, eine der folgenden Optionen zu wählen: 1) einen ausreichenden Nachweis einer Vereinbarung zwischen den Parteien einzureichen, dass das Verfahren auf Spanisch durchgeführt werden soll; 2) die Beschwerde auf Deutsch übersetzt einzureichen; oder 3) einen Antrag zu stellen, dass die Verfahrenssprache Spanisch sein soll. Mit E-Mail vom 6. Februar 2018 stellte der Beschwerdegegner einen Antrag, dass die Verfahrenssprache Deutsch sein soll. Am 8. Februar 2018 reichte der Beschwerdegegner eine deutsche Übersetzung der Beschwerde ein.
Das Zentrum stellte fest, dass die Beschwerde den formellen Anforderungen der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der “Richtlinie”), der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der “Verfahrensordnung”) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der “Ergänzenden Verfahrensregeln”) genügt.
Gemäss Paragrafen 2 und 4 der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde dem Beschwerdegegner förmlich auf Spanisch und Deutsch zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 13. Februar 2018 eingeleitet. Gemäss Paragraf 5 der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 5. März 2018. Im Zeitraum vom 6. Februar 2018 bis 23. Februar 2018 gingen beim Zentrum verschiedene E-Mails von den Parteien ein, es wurde jedoch kein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens hinsichtlich eines etwaigen Vergleichs gestellt. Der Beschwerdegegner reichte keine formelle Beschwerdeerwiderung ein. Dementsprechend hat das Zentrum am 6. März 2018 den Parteien mitgeteilt, dass es mit der Bestellung des Beschwerdepanels fortfahren würde.
Das Zentrum bestellte Tobias Zuberbühler als Einzelpanelmitglied am 15. März 2018. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass es ordnungsgemäss bestellt wurde. Das Beschwerdepanel gab eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäss Paragraf 7 der Verfahrensordnung ab.
Die Beschwerdeführerin ist eine spanische Gesellschaft, die seit 1998 im Handelsregister Madrid eingetragen ist. Ihr Geschäftszweck ist die Herstellung von elektrischen, elektronischen und elektromagnetischen Geräten sowie die Vermarktung und der Import und Export von Waren und Dienstleistungen.
Nach eigenen Angaben tritt die Beschwerdeführerin seit 20 Jahren unter ihrem Firmennamen “RTR Energía” im nationalen und internationalen Geschäftsverkehr auf. Sie ist Inhaberin der Europäische Union-Marke RTR Nr. 013741582, eingetragen am 22. Juli 2015 sowie der in Indien eingetragenen Marke RTR Nr. 1957250, eingetragen am 28. April 2010. Zusätzlich ist die Beschwerdeführerin seit dem 2. November 1999 bzw. seit dem 13. Mai 2009 Halterin der Domainnamen <rtr.es> und <rtrenergia.es>, über die sie ihre Produkte und Dienstleistungen bewirbt und vermarktet.
Der Beschwerdegegner ist Vertreter eines Unternehmens für den Bau von Industrieanlagen mit Geschäftssitz in Deutschland.
Gemäss Angaben in der Beschwerde führten die Parteien eine mehrjährige Geschäftsbeziehung bis zu ihrem Rechtsstreit betreffend eine Forderung, welcher am 21. Dezember 2015 mit einem gerichtlichen Vergleich abgeschlossen wurde.
Der streitige Domainname <rtrenergia.com> wurde am 20. November 2015 registriert. Gemäss einem Ausdruck vom 19. Januar 2018 (Anhang 3 der Beschwerde) zeigte die entsprechende Website unter dem Titel “Power Capacitors – Made by RTR. Think before you buy!” (“Leistungskondensatoren – hergestellt von RTR. Denken Sie nach bevor Sie kaufen!”) zwei Bilder von schwer defekten Leistungskondensatoren, darunter den folgenden Text: “RTR 2017. Come back soon – We have a lot of capacitors like that.” (“Kommen Sie bald wieder – wir haben eine Menge solcher Kondensatoren.”) Derzeit führt der streitige Domainname zu einer Baustellenseite mit dem Schriftzug “Under construction. Come back soon” (“im Aufbau. Kommen Sie bald wieder”).
Die Beschwerdeführerin trägt zusammengefasst Folgendes vor:
Der streitige Domainname ist identisch mit dem Firmennamen, den Marken und den registrierten Domainnamen der Beschwerdeführerin, was bei Internetnutzern Verwirrung auslöst. Dies schafft nicht nur eine Verwechslungsgefahr, sondern stellt einen klaren Versuch dar, die Beschwerdeführerin zu diskreditieren.
Der Beschwerdegegner hat kein Recht und kein berechtigtes Interesse am streitigen Domainnamen. Der Beschwerdegegner ist im Rechtsverkehr nicht unter dem streitigen Domainnamen, sondern unter der Bezeichnung “KBR” bekannt. Zudem hat er kein schützenswertes Interesse an der Nutzung des streitigen Domainnamens, dessen einziger Zweck es ist, die Beschwerdeführerin lächerlich zu machen.
Der Domainname wurde in böser Absicht registriert und verwendet. Angesichts ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung und des Rechtsstreits der Parteien, welcher im Zeitpunkt der Registrierung des streitigen Domainnamens pendent war, kann nicht bestritten werden, dass der Beschwerdeführer Vorkenntnis von der Existenz der Beschwerdeführerin und ihrer Rechte hatte. Der Inhalt der Website des Beschwerdeführers nimmt direkten Bezug auf die Beschwerdeführerin und ihre Produkte, mit der eindeutigen Absicht, deren Ruf auf dem Markt zu schädigen. Da die Beschwerdeführerin international tätig ist und ausserhalb Spaniens die TLD “.com” häufiger als “.es” (die die Beschwerdeführerin für ihre offizielle Homepage nutzt) verwendet wird, besteht für die Beschwerdeführerin ein hohes Schadenspotenzial.
