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DE045-j

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BGH, 15.10.2020, I ZR 147/18 - Querlieferungen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

I ZR 147/18                                                              Verkündet am: 15. Oktober 2020

 

in dem Rechtsstreit

 

Querlieferungen

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Schaffert und Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Odörfer

für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Juli 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand:

 

(1) Die Klägerin ist eine Konzerngesellschaft der C. Group, die Duftwässer herstellt und vertreibt. Die ebenfalls zu diesem Konzern gehörende C. B.V. ist Inhaberin der Unionsmarke Nr. 002786713 JOOP! (Klagemarke), die Schutz für Parfümerien beansprucht.

(2) Die C. Group bedient sich für den Vertrieb ihrer Waren eines selektiven Systems. Der von der Klägerin verwendete Muster-Depotvertrag, in dem die Händler als „Depositäre“ bezeichnet werden, enthält unter anderem folgende Regelungen:

 

Art. 2 Selektionskriterien

2.6 Mindesteinkäufe

2.6.1 (Die Klägerin) investiert ständig in Forschung und Entwicklung, platziert Produktneuheiten und investiert in Verkaufsunterstützung und Werbung. Als Nutznießer dieser Aktivitäten wird vom Depositär ein Nachweis eigener Verkaufsanstrengungen durch Erreichung eines jährlichen Mindestumsatzes erwartet. Die Standarduntergrenze dieses Mindesteinkaufs beträgt 40% der durchschnittlichen Einkäufe sämtlicher Depositäre im gleichen Absatzmarkt. ...

2.6.2 Für die Berechnung des Mindesteinkaufs zählen nur solche Einkäufe des Depositärs, die dieser direkt bei (der Klägerin) für sich selbst getätigt hat. Ebenfalls für die Mindesteinkäufe nicht berücksichtigungsfähig sind solche Einkäufe, die später an andere Depositäre weiterveräußert worden sind.

...

Art. 5 Verkaufsbeschränkungen und Verkaufskontrolle

...

5.2 Verkaufsbeschränkung auf den Endverbraucher

Der Depositär ist nur dazu berechtigt, die Produkte an Endverbraucher und zu keinem anderen Zweck als für den Privatgebrauch (einschließlich Geschenke) abzugeben. ... Der Depositär darf deshalb die Produkte nicht in größeren Mengen als Haushaltsmengen (drei gleiche Produkte pro Verkauf) abgeben. Der Depositär ist ferner nicht dazu berechtigt, die Produkte an Adressen außerhalb des geografischen Raums des Europäischen Wirtschaftsraums ... zu veräußern. Einem Weiterverkauf oder einem Inverkehrbringen der Vertragsprodukte, die nicht den vorstehenden Bedingungen entsprechen, stimmt (die Klägerin) ausdrücklich nicht zu.

5.3 EU-Klausel

Als Ausnahme der Beschränkungen unter vorstehender Ziffer 5.2 ist der Depositär dazu berechtigt, die Produkte auch an andere Depositäre in irgendeinem Mitgliedstaat des EWR abzugeben. Des Weiteren ist der Depositär dazu berechtigt, die Produkte auch von anderen Depositären innerhalb des EWR für sich selbst einzukaufen. Jeglicher Einkauf und jeglicher Verkauf der Produkte, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, ist verboten. Insbesondere ist das Angebot und der Weiterverkauf von Produkten, die erstmals nicht innerhalb des EWR auf den Markt gebracht worden sind, sowohl als Vertragsverletzung als auch als Markenverletzung verboten.

5.4 Sorgfaltspflichten

Der Depositär verpflichtet sich, mit anderen Depositären nur unter den nachfolgenden Bedingungen Geschäfte abzuschließen:

5.4.1 Vor jeglichem Einkauf oder Weiterverkauf der Produkte von oder an einen anderen Depositär hat sich der Depositär zu vergewissern, dass die Produkte nicht das selektive Vertriebsnetz (der Klägerin) innerhalb des EWR verlassen. Insbesondere wird der Depositär (1) sich darüber versichern, ob es sich bei dem Einkäufer oder Lieferanten tatsächlich um einen autorisierten Absatzmittler (der Klägerin) handelt, (2) unverzüglich Kontakt mit (der Klägerin) aufnehmen, wenn in dieser Beziehung irgendwelche Zweifel verbleiben und (3) von jeglicher Auslieferung und jeglichen Einkauf absehen, solange darüber keine positive Klarheit geschaffen ist;

