Gesuchstellerin ist die Swisscom Directories AG aus Zürich, Schweiz, vertreten durch Fuhrer Marbach & Partner, Schweiz.
Gesuchsgegnerin ist die GSOL//Gelbe Seiten online GmbH aus Wien, Österreich.
Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <gelbe-seiten-online.ch> (nachfolgend der „Domainname”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
Das Gesuch ging am 1. Mai 2015 schriftlich beim WIPO Schiedsgerichts- und Mediationszentrum (dem „Zentrum”) ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für „.ch” und „.li” Domainnamen („Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 5. Mai 2015 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass die Gesuchsgegnerin Inhaberin und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum wies die Gesuchstellerin am 14. Mai 2015 darauf hin, dass das Gesuch gemäss Paragraph 14(b) des Verfahrensreglements formelle Mängel aufweise. Gemäss Aufforderung des Zentrums reichte die Gesuchstellerin am15. Mai 2015 das Gesuch in elektronischer Form per E-Mail ein.
Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht. Am 20. Mai 2015 wurde das Gesuch ordnungsgemäss an die Gesuchsgegnerin zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Als Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung wurde der 9. Juni 2015 festgelegt.
Das Zentrum teilte den Parteien am 11. Juni 2015 mit, dass die Gesuchsgegnerin weder eine Gesuchserwiderung eingereicht noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum ihre Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht habe. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen.
Am 15. Juni 2015 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 3. Juli 2015 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
Die Gesuchstellerin ist eine Betreiberin von Telefonverzeichnissen und Inhaberin u.a. der schweizerischen Marke DIE GELBEN SEITEN Nr. P-430316 mit Prioritätsdatum 29. März 1995 für die Klassen 16 (Adress- und Telefonbücher, Adressetiketten, Adresslisten) und 38 (Übermittlung von Informationen über Telekommunikation).
Im Rahmen ihres Internetauftritts unter der Website „www.local.ch“ findet sich unter der Rubrik „Die Gelben Seiten“ ein Branchenbuch, welches den Besuchern erlaubt, in verschiedenen Kategorien nach Unternehmen zu suchen. Die Marke DIE GELBEN SEITEN bildet ferner einen Teil des Printauftritts der Gesuchstellerin (im Zusammenhang mit den in gelber Farbe gehaltenen Seiten der „Local Guides“).
Der streitige Domainname wurde am 2. August 2012 registriert und wird für ein Online-Branchenverzeichnis benutzt.
Die Gesuchstellerin hat zusammengefasst Folgendes vorgetragen:
Die Geschäftstätigkeit der Gesuchstellerin ist, wenn nicht identisch, doch mindestens hochgradig gleichartig mit der durch die Marke DIE GELBEN SEITEN benannten Waren und Dienstleistungen der Gesuchstellerin sowie mit deren Angebot auf der Website „www.local.ch“. Die Second Level Domain übernimmt die Marke DIE GELBEN SEITEN der Gesuchstellerin in ihren wesentlichen Elementen „gelb“ und „Seiten“. Diese ergänzt sie bloss durch den für Internetangebote generischen Begriff „online“. Damit ist das Kennzeichen der Gesuchsgegnerin mit der Marke der Gesuchstellerin offenkundig verwechselbar.
In einem Entscheid des Handelsgerichts Zürich vom 27. März 2001 wurde im Übrigen festgestellt, dass „Die Gelben Seiten“ für ein Branchenverzeichnis weder zum Gemeingut gehört noch freihaltebedürftig ist. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, welche an dieser Beurteilung aus aktueller Warte zweifeln lassen.
Die Verwendung des streitigen Domainnamens verstösst auch gegen Art. 2 und Art. 3 lit. d UWG. Die Gesuchsgegnerin kann keine sachlichen Gründe vorbringen, die ihre Wahl des streitigen Domainnamens rechtfertigen können. Vielmehr versucht sie, von der Bekanntheit der Marken der Gesuchstellerin zu profitieren, indem sie sich durch Hinzufügen des generischen Begriffs „online“ als Online-Angebot der Gesuchstellerin ausgibt. Es wäre ihr jedoch unbenommen gewesen, irgendeine Fantasiebezeichnung als Grundlage ihres Marktauftritts einzusetzen. In offensichtlich bösgläubiger Absicht zieht es die Gesuchsgegnerin jedoch vor, einen Domainnamen zu verwenden, welcher mit der Marke der Gesuchstellerin verwechselbar ist. Ein solches Vorgehen ist unlauter und verdient keinen Schutz.
Die Gesuchsgegnerin hat keine Gesuchserwiderung eingereicht.
Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der für die Schweiz geschützten Wortmarke DIE GELBEN SEITEN.
Entsprechend hat die Gesuchstellerin den Nachweis eines schweizerischen Kennzeichenrechts gemäss Paragraph 24(d)(i) des Verfahrensreglements ausreichend erbracht.
