Die Beschwerdeführerin ist die Lidl Stiftung & Co. KG, Deutschland, vertreten durch HK2 Rechtsanwälte, Deutschland.
Der Beschwerdegegner ist Oliver Riess, German Investors 500 GmbH, Deutschland.
Die streitigen Domainnamen <lidl-pay.com>, <lidl-pay.info>, <lidlpay.info>, <lidl-pay.net>, <lidl-pay.online>, <lidlpay.online>, <lidl-pay.org>, und <lidlpay.org> (die „Domainnamen“) sind bei Vautron Rechenzentrum AG (die „Domainvergabestelle“) registriert.
Die Beschwerde ging beim WIPO Arbitration and Mediation Center (dem „Zentrum“) am 9. August 2019 per E-Mail ein. Am 9. August 2019 schickte das Zentrum eine Bitte um Prüfung der Registrierungsdaten hinsichtlich der streitigen Domainnamen an die Domainvergabestelle. Am 9. August 2019 übermittelte die Domainvergabestelle das Prüfungsergebnis per E-Mail an das Zentrum, in dem sie bestätigte, dass der Beschwerdegegner Inhaber der und administrative Kontaktperson für die Domainnamen ist und stellte dessen Kontaktdaten zur Verfügung.
Das Zentrum stellte fest, dass die Beschwerde den formellen Anforderungen der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Richtlinie“), der Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Verfahrensordnung“) und der WIPO Supplemental Rules for Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (der „Ergänzenden Verfahrensregeln“) entspricht.
Gemäß Paragraphen 2 und 4 der Verfahrensordnung wurde die Beschwerde dem Beschwerdegegner förmlich zugestellt und das Beschwerdeverfahren am 14. August 2019 eingeleitet. Gemäß Paragraph 5(a) der Verfahrensordnung endete die Frist für die Beschwerdeerwiderung am 3. September 2019. Am 3. September 2019 schickte der Beschwerdegegner einen Antrag auf Fristverlängerung an das Zentrum. In Übereinstimmung mit Paragraph 5(b) der Verfahrensordnung wurde von dort das neue Fälligkeitsdatum auf den 7. September 2019 festgesetzt. Am 6. September 2019 schickte der Beschwerdegegner einen weiteren Antrag auf Fristverlängerung an das Zentrum. In Übereinstimmung mit Paragraph 5(b) der Verfahrensordnung wurde das weitere neue Fälligkeitsdatum von dort nunmehr auf den 11. September 2019 festgesetzt. Der Beschwerdegegner reichte letztlich keine Beschwerdeerwiderung ein. Am 12. September 2019 teilte das Zentrum sodann den Parteien gemäß Paragraph 6 der Verfahrensordnung mit, dass es ein Beschwerdepanel ernennen werde.
Das Zentrum bestellte Stephanie G. Hartung am 18. September 2019 als Einzelbeschwerdepanel („Beschwerdepanel“). Das Beschwerdepanel stellte fest, dass es ordnungsgemäß bestellt wurde. Das Beschwerdepanel gab eine Annahmeerklärung und Erklärung der Unbefangenheit und Unabhängigkeit gemäß Paragraph 7 der Verfahrensordnung ab.
Die in Deutschland ansässige Beschwerdeführerin gehört zur LIDL-Gruppe, eine der weltweit größten Discounter-Supermarktketten.
Die Beschwerdeführerin verfügt nachgewiesenermaßen über eine Vielzahl von eingetragenen Marken LIDL, darunter die folgenden, die sämtlich Schutz in Deutschland genießen:
- Nationale deutsche Wortmarke LIDL, Deutsches Patent- und Markenamt („DPMA“), Registrierungsnummer: 2006134, Registrierungsdatum: 11. November 1991, Status: Marke eingetragen;
- Nationale deutsche Wortmarke LIDL, DPMA, Registrierungsnummer: 30009606, Registrierungsdatum: 9. März 2000, Status: Marke eingetragen;
- Unionsmarke (Wortmarke) LIDL, Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum („EUIPO“), Registrierungsnummer: 001778679, Registrierungsdatum: 22. August 2002, Status: Marke eingetragen.