5.4.2 Der Depositär wird die Rechnungen und Lieferpapiere bezüglich eigener Einkäufe oder Weiterverkäufe für die Dauer eines Jahres zur Verfügung (der Klägerin) aufbewahren. (Die Klägerin) oder ein von (der Klägerin) Beauftragter sind dazu berechtigt, diese Unterlagen einzusehen, wenn (die Klägerin) Anlass zu der Vermutung hat, dass der Depositär entweder Einkäufe von oder Verkäufe an nicht-autorisierte Lieferanten/Abnehmer getätigt hat. Das gleiche gilt für den Einkauf von Lieferanten oder den Weiterverkauf an Abnehmer mit Geschäftssitz außerhalb des EWR.

5.5 Großhandelsschranke

Der Depositär wird als Einzelhändler autorisiert und wird dieses Geschäftsmodell während der Dauer des Depotvertrages umsetzen. Entsprechend ist er nicht dazu berechtigt, von den ihm unter Ziffer 5.3 dieses Depotvertrages eingeräumten Rechten in einem Umfang Gebrauch zu machen, die nach ihrem Umfang als Großhandelsgeschäft anzusehen sind. Ausgenommen sind isolierte Einzelgeschäfte außerhalb des regelmäßigen Geschäftsbetriebes des Depositärs.

5.6 Jährliche Verkaufsziele und Bonusleistungen

Die Parteien dieses Vertrages können jährliche Verkaufsziele, Verkaufsförderungsmaßnahmen, Einkaufsbedingungen, Gratifikationen, Bonuszahlungen sowie spezielle Verkaufsunterstützungsleistungen sowie andere Absprachen in einer Jahresvereinbarung festhalten. In einem solchen Fall bildet die schriftliche Jahresvereinbarung einen integralen Bestandteil dieses Depotvertrages. Die Auszahlung von Bonusleistungen, Rabatten und anderer Finanzunterstützung ist jedoch davon abhängig, dass der Depositär jederzeit und vollständig die Bedingungen dieses Depotvertrages erfüllt. Im Falle eines Vertragsbruches ist (die Klägerin) dazu berechtigt, zugesagte Bonusleistungen oder andere Unterstützungen nicht zu erbringen und/oder vom Depositär zurückzufordern.

 

(5) Die Beklagten gehören zum Amazon-Konzern. Ein Testkäufer der Klägerin bestellte am 23. November 2015 über den von der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1 technisch betriebenen Internetauftritt unter amazon.de bei der in Luxemburg ansässigen Beklagten zu 2 (im Folgenden nur: Beklagte) zwei Exemplare des Duftwassers „Joop! Homme/Man EdT, Vaporisateur 75 ml“, die die Beklagte an diesen lieferte.

(6) Die Klägerin hat behauptet, bei den von der Beklagten gelieferten Produkten handele es sich um Ware, die sie nach Dubai geliefert habe. Die Beklagte hat behauptet, sie habe sie von einem autorisierten Vertragshändler eines europäischen, zum Konzern der Klägerin gehörenden Unternehmens erworben.

(7) Die Klägerin hat - soweit noch von Bedeutung - nach erfolgloser Abmahnung beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union Duftwässer der Marke „Joop!“ anzubieten, zu verkaufen, in den Verkehr zu bringen und zum Zwecke des Inverkehrbringens zu besitzen, oder anbieten, verkaufen, in den Verkehr bringen oder zum Zwecke des Inverkehrbringens besitzen zu lassen, wenn die Duftwässer nicht vom Markeninhaber oder einem Dritten mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

(6) Außerdem hat sie die Beklagte auf ihr zu erteilende Auskünfte und auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

(7) Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I, Urteil vom 26. September 2017 - 33 O 691/16, juris). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, GRUR-RR 2019, 104 = WRP 2019, 1386).

