WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
Swissnet Telecommunication AG v. Wildhaber Informatik
Verfahren Nr. DCH2021-0004
1. Die Parteien
Die Gesuchstellerin ist Swissnet telecommunication AG, Schweiz, vertreten durch Rickenbach & Partner, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist Wildhaber Informatik, Schweiz.
2. Streitiger Domain-Name
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <swissnet.ch> (nachfolgend der „Domain-Name”).
Die Registerbetreiberin ist SWITCH. Der Registrar ist cyon GmbH.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 1. Februar 2021 per E-mail ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für „.ch” und „.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist.
Am 3. Februar 2021 bestätigte die Registerbetreiberin SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 8. Februar 2021 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 28. Februar 2021. Per E-Mail vom 28. Februar 2021, reichte der Gesuchsgegner eine Stellungnahme ein, wobei er dann am 2. März 2021 weiter mitteilte, er sei nicht mehr Inhaber des Domain-Namens. Darauf wies das Zentrum am 5. März 2021 hin, dass die Registerbetreiberin am 3. Februar 2021 bestätigt habe, der Gesuchsgegner sei Inhaber des Domain-Namens und stellte dem Gesuchsgegner eine neue Frist bis zum 9. März 2021 ein, um mitzuteilen, ob er bereit sei, an eine Schlichtung teilzunehmen.
Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 10. März 2021 mit, dass der Gesuchsgegner gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung nicht zum Ausdruck gebracht hat. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und beantragte diese am 19. März 2021.
Das Verfahren wurde in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 8. April 2021 Theda König Horowicz als Expertin. Die Expertin stellt fest, dass sie ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements ihre Unabhängigkeit erklärt.
4. Sachverhalt
Die Gesuchstellerin wurde am 6. Juli 2006 im Kanton Zug gegründet. Sie ist seit dem 22. Januar 2010 im Handelsregister des Kantons Schwyz eingetragen. Ihr Zweck ist insbesondere die Erbringung von Dienstleistungen in der Form von Entwicklung, Handel, Service, Beratung, Management sowie Marketing auf die Gebiete der Telekommunikation sowie Lizenzvermarktung und Lizenzverwertung.
Zur Zeit ihrer Gründung hat die Gesuchstellerin eine Schweizer Wort-Bild Marke SWISSNET TELECOMMUNICATION AG in den Klassen 36, 38 und 42 registriert. Diese Marke wurde 2016 nicht erneuert und am 13. März 2017 vom Eidgenössischem Institut für Geistiges Eigentum (IGE) gelöscht.
Die Gesuchstellerin ist seit dem 27. Februar 2020 Inhaberin der Schweizer Wort-Bild Marke SWISSNET in den Klassen 9, 38 und 42.
Der Internet-Auftritt der Gesuchstellerin erfolgt unter dem Domain-Namen <swissnet.ag> der am 5. Mai 2010 registriert wurde.
Der streitige Domain-Name wurde zum ersten Mal am 31. Januar 1996 registriert. Laut SWITCH wurde der Domain-Name am 29. Januar 2020 vom Gesuchsgeger registriert. Er wird gegenwärtig nicht benutzt.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchstellerin
Die Gesuchstellerin vertritt die Auffassung, dass der Gesuchsgegner den Bestandteil „swissnet” weder in seinem Handelsnamen noch auf andere Weise führt. Der streitige Domain-Name würde nicht für den eigenen Auftritt des Gesuchsgegners benutzt, sondern auf die Webseite „www.mhs.ch” weitergeleitet welche auf die GGA Maur Webseite führt. Der streitige Domain-Name sei jetzt nicht mehr verwendet. Die Gesuchstellerin weist weiter darauf hin, dass der Gesuchsgegner keine „swissnet” Marke eingetragen hat.
Durch die Registrierung des streitigen Domainnamen würde der Gesuchsgegner damit verhindern, dass die Gesuchstellerin ihre Marke über die Domain <swissnet.ch> ausüben kann, wobei der Gesuchsgegner damit die Markenrechte der Gesuchstellerin klar und erheblich verletzen würde.
