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WIPO Arbitration and Mediation Center

EXPERTENENTSCHEID

DekaBank Deutsche Girozentrale v. H.S. Verfahren Nr. DCH2021-0006

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist DekaBank Deutsche Girozentrale, Deutschland, vertreten durch Grünecker Patent- und Rechtsanwälte PartG mbB, Deutschland.

Der Gesuchsgegner ist H.S., Vereinigtes Königreich.

2. Streitige Domain-Namen

Gegenstand des Verfahrens sind die Domain-Namen <deka-finance.ch> sowie <dekafinance.ch> (nachfolgend die „Domain-Namen”).

Die Registerbetreiberin ist SWITCH. Der Registrar ist Openprovider – Hosting Concepts B.V.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 16. Februar 2021 per E‑Mail ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domain-Namen (das “Verfahrensreglement”), welches am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist.

Am 17. Februar 2021 teilte die Registerbetreiberin SWITCH mit, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson der Domain-Namen ist. Das Zentrum stellte am 22. Februar 2021 fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements nicht entspricht und setzte der Gesuchstellerin Frist zur Behebung der formalen Mängel. Die Gesuchstellerin behob diese Mängel innert Frist.

Am 1. März 2021 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 21. März 2021. Am 1. März 2021 kontaktierte der Registrar das Zentrum per E-Mail. Er bat um eine englische Version des Gesuchs für die Weiterleitung an den Gesuchsgegner. Das Zentrum teilte dem Registrar mit E-Mail vom 3. März 2021 mit, dass der Gesuchsgegner dafür das Zentrum direkt kontaktieren sollte. Am 2. März 2021 nahm der Gesuchsgegner das auf dem postalischen Weg zugestellte Gesuch in Empfang.

Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 22. März 2021 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und beantragte diese am 23. März 2021.

Das Verfahren wurde in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 26. März 2021 Dr. Jonatan Baier als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

Mit E-Mail vom 3. April 2021 – und damit nach der Frist zur Einreichung einer Gesuchserwiderung – zeigte der Gesuchsgegner dem Zentrum an, dass er unter anderem geschäftlich nichts mit den Aktivitäten der Gesuchstellerin gemein habe.

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Deutschland, welches seit 1918 Finanzdienstleistungen für Anleger anbietet. Die Gesuchstellerin ist im Bankensektor tätig und international mit Niederlassungen, Tochtergesellschaften und Repräsentanzen in elf Ländern vertreten. Die Gesuchstellerin ist Inhaberin des Domain-Namens <deka.de>, über den sie ihren Kunden und Geschäftspartnern Informationen zu ihren Finanzdienstleistungen verbreitet und dafür wirbt.

Am 7. Dezember 2004 wurde die Marke DEKA durch die Gesuchstellerin mit Schutzwirkung für die Schweiz registriert (International Registration No. 842638; Prioritätsdatum 24. März 2000; Basic Registration No. 399 70 453.1/36). Die Marke DEKA ist in der Schweiz für die Dienstleistungen der Klasse 36 geschützt, das sind: „Financial affairs, monetary affairs, real estate affairs”.

Am 1. Oktober 2013 wurde die Marke DEKA INSTITUTIONELL durch die Gesuchstellerin mit Schutzwirkung für die Schweiz registriert (International Registration No. 1183045; Prioritätsdatum 6. August 2013; Basic Registration No. 30 2013 035 732.9/36). Die Marke DEKA INSTITUTIONELL ist in der Schweiz für die Dienstleistungen der Klasse 36 geschützt, das sind: „Financial affairs, in particular investment business; monetary affairs; real estate affairs; insurance”.

Die streitigen Domain-Namen wurden am 14. Dezember 2020 im Namen des Gesuchsgegners registriert und sind derzeit inaktiv.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin trägt vor, sie sei Inhaberin der international registrierten Marke mit Schutzwirkung für die Schweiz. Zudem sei sie Inhaberin der Firma und des Handelsnamens "Deka" und "DekaBank". Die Gesuchstellerin argumentiert, die streitigen Domain-Namen beinhalten das geschützte Zeichen der Gesuchstellerin identisch. Ausserdem läge Gleichartigkeit der von der Marke der Gesuchstellerin und der unmissverständlichen Bezugnahme der streitigen Domain-Namen mittels des Zusatzes „Finance” zum identischen Wirtschaftssektor sowie den von den Marken der Gesuchstellerin geschützten Dienstleistungen im Finanzbereich. Die Domain-Namen enthielten automatische Weiterleitungen und verlinkten z.B. auf «www.deka.de/privatkunden», sie sind aber zurzeit inaktiv. Die Verwendung der streitigen Domain-Namen verletze damit die Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin, weil damit die falsche Vorstellung einer Verbindung zwischen den streitigen Domain-Namen und der Gesuchstellerin hervorgerufen werde.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner hat innert Frist keine Gesuchserwiderung eingereicht. Ausserdem hat er auf keine andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht.

Mit E-Mail vom 3. April 2021 teilte der Gesuchsgegner auf Englisch dem Zentrum mit, dass er geschäftlich nichts mit den Aktivitäten der Gesuchstellerin gemein habe. In diesem Zusammenhang wies der Gesuchsgegner auf verschiedene andere Verwendungen des Wortlauts „Deka” hin, wie insbesondere im Domain-Namen <deka‑fenster.de> sowie in 274 weiteren Firmennamen, die der Gesuchsgegner im Handelsregister des Vereinigten Königreichs („Companies House”) gefunden hatte. Weiter zeigte der Gesuchsgegner dem Zentrum an, dass seine Firma derzeit nicht aktiv sei bzw. keine Aktivitäten im Sinne der Gesuchstellerin betreibe.