(8) Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe:

 

(9) A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Deshalb habe das Landgericht zu Recht auch die Folgeansprüche zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

(10) Die Klägerin sei zur Geltendmachung der in Rede stehenden Ansprüche berechtigt, weil die Markeninhaberin sie ermächtigt habe, vor deutschen Zivilgerichten gegen Verletzungen der Klagemarke vorzugehen. Die Beklagte habe durch den Verkauf und die Lieferung zweier Exemplare „JOOP! Homme/Man EdT, Vaporisateur 75 ml“ an den Testkäufer die Klagemarke verletzt. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass hinsichtlich der von ihr verkauften Waren Erschöpfung eingetreten sei. Sie treffe die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Erschöpfung. Zwar komme eine Umkehr der Beweislast in Betracht, wenn die Beweisregel es dem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen. Davon sei jedoch nicht auszugehen. Die Klägerin betreibe allerdings ein selektives Vertriebssystem, das den Verkauf an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems verbiete. Dieses Verbot sei jedoch dahingehend eingeschränkt, dass Depositäre in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beliefert werden dürften. Eine tatsächliche Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte bestehe daher nicht. Die Beklagte sei der sie treffenden Darlegungslast nicht nachgekommen, weil sie ihre Bezugsquelle in der Europäischen Union nicht offenbart habe.

(11) B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu B I). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten gerichteten Klage nicht stattgegeben werden (dazu B II).

(12) I. Die Klage ist zulässig.

(13) 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 110/16, GRUR 2018, 516 Rn. 12 = WRP 2018, 461 - form-strip II; Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, GRUR 2018, 924 Rn. 12 = WRP 2018, 1074 - Ortlieb I; Urteil vom 7. November 2019 - I ZR 222/17, GRUR 2020, 647 Rn. 22 = WRP 2020, 730 - Club Hotel Robinson), folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte in Deutschland eine Niederlassung unterhält. Dies begründet die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 21 Rn. 4; Zöller/Geimer aaO Art. 7 EuGVVO Rn. 117 f.). Außerdem hat sich die Beklagte auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten rügelos eingelassen, so dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Brüssel-Ia-VO gegeben ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 924 Rn. 12 bis 18 - Ortlieb I).

(14) 2. Die Klägerin ist von der Markeninhaberin ermächtigt, den Unterlassungsanspruch und die Auskunftsansprüche im eigenen Namen in Prozessstandschaft geltend zu machen.

(15) a) Nach Art. 22 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke (GMV) und Art. 25 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Unionsmarke (UMV) kann der Lizenznehmer ein Verfahren wegen Verletzung einer Gemeinschaftsmarke oder Unionsmarke nur mit Zustimmung des Markeninhabers anhängig machen.

(16) b) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Bestätigungen der Markeninhaberin festgestellt, dass eine entsprechende Zustimmung der Markeninhaberin vorliegt. Die Revision erhebt insoweit keine Rügen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

(17) c) Das Berufungsgericht hat es allerdings versäumt, Feststellungen dazu zu treffen, ob die Klägerin Lizenznehmerin der Markeninhaberin ist. Diese Feststellungen können jedoch im Revisionsverfahren nachgeholt werden.

(18) aa) Die Prozessstandschaft der Klägerin, die vorliegend in Rede steht, betrifft eine Prozessvoraussetzung, deren Vorliegen das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 137/10, GRUR 2012, 630 Rn. 52 = WRP 2012, 824 - CONVERSE II; Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 106/11, GRUR 2013, 925 Rn. 25 = WRP 2013, 1198 - VOODOO).

(19) bb) Aus den im Rechtsstreit vorgelegten Schriftstücken ergibt sich nicht nur, dass die Markeninhaberin die Klägerin zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt hat, sondern auch, dass sie die Klägerin autorisiert hat, Produkte der Marke „JOOP!“ herzustellen und zu vertreiben. Dabei handelt es sich der Sache nach um eine Bestätigung der Markeninhaberin, dass sie der Klägerin eine Lizenz an der Klagemarke eingeräumt hat. Ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung der Klägerin zutrifft, dass sie tatsächlich Herstellerin und weltweite Vertreiberin von JOOP!-Produkten ist, ist für die Frage, ob ihr eine Lizenz erteilt worden ist, ohne Bedeutung.

(20) II. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünden die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Erstattung von Abmahnkosten zu. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin berechtigt ist, alle mit der Klage geltend gemachten Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen (dazu B II 2). Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Beklagte die Klagemarke verletzt hat (dazu B II 3). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, dass es der Beklagten verwehrt ist, sich auf eine Erschöpfung der Markenrechte zu berufen (dazu B II 4).