Der Beschwerdegegner hat keine formelle Beschwerdeerwiderung eingereicht und in den E-Mails, die der Beschwerdegegner dem Zentrum gesendet hat, hat er den Inhalt des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Sprache der Registrierungsvereinbarung ist Deutsch. Die Beschwerdeführerin hat zuerst ihre Beschwerde auf Spanisch eingereicht und darin beantragt, dass das Verfahren auf Spanisch bzw. hilfsweise auf Englisch geführt werden soll. Nachträglich hat die Beschwerdeführerin die Beschwerde mit sämtlichen Anhängen auch auf Deutsch eingereicht und damit ihre Bereitschaft signalisiert, das Verfahren auf Deutsch fortzusetzen.
Der Beschwerdegegner, der deutscher Staatsangehöriger ist, beantragt, dass die Verfahrenssprache Deutsch sei.
Das Verfahren wird somit gemäss Paragraf 11(a) der Verfahrensordnung auf Deutsch geführt.
Die Beschwerdeführerin hat nachgewiesen, dass sie über Marken- und Firmenrechte an den Bezeichnungen RTR bzw. RTR Energia verfügt. Der streitige Domainname übernimmt die Marke RTR der Beschwerdeführerin vollständig und ist zudem identisch mit dem Firmennamen der Beschwerdeführerin, wodurch eine klare Verwechslungsgefahr geschaffen wird.
Damit erfüllt die Beschwerdeführerin Paragraf 4(a)(i) der Richtlinie.
Es bestehen keinerlei Hinweise in diesem Fall auf ein berechtigtes Interesse des Beschwerdegegners am streitigen Domainnamen. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner in keiner Weise eine Genehmigung erteilt, die Marke RTR in einem Domainnamen zu nutzen; auch ist der Beschwerdegegner nicht unter dem streitigen Domainnamen allgemein bekannt. Der Beschwerdegegner kann auch nicht geltend machen, den streitigen Domainnamen im Zusammenhang mit einem gutgläubigen Angebot von Waren und Dienstleistungen bzw. zu einem rechtmässigen, nicht gewerblichen Zweck im Sinne der Richtlinie zu nutzen.
Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der Beschwerdegegner den streitigen Domainnamen verwendet, um die Beschwerdeführerin und deren Produkte lächerlich zu machen, und dass diese Verwendung nicht als rechtmässige, nicht kommerzielle Nutzung akzeptiert werden kann. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass nicht kommerzielle freie Meinungsäusserung grundsätzlich eine lautere Verwendung eines Domainnamens darstellen kann, sodass der Beschwerdegegner in solch einem Fall Rechte oder berechtigte Interessen am Domainnamen hätte. Siehe Abschnitt 2.6 der WIPO Übersicht der WIPO-Panel-Ansichten zu ausgewählten UDRP-Fragen, dritte Ausgabe (“WIPO Overview 3.0”). In diesem Zusammenhang besagt Abschnitt 2.6.2 des WIPO Overview 3.0, dass selbst ein allgemeines Recht auf berechtigte Kritik sich nicht unbedingt auf die Registrierung oder Verwendung eines mit einer Marke identischen Domainnamens erstreckt. Selbst wenn ein solcher Domainname in Bezug auf echte nicht kommerzielle freie Meinungsäusserung verwendet wird, neigen Beschwerdepanels dazu festzustellen, dass dies ein unzulässiges Risiko der Benutzerverwirrung durch Identitätserschleichung schafft. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen stellt das Beschwerdepanel fest, dass die Registrierung und Verwendung des streitigen Domainnamens, der die Marke der Beschwerdeführerin (“rtr”) und deren Geschäftsgebiet (“energia”) abbildet, zu einer Identitätserschleichung und somit zu einem unzulässigen Risiko der Benutzerverwirrung führt. Das Beschwerdepanel hebt auch hervor, dass der Beschwerdegegner in seinen E-Mail-Mitteilungen, die an das Zentrum gesendet wurden, seine Absicht bekundet hat, die Streitigkeit beizulegen, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass der Beschwerdegegner keine Rechte oder berechtigten Interessen am strittigen Domainnamen hat.
Da die Beschwerdeführerin ihre Position glaubhaft gemacht hat und die entsprechenden Argumente unwidersprochen bleiben, erfüllt die Beschwerdeführerin auch Paragraf 4(a)(ii) der Richtlinie.
Der Beschwerdegegner hat unter dem streitigen Domainnamen eine Website aufgeschaltet, deren einziger offenbarer Zweck es ist, den Ruf der Beschwerdeführerin und ihrer Produkte zu schädigen, indem sich der Beschwerdegegner als die Beschwerdeführerin ausgibt und die Qualität ihrer Leistungskondensatoren lächerlich macht. Das Beschwerdepanel stellt fest, dass eine solche Verwendung das Risiko der Benutzerverwirrung durch Nachahmung birgt, da der streitige Domainname die Marke der Beschwerdeführerin und deren Geschäftsgebiet reflektiert.
Ein solches Verhalten stellt eine bösgläubige Registrierung und Verwendung des Domainnamens dar und erfüllt Paragraf 4(a)(iii) i.V.m. Paragraf 4(b)(iii) der Richtlinie.
Aus den vorgenannten Gründen ordnet das Beschwerdepanel gemäss Paragraf 4(i) der Richtlinie und Paragraf 15 der Verfahrensordnung die Übertragung des streitigen Domainnamens <rtrenergia.com> auf die Beschwerdeführerin an.
Tobias Zuberbühler
Einzelbeschwerdepanelmitglied
Datum: 29. März 2018