Die Gesuchstellerin erklärt sie sei Inhaberin eines Zeichens gemäss Paragraph 1 des Verfahrensreglements, insbesondere durch ihren Firmennamen und ihrer Marke. Ihre eingetragene Marke hätte Vorrang auf den unbenutzten streitigen Domainnamen hat. Ausserdem geniesse die Gesuchstellerin Firmenschutz gemäss Artikel 956 OR.
B. Gesuchsgegner
Der Gesuchsgegner weist darauf hin, dass der Domain-Name erstmalig am 31. Januar 1996 registriert wurde, deutlich vor dem Zeitpunkt der Markeneintragung der Gesuchstellerin. Ausserdem könne eine Domain auch dann aktiv genutzt werden, wenn keine Website aufgeschaltet ist. Es gäbe aktive Services, diese seien einfach nicht direkt sichtbar. Der Gesuchsgegner weist auch darauf hin, dass er ein Kaufangebot des Domain-Namens überprüfen würde.
6. Entscheidungsgründe
Gemäss Paragraph 24(a) des Verfahrensreglements hat der Experte über das Gesuch unter Einhaltung des Verfahrensreglements und anhand des Vorbringens beider Parteien und den eingereichten Schriftstücken zu entscheiden. Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, welches dem Gesuchsteller nach schweizerischem oder liechtensteinischem Recht zusteht. Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine solche Verletzung insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.
A. Die Gesuchstellerin ist Inhaber eines Kennzeichenrechts nach dem Recht der Schweiz
Die Gesuchstellerin hat erwiesen, dass sie in der Schweiz seit 2006 im Handelsregister als Swissnet telecommunication AG registriert ist.
Die Gesuchstellerin ist auch seit 2020 Inhaberin eine Schweizer Wort-Bild Marke die „swissnet” beinhält.
Die erste Bedingung des Verfahrensreglements ist somit erfüllt.
B. Die Zuteilung oder Verwendung des streitigen Domainnamens durch den Gesuchsgegner stellt nach dem Recht der Schweiz eine klare Verletzung der geltend gemachten Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin dar
Markenrecht
Artikel 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben („MSchG”) verleiht einem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Artikel 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, welches die Rechte des Markeninhabers verletzt, indem es mit einer älteren Marke für gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich ist, sodass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt (Artikel 3 Abs. 1 lit. a bis c MSchG).
Der streitige Domain-Name wurde erstmals 1996 eingetragen. Es besteht jedoch keine Information darüber, in welchem Namen diese Registrierung erfolgte. Die Registerbetreiberin hat angegeben, dass der Gesuchsgegner den Domain-Namen am 29. Januar 2020 registriert habe. Diese Tatsache wurde nicht von dem Gesuchsgegner bestritten.
Wie dem auch sei, wurde die Wort-Bild Marke der Gesuchstellerin später, am 27. Februar 2020 in der Schweiz eingetragen. Ihr Markenrecht kommt also nicht in Betracht, da eine Markenrechtsverletzung nicht mit dem vorherigen Domainnamen erfolgen kann.
Firmenrecht
Die Gesuchstellerin wurde am 6. Juli 2006 im Kanton Zug gegründet. Sie ist seit dem 22. Januar 2010 im Handelsregister des Kantons Schwyz eingetragen.
Die im Handelsregister eingetragenen und im SHAB veröffentlichten Handelsgesellschaften geniessen den Firmenschutz gemäss Art. 956 Abs. 1 OR. Des Weiteren kann sich gemäss dem Schweizerischen Bundesgericht ein Firmeninhaber auf ein Exklusivrecht berufen, sofern ein Domain-Name mit dem Firmenname verwechselbar ist (BGE 125 III 91, vgl. auch Hotel Appenzell gegen XY, WIPO Verfahren Nr. DCH2015-0013, 6.C.a und Casino Bad Ragaz AG gegen Zimat AG, WIPO Verfahren Nr. DCH2010-0035, 7.B.1).
Der streitige Domain-Name ist mit dem massgeblichen Teil „swissnet” der Firma der Gesuchstellerin identisch.
Es stellt sich jedoch die Frage ob der streitige Domain-Name, der inaktiv ist, das Firmenrecht der Gesuchstellerin verletzt, bzw. verletzen kann.