(21) 1. Soweit die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. November 2017 - I ZR 160/16, GRUR 2018, 541 Rn. 12 = WRP 2018, 429 - Knochenzement II, mwN). An die Stelle der im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung im November 2015 geltenden Art. 102 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV sind mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 die Regelungen der Art. 130 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV getreten. Für den Streitfall erhebliche Rechtsänderungen sind hiermit nicht verbunden. Art. 102 Abs. 1 Satz 1 GMV und Art. 130 Abs. 1 Satz 1 UMV regeln gleichermaßen, dass ein Unionsmarkengericht, das die Verletzung einer Unionsmarke feststellt, dem Beklagten die Fortsetzung der Verletzungshandlung verbietet, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen. Sowohl nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV als auch nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV umfasst das Markenrecht das Recht des Inhabers, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemeinschaftsmarke oder Unionsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Gemeinschaftsmarke oder Unionsmarke eingetragen ist.

(22) Dasselbe gilt für den von der Beklagten erhobenen Erschöpfungseinwand. Nach Art. 15 Abs. 1 UMV (Art. 13 Abs. 1 GMV) gewährt die Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von dem Inhaber oder mit dessen Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Die Erschöpfung tritt vorbehaltlich des Art. 15 Abs. 2 UMV (Art. 13 Abs. 2 GMV) hinsichtlich aller Handlungen ein, die nach Art. 9 Abs. 3 UMV (Art. 9 Abs. 2 GMV) eine Verletzung der Marke darstellen können.

(23) Für die der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen dienenden Auskunftsansprüche und den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es allein auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme des beanstandeten Verhaltens an (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 - I ZR 187/16, GRUR 2018, 832 Rn. 45 = WRP 2018, 950 - Ballerinaschuh; Urteil vom 28. Juni 2018 - I ZR 221/16, GRUR 2019, 76 Rn. 8 = WRP 2019, 77 - beauty for less; Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 64/17, GRUR 2018, 1044 Rn. 9 = WRP 2018, 1202 - Dead Island). Maßgeblich sind danach für die Auskunftsansprüche Art. 102 Abs. 1 Satz 2 GMV in Verbindung mit § 125b Nr. 2 und § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung und für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten die §§ 670, 683, 677 BGB (BGH, Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 61/18, GRUR 2019, 953 Rn. 15 = WRP 2019, 1186 - Kühlergrill).

(24) 2. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin berechtigt ist, alle in Rede stehenden Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.

(25) a) Die Klägerin ist nach Art. 22 Abs. 3 Satz 1 GMV und Art. 25 Abs. 3 Satz 1 UMV als Lizenznehmerin berechtigt, für den Fall der Verletzung der Klagemarke Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte im eigenen Namen geltend zu machen.

(26) b) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin berechtigt ist, von der Beklagten die Erteilung der begehrten Auskünfte zu verlangen.

(27) aa) Dem Lizenznehmer steht nach der Rechtsprechung des Senats kein eigener Schadensersatzanspruch zu. Vielmehr kann der Lizenzgeber als Markeninhaber im Wege der Drittschadensliquidation einen dem Lizenznehmer entstandenen Schaden geltend machen oder der vom Markeninhaber zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigte Lizenznehmer den Schadensersatzanspruch des Lizenzgebers einklagen, wobei im letztgenannten Fall Zahlung an den Markeninhaber beantragt werden muss (vgl. BGH, GRUR 2013, 925 Rn. 57 - VOODOO, mwN; BGH, Urteil vom 30. Juli 2015 - I ZR 104/14, GRUR 2015, 1223 Rn. 50 = WRP 2015, 1501 - Posterlounge). Auf Leistung an sich selbst kann der Lizenznehmer nur klagen, wenn der Markeninhaber zusätzlich zur Zustimmung nach Art. 22 Abs. 3 Satz 1 GMV und Art. 25 Abs. 3 Satz 1 UMV auch eine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung erteilt oder seinen Schadensersatzanspruch an den Lizenznehmer abgetreten hat (vgl. BGH, GRUR 2012, 630 Rn. 51 - CONVERSE II).

