WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Nicole Diem Brillenmoden AG, Nicole Liliane Diem v. No Limit Design GmbH, Andres Berger
Verfahren Nr. DCH2014-0023
1. Die Parteien
Die Gesuchstellerinnen sind Nicole Diem Brillenmoden AG ("Gesuchstellerin 1") und Nicole Liliane Diem ("Gesuchstellerin 2") aus Herrliberg, Schweiz, vertreten durch Losinger Willimann & Donghi, Schweiz.
Die Gesuchsgegnerin ist No Limit Design GmbH, Andres Berger, aus Wängi, Schweiz.
2. Streitiger Domain-Name
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <nicolediem.ch> (nachfolgend der "Domain-Name").
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das "Zentrum") am 28. Oktober 2014 elektronisch und am 31. Oktober 2014 als hard-copy ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für ".ch" und ".li" Domain-Namen ("Verfahrensreglement"), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 29. Oktober 2014 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass die Gesuchsgegnerin Inhaberin und administrative Kontaktperson des Domain-Namens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 5. November 2014 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung lief am 25. November 2014 ab.
Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 26. November 2014 mit, dass die Gesuchsgegnerin weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Zudem benachrichtigte das Zentrum die Gesuchstellerinnen über die Möglichkeit, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen.
Am 28. November 2014 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt. Das Zentrum bestellte am 2. Dezember 2014 Bernhard F. Meyer als Experte.
Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
4. Sachverhalt
Die Gesuchstellerin 1, Nicole Diem Brillenmoden AG, ist im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Im Zeitpunkt der Gründung lautete die Firma der Gesuchstellerin 1 "Sovadel SA". Am 17. April 2012 wurde sie in die "Nicole Diem Brillenmoden AG" umfirmiert. Gleichzeitig erfolgte eine Zweckänderung.
Die Gesuchstellerin 2, Nicole Liliane Diem, ist im Handelsregister als Direktorin der Gesuchstellerin 1 eingetragen.
Zudem ist die Gesuchstellerin 2 Inhaberin folgender Marken:
- Schweizer Marke NICOLE DIEM, Nr. P-463033, eingetragen und publiziert am 15. Juli 1999, für Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9 und 25;
- Schweizer Marke NICOLE DIEM, Nr. 586514, eingetragen und publiziert am 13. Mai 2009, für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 18 und 24.
Die Gesuchsgegnerin, No Limit Design GmbH, ist - gemäss Registerauszug - seit dem 26. November 2010 im Handelsregister des Kantons Thurgaus eingetragen. Andres Berger (im Gesuch fälschlich als "Andreas Berger" bezeichnet) ist einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin. Die Gesuchsgegnerin ist bei der WhoIs Datenbank der SWITCH als heutige Inhaberin (Holder) des strittigen Domain-Namens <nicolediem.ch> eingetragen.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchstellerinnen
Die Gesuchstellerinnen bringen vor, der streitgegenständliche Domain-Name <nicolediem.ch> sei von ihnen am 30. Mai 2001 bei SWITCH registriert und seither genutzt worden. Die Gesuchsgegnerin habe den Domain-Namen <nicolediem.ch> aber anfangs 2014 unrechtmässig und gegen den Willen der Gesuchstellerinnen unter ihre Kontrolle gebracht. Die Gesuchsgegnerin habe in früheren Jahren in einem Auftragsverhältnis zu den Gesuchstellerinnen gestanden und sei unter anderem beauftragt gewesen, deren Domain-Namen zu hosten und das Webdesign dafür zu erstellen. Im Rahmen dieser Auftragserledigung habe die Gesuchsgegnerin Kenntnis der Passwörter und der Login-Daten der Gesuchstellerinnen erlangt. Durch Missbrauch dieser Kenntnisse habe die Gesuchsgegnerin am 13. Januar 2014 den strittigen Domain- Namen beim damaligen Host gekündigt und ihn bei SWITCH auf sich selbst registrieren lassen. Die Gesuchsgegnerin hätte für dieses Vorgehen, quasi als "Rechtfertigungsgrund", angeblich ausstehenden Forderungen gegenüber den Gesuchstellerinnen geltend gemacht. Dass solche Forderungen bestehen, werde bestritten. Dagegen zeige das Vorgehen klar, dass der Grundsatz von Treu und Glauben und Art. 2 UWG verletzt seien, da mit der Registrierung sachfremde Zwecke verfolgt würden.