Allgemein ist die Lehre und Rechtsprechung der Auffassung, dass nur ein aktiver Domain-Name Firmenrechte verletzen kann (siehe sic! 2012 – Alain Alberini, Kevin Guillet, L’incidence du contenu du site Internet dans les litiges en matière de noms de domaine, S. 305-315). Eine Verletzung kann jedoch auch im Fall eines inaktiven Domain-Namens erfüllt sein, wenn die Rechte des Gesuchstellers lediglich gefährdet oder mit Schaden bedroht sind bzw. aufgrund der Umstände eine Schädigung erwartet werden kann (BSK OR-ALTENPOHL, Art. 956 N 9). Es ergibt sich also aus diesem Grundsatz, dass Art. 956 par. 2 OR anwendbar ist, wenn es beweisbar ist, dass der noch inaktive Domain-Name kurzfristig mit einer Webseite benutzt wird (siehe sic! 2012 -–Alain Alberini, Kevin Guillet, L’incidence du contenu du site Internet dans les litiges en matière de noms de domaine, S. 305-315).
Es gibt keinen offensichtlichen Beweis dafür, dass der Gesuchsgegner den streitigen Domain-Namen in Kürze in Zusammenhang mit einer Webseite verbinden wird und dass der Name SWISSNET auf einer solchen Webseite auch als Firmenname benutzt wird. Der Gesuchsgegner hat jedoch in seiner Stellungnahme angegeben „es gäbe aktive Services, diese seien einfach nicht direkt sichtbar”, was auf eine Benutzung bzw. baldige Benutzung eher hindeutet.
Wie dem auch sei, kann die Frage einer klaren Verletzung des Firmenrechts hier offenbleiben, wegen des Namensrechtes der Gesuchstellerin.
Namensrecht
Neben den Firmennamen kann auch Namensschutz gemäss Art. 29 par. 2 ZGB geltend gemacht werden, insbesondere wenn der massgebende Teil des Namens von einem Dritten als Domain-Namen benutzt wird (siehe I. Cherpillod, in Commentaire Romand – Code des Obligations II, 2. Ausgabe, Basel 2017, ad art. 956 CO N 16).
Gemäss Art. 29 par. 2 ZGB, wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung so wie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
Die Rechtsprechung hat diesbezüglich festgehalten, dass die Identifikationsfunktion der Domain Namen zur Folge hat, dass diese sich ausreichend von den durch ein absolutes Recht wie das Namensrecht geschützten Kennzeichen Dritter unterscheiden müssen; es genügt, wenn nur der massgebliche Teil des Namens von einem Dritten übernommen wird, damit es zu einer Verwechslungsgefahr kommen kann. (ATF 128 III 353).
In diesem Fall, ist offensichtlich „swissnet” der massgebliche Teil des Namens Swissnet telecommunication ag. Die Gesuchstellerin kann also Namensrechte bezüglich „swissnet” geltend machen.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der Inhalt einer Webseite im Fall einer Namensrechtverletzung nicht ausschlaggebend ist (ATF 128 III 353, ATF 128 III 401). Alleine die Registrierung eines Domainnamens kann also genügen, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Diesbezüglich bemerkt die Expertin, dass der streitige Domain-Name den Hauptteil des Namens der Gesuchstellerin beinhält, d.h. SWISSNET, Name unter dem die Gesuchstellerin auch auf dem Internet auftritt durch ihre Webseite die unter den Domain-Namen <swissnet.ag> hervorgerufen werden kann.
Ausserdem sind die Parteien in einem ähnlichen Bereich tätig. Die Gesuchstellerin ist im Bereich der Telekommunikation aktiv, wobei sie auch Leistungen im Bereich des Internets anbietet. Der Gesuchsgegner ist im Bereich der Informatik tätig.
Darüber hinaus sind beide Parteien im Raum der Deutschschweiz aktiv, so dass ein Internet Benutzer leicht durch den streitigen Domainnamen irregeführt werden kann.
Aus diesen Gründen, ist die Expertin der Auffassung, dass es zu einer Verwechslungsgefahr kommen kann und dass, der streitige Domain-Name den Namensrecht der Gesuchstellerin verletzt.
7. Entscheidung
Gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements gibt die Expertin dem Gesuch statt und entscheidet, dass der Domain-Name <swissnet.ch> an die Gesuchstellerin übertragen wird.
Theda König Horowicz
Expertin
Datum: 17. Mai 2021