(28) bb) Das Bestehen einer solchen Ermächtigung oder Abtretung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine Ermächtigung des Markeninhabers zur Prozessführung wie diejenige, die die Klägerin im Rechtsstreit vorgelegt hat, enthält regelmäßig keine schlüssige Einziehungsermächtigung. Der Annahme eines solchen Regel-Ausnahme-Verhältnisses stehen die berechtigten Interessen des Markeninhabers entgegen, dass ohne seine Zustimmung die Leistung nicht an den Lizenznehmer bewirkt werden darf (vgl. BGH, GRUR 2012, 630 Rn. 51 - CONVERSE II).

(29) cc) Der Auskunftsanspruch dient der Vorbereitung der Bezifferung des Schadens und teilt das rechtliche Schicksal des Schadensersatzanspruchs (BGH, GRUR 2015, 1223 Rn. 50 - Posterlounge). Da nicht festgestellt ist, dass die Markeninhaberin die Klägerin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ermächtigt hat, kann auch nicht beurteilt werden, ob die Klägerin berechtigt ist, die Ansprüche auf eine ihr gegenüber zu erteilende Auskunft über Name und Anschrift des Vorlieferanten der Produkte, die Gegenstand des Testkaufs gewesen sind, und über die Menge der von diesem Vorlieferanten bestellten, erhaltenen und in der Bundesrepublik Deutschland ausgelieferten Waren sowie über die dafür gezahlten Preise, geltend zu machen.

(30) 3. Die Beklagte hat ohne Zustimmung der Markeninhaberin ein mit der Klagemarke identisches Zeichen für identische Waren im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV) verwendet.

(31) a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte an den Testkäufer der Klägerin zwei Exemplare „JOOP! Homme/Man EdT, Vaporisateur 75 ml“ geliefert hat. Die Beklagte hat damit den Tatbestand einer Markenverletzung unter dem Gesichtspunkt der Doppelidentität im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV und Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV verwirklicht. Die Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr mit der Klagemarke identische Zeichen für identische Waren verwendet, für die die Marke Schutz genießt.

(32) b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin oder die Markeninhaberin dieser Benutzung des Zeichens durch die Beklagte zugestimmt haben. Die Revision macht dies auch nicht geltend.

(33) c) Damit ist der Tatbestand der Markenverletzung erfüllt. Es kommt entgegen der Ansicht der Revision in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung der Klägerin zutrifft, bei den von ihr im Rechtsstreit vorgelegten Waren habe es sich um die von der Beklagten an den Testkäufer gelieferten Waren gehandelt. Dieser Umstand kann allenfalls für die Frage von Bedeutung sein, ob das Recht aus der Klagemarke an den in Rede stehenden Produkten erschöpft ist (siehe dazu unter D III, Rn. 59).

(34) 4. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Waren seien von der Markeninhaberin oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden und die daran bestehenden Markenrechte gemäß Art. 15 Abs. 1 UMV (Art. 13 Abs. 1 GMV) erschöpft. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erschöpfung beweisbelastet und habe diesen Beweis nicht geführt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(35) a) Im Streitfall ist nicht geklärt, in welchem Gebiet die streitgegenständlichen Waren erstmals durch die Markeninhaberin oder mit ihrer Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Nach der Darstellung der Klägerin sind die später bei der Beklagten erworbenen Waren zunächst nach Dubai geliefert worden. Die Beklagte behauptet, sie habe die an den Testkäufer der Klägerin versandten Produkte von einem autorisierten Vertragshändler eines europäischen C. -Unternehmens erworben. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

(36) b) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, dass grundsätzlich die Beklagte für die Voraussetzungen der Schutzschranke der Erschöpfung die Darlegungs- und Beweislast trägt. Steht wie im Streitfall fest, dass die Beklagte ohne Zustimmung der Markeninhaberin im geschäftlichen Verkehr mit den Klagemarken identische Zeichen für identische Waren verwendet hat, für die die Marken Schutz genießen, stellt dies eine Markenverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV (Art. 9 Abs. 2 Buchst. a UMV) dar, es sei denn, es handelt sich um Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind. Es obliegt der Beklagten der Nachweis dafür, dass diese Produkte unter dieser Marke durch die Markeninhaberin oder mit deren Zustimmung in der Europäischen Union beziehungsweise im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind (BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 26 - CONVERSE I; GRUR 2012, 630 Rn. 39 - CONVERSE II).