Daneben ist die Beschwerdeführerin Inhaberin einer Vielzahl von Domainnamen mit der Marke LIDL als Bestandteil, darunter auch die Domainnamen <lidl-service.com> sowie <lidl-blumen.de>, <lidl-fotos.de> und <lidl-reisen.de>, unter denen die Beschwerdeführerin unterschiedliche Websites zur Bewerbung ihrer Produkte und Dienstleistungen betreibt.
Am 5. Juli 2019 wurde in führenden deutschen Zeitungen darüber berichtet, dass die Beschwerdeführerin einen Bezahldienst unter der Bezeichnung „Lidl Pay“ einführen werde.
Der Beschwerdegegner ist ausweislich der WhoIs-Kontaktinformationen ebenfalls in Deutschland ansässig und seit dem 5. Juli 2019 als Inhaber der streitigen Domainnamen registriert. Im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung verlinken die streitigen Domainnamen sämtlich auf eine Fehlerseite (Domain Default Page) des Unternehmens Froxlor, einem nach eigenen Angaben Server-Management-Panel für Internetdiensteanbieter (ISP), wobei nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin die streitigen Domainnamen zu einem Zeitpunkt vor Beginn des hiesigen Verfahrens sämtlich auf einen Log-In-Screen von Froxlor weiterleiteten.
Die Beschwerdeführerin beantragt, die streitigen Domainnamen auf die Beschwerdeführerin zu übertragen.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, über 10.000 Supermärkte in Europa und in den Vereinigten Staaten von Amerika zu betreiben, darunter 3.200 allein in Deutschland. Die Marke LIDL besitze weltweit und ganz besonders innerhalb Deutschlands eine herausragende Bekanntheit als Discounter-Supermarktkette. Die Zeichenfolge „Lidl“ habe über den Namen hinaus keine weitere semantische Bedeutung auf Deutsch oder Englisch.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die streitigen Domainnamen mit ihrer Marke LIDL verwechslungsfähig seien, insofern sie ausschließlich aus dieser Marke und dem lediglich beschreibenden Zusatz „pay“ bestünden. Darüber hinaus behauptet die Beschwerdeführerin, dass der Beschwerdegegner keine Rechte oder berechtigte Interessen an den streitigen Domainnamen habe, insofern (1) die Beschwerdeführerin keine Erlaubnis zur Nutzung der Marke LIDL eingeräumt habe, (2) Anhaltspunkte für ein eigenes rechtmäßiges Angebot von Waren oder Dienstleistungen durch den Beschwerdegegner unter den streitigen Domainnamen nicht vorlägen, sondern diese vielmehr sämtlich an dem Tag registriert worden seien, an dem die Presse über die geplante Einführung eines Bezahldienstes unter der Bezeichnung „Lidl Pay“ berichtete, (3) der Beschwerdegegner offensichtlich nicht unter den streitigen Domainnamen bekannt sei und (4) auch ein nicht-gewerblicher oder fairer Gebrauch der streitigen Domainnamen durch den Beschwerdegegner nicht in Betracht käme. Schließlich führt die Beschwerdeführerin aus, dass die streitigen Domainnamen von dem Beschwerdegegner bösgläubig registriert wurden und verwendet würden, insofern (1) der Beschwerdegegner zeitgleich insgesamt 18 Domainnamen registriert habe, die aus der Marke LIDL sowie dem beschreibenden Zusatz „pay“ bestünden, und folglich ein Verhaltensmuster vorläge, dass sich gegen die Beschwerdeführerin richte, um diese daran zu hindern, ihre Marke LIDL unter der Bezeichnung „Lidl Pay“ als Domainnamen wiederzugeben, (2) die Registrierung der streitgegenständlichen Domainnamen in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung des als „Lidl Pay“ bezeichneten Bezahldienstes der Beschwerdeführerin erfolgt sei, woraus geschlossen werden könne, dass der Beschwerdegegner Kenntnis von den Rechten an der Marke LIDL der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Registrierung der streitigen Domainnamen hatte und dabei missbräuchlich handelte, sowie (3) eine rechtmäßige tatsächliche oder geplante aktive Nutzung der streitigen Domainnamen unter den gegebenen Umständen nicht plausibel sei.
Der Beschwerdegegner hat ungeachtet seiner Anträge auf Fristverlängerung vom 3. und 6. September 2019 keine Beschwerdeerwiderung eingereicht.