Durch die unrechtmässige Registrierung und das Halten des Domain-Namens würden die Firmenrechte der Gesuchstellerin 1 verletzt. Der Gebrauch einer Firma als Domain-Name oder als Teil davon falle unter den firmenmässigen Gebrauch i.S.v. Art. 956 OR. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn das verletzende Zeichen firmenmässig gebraucht werde. Gebrauch bedeute dabei jeder tatsächliche Vorgang des geschäftlichen Verkehrs. Unbefugt sei der Gebrauch einer Firma bei jedem Verstoss gegen ein objektives Recht, d.h. wenn das Ausschliesslichkeitsrecht des Firmeninhabers verletzt werde. Der Firmeninhaber könne sich gegen jede ähnliche Firma zur Wehr setzen.
Vorliegend sei die Ähnlichkeit der Firma der Gesuchstellerin 1 mit dem von der Gesuchsgegnerin registrierten Domain-Namen ausgewiesen. Der Domain-Name stelle den charakteristischen Bestandteil der Firma der Gesuchstellerin 1 dar. Entsprechend verletzte die Gesuchsgegnerin die Firmenrechte der Gesuchstellerin 1.
Sodann machen die Gesuchstellerinnen Namensrechte nach Art. 29 Abs. 2 ZGB für die Gesuchstellerin 2 geltend. Verletzt sei, wer in der Namensführung beeinträchtigt werde, zum Beispiel dadurch, dass ein anderer sich seinen Namen anmasse. Die Anmassung habe unbefugt zu geschehen, und es müssten rechtlich geschützte Interessen der betroffenen Person verletzt sein. Dies sei hier der Fall, weil eine Verwechslungsgefahr bestehe. Der Domain-Name sei mit dem Vor- und Nachnamen der Gesuchstellerin 2 identisch und letztere werde daran gehindert, die in ihrem Namen enthaltene Kennzeichnung registrieren zu lassen.
Schliesslich besässe die Gesuchstellerin 2 zwei Wortmarken NICOLE DIEM. Falls, wie vorliegend, ein Domain-Name bloss registriert, aber vom Halter nicht tatsächlich selbst genutzt werde, stelle das nach der einschlägigen Rechtssprechung zwar kein "Domain Grabbing" dar, wohl aber liege eine Verletzung von Art. 2 UWG vor. Gemäss dieser Bestimmung sei jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusse, unlauter und widerrechtlich.
Die Gesuchstellerinnen beantragen deshalb, den Domain-Namen <nicolediem.ch> von der Gesuchsgegnerin auf die Gesuchstellerinnen zu übertragen.
B. Gesuchsgegnerin
Wie erwähnt, nahm die Gesuchsgegnerin weder an einer Schlichtungsverhandlung gemäss Art. 15(d) des Verfahrensreglements teil, noch reichte sie eine Gesuchserwiderung ein. Somit entscheidet der Experte auf Grundlage der Akten (Art. 23(a) des Verfahrensreglements).
6. Entscheidungsgründe
Gemäss Paragraph 24(b) des Verfahrensreglements kann der Experte nur auf Löschung oder Übertragung des Domain-Namens erkennen, oder das Gesuch abweisen. Eine weitere Befugnis hat er nicht. Insbesondere kann er nicht auf die von den Gesuchstellerinnen geltend gemachten Kostenentschädigungsbegehren eintreten.
Der Experte gibt dem Gesuch gemäss Paragraph 24(c) statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach schweizerischem oder liechtensteinischem Recht zusteht.
Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine solche Verletzung insbesondere dann vor, wenn:
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchsgegnerin keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.
Wenn eine Partei ohne triftigen Grund eine im Verfahrensreglement oder vom Experten festgelegte Frist versäumt, entscheidet der Experte über das Gesuch auf Grundlage der Akten (Paragraph 23 des Verfahrensreglements).
Diese Voraussetzungen werden nachstehend geprüft:
(i) Bestand und Verletzung des Kennzeichenrechts
Bestand eines Kennzeichenrechts
Der Firmenname der Gesuchstellerin 1 lautet nachgewiesenermassen "Nicole Diem Brillenmoden AG". Die Gesuchstellerin 2 heisst "Nicole Liliane Diem". Entsprechend werden Kennzeichenrechte nach Paragraph 24(d)(i) des Verfahrensreglements beider Gesuchstellerinnen geltend gemacht.
Verletzung des Firmenrechts der Gesuchstellerin 1
Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann sich auf den Firmenschutz nach Art. 956 Abs. 2 OR berufen. Ein unbefugter Gebrauch liegt vor, wenn eine Firma im Geschäftsverkehr nach aussen, d.h. mit Dritten, wie Kundschaft, Behörden, Konkurrenten, in beeinträchtigender Weise benutzt wird. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Unberechtigter ein firmenrechtlich geschütztes Zeichen als Domain-Name verwendet, was ihm der Firmeninhaber grundsätzlich verbieten kann (vgl. BGE 4C.141/2002, E. 3; siehe auch sic! 2003, S. 438 ff.).