6. Entscheidungsgründe

A. Grundlage

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung der streitigen Domain-Namen eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das der Gesuchstellerin nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Unter Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements finden sich folgende Erläuterungen:

Eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts liegt insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domain-Namens rechtfertigt.

B. Vorbemerkungen

Der Gesuchsgegner versäumte es, eine Gesuchserwiderung innert der angesetzten Frist einzureichen. Nichtsdestotrotz hat der Experte die in der E-Mail vom 3. April 2021 gemachten Ausführungen des Gesuchsgegners – sofern vorliegend relevant – berücksichtigt.

C. Die Gesuchstellerin ist Inhaberin eines Kennzeichenrechts nach dem Recht der Schweiz

Die Gesuchstellerin hat bewiesen, dass sie Inhaberin der Marke DEKA mit Schutzwirkung für die Schweiz ist und somit ein Kennzeichenrecht nach dem Recht der Schweiz im Sinne des Verfahrensreglements hat.

D. Die Zuteilung oder Verwendung der streitigen Domain-Namen durch den Gesuchsgegner stellt nach dem Recht der Schweiz eine Verletzung der geltend gemachten Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin dar

Art. 13 Abs. 1 MSchG verleiht dem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, das die Rechte des Markeninhabers verletzt, z.B. indem es mit einer älteren Marke für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a-c MSchG). Marken sind also grundsätzlich in Abhängigkeit der Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die sie Schutz beanspruchen (sog. Spezialitätsprinzip; Aschmann/Noth, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz (MSchG), Bern 2017, Art. 2 N 30).

Das Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domain-Namen eine Kennzeichnungsfunktion haben und gegenüber den absolut geschützten Kennzeichen Dritter den gebotenen Abstand einzuhalten haben, um Verwechslungen zu vermeiden (vgl. BGE 126 III 239 E. 2b/c). Eine Verwechslungsgefahr besteht gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts, sobald es aufgrund der relevanten Kriterien (Schriftbild, Wirkung, Sinngehalt) und aufgrund der Gleichartigkeit des Angebots an Dienstleistungen bei den Benutzern des Internets zu Verwechslungen kommen kann. Dass Verwechslungen tatsächlich stattgefunden haben, ist nicht Voraussetzung (BGE 128 III 401 E. 5). Codierungen wie country code Top-Level Domains (“ccTLD”) wirken beschreibend und tragen wenig bis nichts zur Unterscheidungskraft von Marken bei (Aschmann, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz (MSchG), Bern 2017, Art. 2 lit. a N 146).

Die Marke der Gesuchstellerin wurde 16 Jahre vor den gegenständlichen Domain-Namen registriert. Die streitigen Domain-Namen <dekafinance.ch> und <deka-finance.ch> geben die Marke DEKA der Gesuchstellerin vollständig wieder und unterscheiden sich einzig durch den Zusatz „finance” bzw. „-finance” sowie die abweichende “.ch” ccTLD.

Im Zusammenhang mit dem oben dargelegten Spezialitätsprinzip nehmen im vorliegenden Fall die streitigen Domain-Namen Bezug auf den identischen Sektor des Finanzbereichs, in welchem die Gesuchstellerin tätig ist und für den zugunsten der Gesuchstellerin die ausschliesslichen Rechte am Kennzeichen DEKA bestehen. Die Erweiterung um den Zusatz „finance” bzw. „-finance” vermag keine nennenswerte Distanz zwischen den streitigen Domain-Namen und der Wortmarke der Gesuchstellerin sowie dem Domain-Namen der Gesuchstellerin (<deka.de>) zu schaffen. Auch die abweichende ccTLD reicht nicht aus, um die Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Es besteht die Gefahr, dass Nutzer, welche die Webseite der Gesuchstellerin besuchen möchten, ungewollt auf die Domain-Namen des Gesuchsgegners zugreifen, die auf gleichartige Finanzdienstleistungen hinweisen. Die streitigen Domain-Namen schaffen damit eine Verwechslungsgefahr zur Marke und zur Webseite der Gesuchstellerin.

Die Domain-Namen sind zurzeit inaktiv. Dass diese jedoch zeitweise benutzt wurden und Weiterleitungen enthielten, wurde durch den Gesuchsgegner nicht bestritten.

Die Registrierung und Benutzung der streitigen Domain-Namen durch den Gesuchsgegner verstösst aus den oben geschilderten Gründen gegen Art. 13 MSchG und stellt nach dem Recht der Schweiz folglich eine Verletzung der geltend gemachten Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin dar.

Der Gesuchsgegner bringt keine substantiierten Verteidigungsgründe vor, welche die Darstellungen der Gesuchstellerin widerlegen oder sein eigenes legitimes Interesse begründen. Irrelevant ist die Aussage des Gesuchsgegners, dass er geschäftlich nichts mit den Aktivitäten der Gesuchstellerin gemein habe. Ebenfalls keine gültigen Verteidigungsgründe ergeben sich aus dem unbelegten Verweis des Gesuchsgegners, dass der Wortlaut „deka” ausserhalb der Schweiz auch auf verschiedene andere Arten verwendet wird – wie beispielsweise bei Firmennamen im Vereinigten Königreich. Somit entscheidet der Experte, dass die Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin durch die Registrierung der Domain-Namen durch den Gesuchsgegner eine Übertragung der Domain-Namen rechtfertigt.

Angesichts der klaren Verletzung des Markenrechts muss nicht weiter untersucht werden, ob auch der Firmenschutz der Gesuchstellerin beeinträchtigt ist.

7. Entscheidung

Gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt und entscheidet, dass die Domain-Namen <dekafinance.ch> und <deka-finance.ch> und an die Gesuchstellerin zu übertragen sind.

Dr. Jonatan Baier
Experte
Datum: 9. April 2021