(37) c) Die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und 36 AEUV gebieten jedoch eine Modifizierung der allgemeinen Beweisregel, dass der wegen einer Markenrechtsverletzung in Anspruch genommene Beklagte für die Voraussetzungen der Erschöpfung darlegungs- und beweisbelastet ist, für den Fall, dass diese Beweisregel es einem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen 35 36 37 - 14 - (EuGH, Urteil vom 8. April 2003 - C-244/00, Slg. 2003, I-3051, GRUR 2003, 512 Rn. 38 - Van Doren + Q [stüssy]). Die Regelungen zur Erschöpfung der Markenrechte haben den Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen (zu Art. 7 MarkenRL aF: EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - C-427/93, Slg. 1996, I-3445 Rn. 40 = GRUR Int. 1996, 1144 - Bristol-Myers Squibb). Danach obliegt dem Markeninhaber insbesondere dann, wenn er seine Waren im Europäischen Wirtschaftsraum über ein ausschließliches Vertriebssystem in Verkehr bringt, der Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind, wenn der von ihm wegen Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommene Dritte nachweisen kann, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls er den Beweis der Erschöpfung zu erbringen hat (EuGH, GRUR 2003, 512 Rn. 42 - Van Doren + Q [stüssy]; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - I ZR 193/97, GRUR 2004, 156, 158 [juris Rn. 25] = WRP 2004, 243 - stüssy II; Urteil vom 3. Februar 2011 - I ZR 26/10, GRUR 2011, 820 Rn. 28 = WRP 2011, 1180 - Kuchenbesteck-Set; BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 30 - CONVERSE I; GRUR 2012, 630 Rn. 29 - CONVERSE II). Ein ausschließliches Vertriebssystem liegt vor, wenn es in den Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums jeweils (nur) einen Alleinvertriebsberechtigten gibt, der vertraglich verpflichtet ist, die in Rede stehende Ware nicht an Zwischenhändler zum Weitervertrieb außerhalb seines jeweiligen Vertragsgebiets abzugeben (BGH, GRUR 2004, 156, 158 [juris Rn. 26] - stüssy II). Zum Beweis der tatsächlichen Gefahr einer Marktabschottung bedarf es nicht des unmittelbaren Nachweises, dass der Markeninhaber eine (weitere) Marktabschottung tatsächlich beabsichtigt. Die tatsächliche Gefahr der Marktabschottung besteht schon dann, wenn der als Verletzer in Anspruch Genommene durch die Offenbarung seiner Bezugsquelle nachweisen müsste, dass er die in Rede stehende Ware innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums von einem Vertragshändler des Markeninhabers erworben hat und dem Vertragshändler der Weiterverkauf an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems untersagt ist. In diesem Fall spricht bereits die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass der Markeninhaber - schon um sein Vertriebssystem aufrechtzuerhalten - auf seinen Vertragshändler einwirken wird, derartige Lieferungen künftig zu unterlassen (vgl. BGH, GRUR 2004, 156, 158 [juris Rn. 27] - stüssy II; GRUR 2012, 626 Rn. 30 - CONVERSE I; GRUR 2012, 630 Rn. 30 - CONVERSE II).

(38) d) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zwar ausgegangen. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Darlegung der Gefahr einer Marktabschottung gestellt.