Die Gesuchstellerin 1 ist Inhaberin der Firma "Nicole Diem Brillenmoden AG" und kann sich auf den Firmenschutz berufen. Gemäss den Vorbringen der Gesuchstellerinnen und den Akten hat die Gesuchsgegnerin den Firmennamen ohne Einwilligung der Gesuchstellerin 1 als Domain-Namen registriert und ihn damit im Geschäftsverkehr gegenüber der Domainvergabestelle SWITCH sowie Personen, welche das Register einsehen, unbefugt verwendet. Auch die Weigerung, den Domain-Namen an die Berechtigte zu übertragen, ist eine Verletzung des Firmenrechts. Die von der Gesuchsgegnerin in der Korrespondenz vom 14. Oktober 2014 für ihr Vorgehen angerufenen "Rechtfertigungsgründe" können mangels eines entsprechenden Sachvortrags der Gesuchsgegnerin nicht geprüft werden.
Somit ergibt sich eine Verletzung des Firmenrechts der Gesuchstellerin 1.
Verletzung der Namensrechte der Gesuchstellerin 2
Wer dadurch beeinträchtigt wird, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, kann sich auf den Namensschutz gemäss Art. 29 Abs. 2 ZGB berufen. Voraussetzung ist, dass die Namensanmassung unbefugt erfolgt, d.h. dass die rechtlich schutzwürdigen Interessen des Namensträgers beeinträchtigt sind. Als Namensanmassung wird nicht nur die unberechtigte Verwendung des vollen Namens, sondern schon die Übernahme des Hauptbestandteils eines solchen betrachtet. Entscheidend ist, ob eine allfällige Verwechslungsgefahr des in Frage stehenden Zeichens mit dem Namen besteht (BGE 116 II 469 E. 3a und b - Coca-Cola).
Der Name "Nicole Diem" hat in der Schweiz eine gewisse Bekanntheit und es besteht kaum Zweifel daran, dass interessierte Kunden unter dem Domain-Namen <nicolediem.ch> erwarten, dieser gehöre der Gesuchstellerin 1 bzw. 2, oder beiden. Zwar sind die Angebote unter dem strittigen Domain-Namen diejenigen der Gesuchstellerinnen, aber eine Beeinträchtigung und Verletzung des Namensrechtes der Gesuchstellerin 2 liegt gleichwohl vor, weil dieser die Kontrolle über ihren Domain-Namen ohne nachgewiesene "Rechtsfertigungsgründe" - entzogen wurde.
Es besteht auch eine Verletzung der Namensrechte der Gesuchstellerin 2.
Marken- bzw. UWG Verletzung
Die Gesuchstellerin 2 ist Inhaberin zweier aktiver Wortmarken NICOLE DIEM. Die Gesuchstellerinnen berufen sich aber nicht auf den Markenschutz, da kein kennzeichenmässiger Gebrauch der beiden Wortmarken durch die Gesuchsgegnerin vorliege. Stattdessen machen sie geltend, das Verhalten der Gesuchsgegnerin bei der Ausübung ihres Auftrags und insbesondere bei Übertragung des Domain-Namens auf sie selbst sei treu- und wettbewerbswidrig gewesen.
Der Experte ist nicht in der Lage, auf den nach dem Vortrag der Gesuchstellerinnen zwischen den Parteien im Hintergrund schwelenden Rechtsstreit einzugehen. Er verzichtet darauf, die einseitig vorgetragenen UWG Vorwürfe, die auf dem Hintergrund der zivilrechtlichen Beziehungen der Parteien zu prüfen sind, zu bewerten. Da aber ohnehin eine klare Verletzung von zwei Kennzeichenrechten gegeben ist, erübrigt sich die Prüfung auch unter Lauterkeitsaspekten.
(ii) Verteidigungsgründe
Gemäss Aktenlage besteht kein dargelegter Rechtsgrund, weshalb die Gesuchsgegnerin den Domain-Namen <nicolediem.ch> trotz der nachgewiesenen Verletzungen von Kennzeichenrechten weiterhin halten soll. Die Gesuchsgegnerin hat diesbezüglich nichts vorgebracht und auf eine Verteidigung ihres Standpunkts verzichtet.
(iii) Rechtsverletzung rechtfertigt die Übertragung
Die gemäss Akten vorliegenden Verletzungen von Kennzeichenrechten rechtfertigen die Übertragung des Domain-Namens <nicolediem.ch> von der Gesuchsgegnerin auf die Gesuchstellerinnen zu gemeinschaftlichem Eigentum.
7. Entscheidung
Aus den dargelegten Gründen entscheidet der Experte, den Domain-Namen <nicolediem.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerinnen zu übertragen.
Dr. Bernhard F. Meyer
Experte
Datum: 24. Dezember 2014