Das Schweizerische Bundesgericht hat in einem Leitentscheid festgehalten, dass Domainnamen in ihrer Funktion die dahinter stehenden Personen, Produkte bzw. Sachen oder Dienstleistungen identifizieren und deshalb vergleichbar seien mit Personennamen, Firmen oder Marken (vgl. BGE 126 III 244). Diese Kennzeichenfunktion von Domainnamen habe zur Folge, dass diese gegenüber absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten hätten (BGE 126 III 244-245).
Art. 13 Abs. 1 MSchG verleiht dem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, das die Rechte des Markeninhabers verletzt, z.B. indem es mit einer älteren Marke für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a-c MSchG). Marken sind also grundsätzlich in Abhängigkeit der Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die sie Schutz beanspruchen (sog. Spezialitätsprinzip; Aschmann/Noth, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz, Bern 2009, Art. 2 N 25).
Einleitend ist zu prüfen, ob die Marken der Gesuchstellerin allenfalls zum Gemeingut gehören und deshalb gemäss Art. 2 lit. a MSchG vom Markenschutz ausgeschlossen sind. Diesbezüglich hielt das Handelsgericht Zürich in einem Urteil vom 27. März 2001 (U/O/HG980292, abgedruckt in sic! 2001 639 ff.) fest, dass die Marke DIE GELBEN SEITEN im Zusammenhang mit Branchenverzeichnissen weder einen Teil des Gemeinguts bilde noch ein Freizeichen geworden sei. Das Gericht schützte u.a. den Anspruch der Klägerin (einer Rechtsvorgängerin der Gesuchstellerin) auf Unterlassung des Gebrauchs des Domainnamens „www.gelbe-seiten.ch“ durch den Betreiber eines Branchenverzeichnisses. Aus heutiger Sicht hat sich nichts am damaligen Befund des Handelsgerichts Zürich geändert. Die Gesuchstellerin kann sich somit auf ihre Markenrechte abstützen.
Im Zusammenhang mit dem oben dargelegten Spezialitätsprinzip sind im vorliegenden Fall die Dienstleistungen der Parteien (Online-Branchenverzeichnis) offensichtlich identisch.
Was die Verwechslungsgefahr betrifft, ist bei Domainnamen mit einer Länderendung nur die frei wählbare Second Level Domain massgebend, nicht aber die zwingende - und damit mangels Kennzeichnungskraft keine Unterscheidbarkeit begründende - Top Level Domain (vgl. das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 27. März 2001, sic! 2001 639, E. 3d). Es stehen sich somit die Kennzeichen DIE GELBEN SEITEN der Gesuchstellerin und „gelbe-seiten-online“ der Gesuchsgegnerin gegenüber. Das Kennzeichen der Gesuchsgegnerin unterscheidet sich durch das Weglassen des Artikels „der“, einer grammatikalisch erforderlichen Anpassung des Adjektivs „gelb“ („gelbe“ statt „gelben“), dem Zusatz „online“ sowie den zwei Bindestrichen zwischen den Bestandteilen.
Ein Artikel in einer Marke (hier: der Artikel „DIE“ in der Marke der Gesuchstellerin) bleibt im oft unpräzisen Erinnerungsbild des potenziellen Kunden nicht haften. Zudem ist er in keiner Weise unterscheidungskräftig, wird doch bei der Nennung des Produkts im sprachlichen Gebrauch die Marke ohnehin mit einem Artikel versehen werden (vgl. das Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 27. März 2001, sic! 2001 639, E. 3d). Bindestriche können bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ebenfalls keinen Einfluss haben. Die generische Endung „online“ schliesslich ist für die Dienstleistung der Gesuchsgegnerin (Online-Branchenbuch) direkt beschreibend und vermag keine nennenswerte Distanz zwischen dem streitigen Domainnamen und der Wortmarke der Gesuchstellerin zu schaffen. Es besteht somit eine erhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Kennzeichen der Parteien.
Der streitige Domainname verletzt aus den oben geschilderten Gründen in klarer Weise Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG. Damit muss nicht näher untersucht werden, ob das Verhalten der Gesuchsgegnerin unlauter ist im Sinne von Art. 2 und Art. 3 lit. d UWG.
Weil die Gesuchsgegnerin keine plausiblen Verteidigungsgründe vorgebracht hat, welche die Darstellungen der Gesuchstellerin widerlegen oder ihr eigenes legitimes Interesse begründen, befindet der Experte, dass die Verletzung der Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin nach dem Recht der Schweiz durch die Registrierung und Benutzung des streitigen Domainnamens seitens der Gesuchsgegnerin eine Übertragung des streitigen Domainnamens rechtfertigt.
Aus den vorstehenden Gründen entscheidet der Experte, dass der streitige Domainname <gelbe-seiten-online.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerin zu übertragen ist.
Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 24. Juli 2015