(39) aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, selektive Vertriebssysteme seien dadurch charakterisiert, dass sich der Anbieter verpflichte, die Vertragswaren unmittelbar oder mittelbar nur an anhand festgelegter Merkmale ausgewählte Händler zu verkaufen und sich diese verpflichteten, die betreffenden Waren nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen seien. Das Verbot des Weiterverkaufs an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems schotte für sich genommen lediglich das Vertriebssystem gegen Außenseiter ab. Werde ein selektives Vertriebssystem in einigen oder allen Mitgliedstaaten praktiziert, finde eine Abschottung der nationalen Märkte durch ein vertragliches Verbot nur statt, wenn den Vertragshändlern auch die Belieferung von Vertragshändlern in anderen Mitgliedstaaten untersagt sei. Dann würden innerhalb des Vertriebssystems nationale Schranken errichtet. Das hier in Rede stehende Vertriebssystem kenne nach Ziffer 5.2 des vorgelegten Depotvertrags zwar ein Verbot des Verkaufs an Außenseiter. Dieses Verbot erfahre indes durch die „EU-Klausel“ in Ziffer 5.3 eine entscheidende Einschränkung. Danach dürften Depositäre in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unter den in den Ziffern 5.4 und 5.5 aufgestellten Bedingungen beliefert werden. Die Klausel ermögliche den grenzüberschreitenden Warenverkehr im Binnenmarkt, so dass insoweit eine Abschottung der nationalen Märkte durch Verhinderung des grenzüberschreitenden Vertriebs der Waren im Binnenmarkt nicht vorliege. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(40) bb) Die Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht nicht nur, wenn der Markeninhaber seine Waren im Europäischen Wirtschaftsraum über ein ausschließliches Vertriebssystem in Verkehr bringt. Sie kann in gleicher Weise auftreten, wenn der Markeninhaber ein anderes Vertriebssystem unterhält, mit dem er ebenso verhindern kann, dass die in Rede stehenden Waren im Binnenmarkt grenzüberschreitend vertrieben werden. Hierzu kann auch ein selektives Vertriebssystem zählen (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 31 - CONVERSE I; BGH, Beschluss vom 5. März 2015 - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 27). Deshalb kann eine Beweislastumkehr zum Vorliegen der Voraussetzungen der Erschöpfung zum Schutz des freien Warenverkehrs auch bei einem selektiven Vertriebssystem in Betracht kommen (OGH, GRUR Int. 2018, 1192, 1194 bis 1195; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 24 Rn. 89; Thiering in Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 24 Rn. 53; Ekey in Ekey/Bender/FuchsWissemann, Markenrecht, 4. Aufl., § 24 MarkenG, Rn. 110; BeckOK.MarkenR/ Steudtner, 22. Edition [Stand: 1. Juli 2020], § 24 MarkenG Rn. 33.2).

(41) cc) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den zur Darlegung der Gefahr einer Marktabschottung erforderlichen Vortrag der Beklagten überspannt.

(42) (1) Hätte die Beklagte, wie sie behauptet, die in Rede stehenden Waren von einem Depositär der Klägerin erworben, wären die Markenrechte in Bezug auf diese Waren erschöpft und nicht verletzt. In diesem Fall hätte der die Beklagte beliefernde Depositär gegen den Depotvertrag verstoßen, weil ihm lediglich ein Verkauf an andere Depositäre, aber nicht an die Beklagte gestattet war. Müsste die Beklagte, um ein Unterliegen im Rechtsstreit zu vermeiden, ihre Bezugsquelle offenbaren, würde dies der Klägerin ein Vorgehen gegen diesen Depositär und eine Erhaltung ihres selektiven Vertriebssystems ermöglichen. Die Beklagte muss ihre Bezugsquelle allerdings nicht offenbaren, wenn die Gefahr besteht, dass das selektive Vertriebssystem zu einer Abschottung der nationalen Märkte und zur Beibehaltung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten führt. Das Bestehen einer solchen Gefahr hat die Beklagte darzulegen und zu beweisen.

(43) (2) Von einer Abschottung der nationalen Märkte kann nicht generell ausgegangen werden, wenn bei einem selektiven Vertriebssystem ein Verkauf an Außenseiter verboten ist. Die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte kann ausgeschlossen sein, wenn der Verkauf an Außenseiter verboten, aber Querlieferungen zwischen Vertriebspartnern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gestattet sind. Die Beklagte hat jedoch vorgetragen, dass Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen und diesen Vortrag unter Beweis gestellt. Sie hat außerdem dargelegt, dass die Bedingungen des Muster-Depotvertrags zwischen der Klägerin und ihren Vertriebspartnern geeignet sind, den Handel zwischen den Vertriebspartnern in verschiedenen Mitgliedstaaten zu beschränken.

(44) (3) Diesem Vortrag ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die durch das Verbot einer Lieferung an außerhalb des selektiven Vertriebssystems stehende Händler begründete tatsächliche Gefahr einer Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten dadurch beseitigt wird, dass Querlieferungen an Depositäre in anderen Mitgliedstaaten unter den im Muster-Depotvertrag genannten Bedingungen stattfinden und diese Querlieferungen zu einer Angleichung der Preise im Europäischen Wirtschaftsraum führen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Beklagten dargestellten Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten erlaubten keinen hinreichenden Rückschluss auf das Vorliegen von Abschottungsmaßnahmen der Klägerin, weil sie auch auf anderen Ursachen, wie etwa unterschiedlicher Wertschätzung der Produkte und damit unterschiedlichem Nachfrageverhalten, unterschiedlicher Kaufkraft oder unterschiedlicher Besteuerung beruhen könnten. Mit dieser Begründung kann eine Gefahr der Abschottung nationaler Märkte nicht verneint werden. Sollten, wie im Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten zu unterstellen ist, Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, begründet dies unter Berücksichtigung der Regelungen im Muster-Depotvertrag eine tatsächliche Vermutung für die Gefahr einer Marktabschottung.