Gemäß Paragraph 4(a) der Richtlinie muss die Beschwerdeführerin folgendes beweisen:
(i) dass die streitigen Domainnamen mit einer Marke, an welcher die Beschwerdeführerin Rechte hat, identisch oder verwechselbar ähnlich sind; und
(ii) dass der Beschwerdegegner weder Rechte noch berechtigte Interessen an den streitigen Domainnamen hat; und (iii) dass die streitigen Domainnamen bösgläubig registriert wurden und genutzt werden.
Die Säumnis des Beschwerdegegners führt vorliegend nicht automatisch zu einer Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin, jedoch sieht Paragraph 5(f) der Verfahrensordnung vor, dass das Beschwerdepanel den Streitfall in Ermangelung einer Beschwerdeerwiderung allein auf der Grundlage der Beschwerde entscheiden kann, vorausgesetzt, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Darüber hinaus kann das Beschwerdepanel aus der Säumnis des Beschwerdegegners, eine Beschwerdeerwiderung abzugeben, angemessene Schlussfolgerungen ziehen.
Die Beschwerdeführerin hat nachgewiesen, dass sie Inhaberin diverser Marken LIDL ist, die jeweils deutlich vor der Registrierung der streitigen Domainnamen eingetragen worden sind.
Die streitigen Domainnamen sind mit der Marke LIDL sämtlich verwechslungsfähig ähnlich, da sie zum einen die Marke LIDL vollständig beinhalten (vgl. PepsiCo, Inc. v. PEPSI, SRL (a/k/a P.E.P.S.I.) and EMS Computer Industry (a/k/a EMS), WIPO Verfahren Nr. D2003-0696), zum anderen die Hinzufügung des rein beschreibenden Begriffs „pay“ nach herrschender Meinung der UDRP-Beschwerdepanels der Feststellung einer verwechslungsfähigen Ähnlichkeit zwischen den streitigen Domainnamen und der LIDL-Marke nicht entgegensteht (vgl. WIPO Overview of Panel Views on Selected UDRP Questions, Third Edition („WIPO Overview 3.0“), Abschnitt 1.8), und schließlich die Betrachtung der in den streitigen Domainnamen enthaltenen generischen Top-Level-Domains („gTLD“) wie „.com“, „.info“ oder „.online“ bei der hier anzustellenden Ähnlichkeitsprüfung regelmäßig und so auch hier außen vor bleibt (WIPO Overview 3.0, Abschnitt 1.11.1).
Damit sind vorliegend die Voraussetzungen des Paragraphen 4(a)(i) der Richtlinie erfüllt.
Es steht weiterhin zur Überzeugung des Beschwerdepanels fest, dass der Beschwerdegegner keine Rechte oder berechtigte Interessen an den streitigen Domainnamen besitzt.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner offenbar weder eine Lizenz noch eine sonstige Erlaubnis erteilt, die Marke LIDL, auch nicht als Domainnamen, zu nutzen. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdegegner selbst über Marken- oder sonstige Rechte an der Bezeichnung „Lidl“ verfügt oder etwa unter den streitigen Domainnamen allgemein bekannt ist (Paragraph 4(c)(ii) der Richtlinie). Und schließlich sind auch keine Umstände gegeben, wonach anzunehmen wäre, dass der Beschwerdegegner die streitigen Domainnamen im Zusammenhang mit einem gutgläubigen Angebot von Waren oder Dienstleistungen vor Beginn dieser Streitigkeit bzw. in einer legitimen nicht-gewerblichen oder fairen Weise ohne Absicht zur Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils benutzt habe (Paragraphen 4(c)(i) und (iii) der Richtlinie). Eine aktive Nutzung der streitigen Domainnamen durch den Beschwerdegegner hat offenbar bislang noch nicht stattgefunden. Nach herrschender Meinung der UDRP-Beschwerdepanels begründet jedoch die Registrierung eines Domainnamens, selbst wenn dieser etwa einem gängigen Begriff aus einem Wörterbuch entspricht, für sich allein noch keine Rechte oder berechtigten Interessen an dem selbigen (vgl. WIPO Overview 3.0, Abschnitt 2.10.1). Aber selbst für den Fall, dass man zumindest in der vorübergehenden Weiterleitung der streitigen Domainnamen auf einen
Log-In-Screen des Unternehmens Froxlor eine aktive Nutzung derselben sehen wollte, so erfüllt eine solche offenbar weder das Erfordernis eines gutgläubigen noch eines nicht-gewerblichen oder fairen Handelns. Denn nicht nur registrierte der Beschwerdegegner eine Vielzahl von insgesamt 18 streitigen Domainnamen, die sämtlich die bekannte Marke LIDL der Beschwerdeführerin beinhalten, sondern führte er diese Registrierungen sämtlich exakt an dem Tag durch, als in der deutschen Presse von den Plänen der Beschwerdeführerin berichtet wurde, einen als „Lidl Pay“ bezeichneten Bezahldienst einzuführen.
Diese Umstände stehen einer möglichen gutgläubigen bzw. nicht-gewerblichen oder fairen Nutzung der streitigen Domainnamen offensichtlich entgegen.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls einen Anscheinsbeweis (prima facie) geführt hat, dass dem Beschwerdegegner Rechte oder berechtigte Interessen an den streitigen Domainnamen fehlen. Damit verlagert sich nach herrschender Meinung der UDRP-Panels die
Darlegungs- und Beweislast auf den Beschwerdegegner, nunmehr seinerseits entsprechende Nachweise für das Bestehen von Rechten oder berechtigten Interessen an den streitigen Domainnamen vorzulegen (vgl. WIPO Overview 3.0, Abschnitt 2.1). Insofern der Beschwerdegegner entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung keine Beschwerdeerwiderung eingereicht hat, ist er dieser umgekehrten Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.
Damit sind vorliegend auch die Voraussetzungen des Paragraphen 4(a)(ii) der Richtlinie erfüllt.
Schließlich kommt das Beschwerdepanel zu der Feststellung, dass der Beschwerdegegner die streitigen Domainnamen bösgläubig registriert hat und nutzt.
Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beschwerdeführerin sowie nach eigener Kenntnis des Beschwerdepanels genießt die Marke LIDL jedenfalls in Deutschland eine überragende Bekanntheit, weshalb schon deswegen davon ausgegangen werden muss, dass der in Deutschland ansässige Beschwerdegegner im Zeitpunkt der Registrierung der streitigen Domainnamen Kenntnis von der Marke LIDL sowie den hieran bestehenden Rechten der Beschwerdeführerin hatte. Dafür spricht auch die zeitliche Koinzidenz zwischen der Domainnamen-Registrierung und der öffentlichen Bekanntgabe der Einführung des Bezahldienstes „Lidl Pay“ der Beschwerdeführerin sowie die Zusammensetzung der streitigen Domainnamen aus der Marke LIDL und dem jeweiligen Zusatz „pay“. Schließlich verfügt der Beschwerdegegner offensichtlich über eine Vielzahl von insgesamt 18 Domainnamen, die jeweils die Marke LIDL und den Zusatz „pay“ beinhalten, worin entsprechend dem Vortrag der Beschwerdeführerin ein Verhaltensmuster zu sehen ist, dass sich offenbar gegen die Beschwerdeführerin wendet, um diese daran zu hindern, selbst Domainnamen unter der eigenen Marke LIDL mit dem Zusatz „pay“ zu registrieren und zum Zwecke des Bewerbens und Betreibens des Bezahlsystems „LIDL Pay“ zu nutzen. Dies gilt nach Paragraph 4(b)(ii) der Richtlinie als Nachweis für eine Registrierung und Nutzung der streitigen Domainnamen in bösem Glauben. Damit kann letztlich auch dahinstehen, ob eine aktive Nutzung der streitigen Domainnamen bislang bereits stattgefunden hat oder nicht.
Im Ergebnis sind folglich auch die Voraussetzungen des Paragraphen 4(a)(iii) der Richtlinie erfüllt.
Aus den vorgenannten Gründen ordnet das Beschwerdepanel gemäß Paragraph 4(i) der Richtlinie und 15 der Verfahrensordnung an, dass die Domainnamen <lidl-pay.com>, <lidl-pay.info>, <lidlpay.info>, <lidl-pay.net>, <lidl-pay.online>, <lidlpay.online>, <lidl-pay.org> und <lidlpay.org> auf die Beschwerdeführerin übertragen werden.
Stephanie G. Hartung
Einzelbeschwerdepanel
Datum: 25. September 2019