(45) (4) Nach Ziffer 5.2 und Ziffer 5.3 des von der Klägerin verwendeten Muster-Depotvertrags ist der Depositär nur zur Belieferung von Endverbrauchern oder von anderen Depositären im Europäischen Wirtschaftsraum berechtigt. Nach der Großhandelsschranke in Ziffer 5.5 ist dem Depositär ferner die Lieferung größerer Mengen an andere Depositäre im Europäischen Wirtschaftsraum untersagt. Der Muster-Depotvertrag enthält außerdem in Ziffer 5.4.2 Satz 2 und Ziffer 5.6 Regelungen, die die Einhaltung des Verbots der Belieferung von Außenseitern sichern. Die Depositäre müssen für die Einhaltung der Selektionskriterien der Klägerin Mindesteinkäufe vornehmen. Bei diesen Mindesteinkäufen werden nach Ziffer 2.6.2 des Muster-Depotvertrags nur Einkäufe direkt bei der Klägerin berücksichtigt. Nicht berücksichtigt bei diesen Mindesteinkäufen werden Waren, die später an andere Depositäre veräußert werden.

(46) Es ist denkbar, dass ein derartiges Vertriebssystem die tatsächliche Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte begründet, beschränkend auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr wirkt und die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten begünstigt. Zwar lässt der Muster-Depotvertrag den Handel zwischen Depositären im Allgemeinen und zwischen Depositären in verschiedenen Mitgliedstaaten im Besonderen zu, unterwirft ihn jedoch mehreren Einschränkungen. Er kann zum einen nicht als Großhandel betrieben werden, zum anderen wird er sowohl für den verkaufenden als auch für den erwerbenden Depositär nicht bei der Erfüllung der Mindestumsatzvorgaben der Klägerin berücksichtigt. Derartige Einschränkungen können geeignet sein, den innergemeinschaftlichen Handel für die Depositäre wirtschaftlich so unattraktiv erscheinen zu lassen, dass eventuelle Preisunterschiede zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten fortbestehen.

(47) (5) Das Bestehen von Preisunterschieden und das von der Klägerin unterhaltene selektive Vertriebssystem, das eine Belieferung von Außenseitern verbietet und eine Belieferung von dem Vertriebssystem angehörenden Depositären in anderen Mitgliedstaaten nur unter einschränkenden Voraussetzungen erlaubt, begründen eine tatsächliche Vermutung, dass die nach dem Muster-Depotvertrag möglichen Querlieferungen zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Depositären infolge der vertraglichen Beschränkungen in der Realität nicht oder nicht in nennenswertem Umfang stattfinden können. Sollte die Beklagte beweisen, dass die von ihr behaupteten, erheblichen Preisunterschiede bestehen, kann das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte deshalb nicht verneint werden. In einem solchen Fall obliegt es der Klägerin, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen sowie darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Preisunterschiede auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Die vom Berufungsgericht in Erwägung gezogenen Gründe für solche Preisunterschiede bleiben im Bereich bloßer Spekulation und werden nicht durch entsprechende Feststellungen getragen.

(48) dd) Es widerspricht nicht den Wertungen des Kartellrechts, dass der Markeninhaber, der Waren über ein selektives Vertriebssystem vertreibt, bei bestehenden Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten und einer Beschränkung von Querlieferungen zwischen Vertriebspartnern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten wegen der Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte im Markenverletzungsstreit die Beweislast dafür trägt, dass die in Rede stehende Ware nicht mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist.

(49) Der Annahme der Gefahr einer Marktabschottung steht die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht entgegen, dass die Klausel, die es autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen, verbietet, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, wenn diese Klausel das Luxusimage dieser Waren sicherstellen soll, unter bestimmten Voraussetzungen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar ist (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - C-230/16, GRUR 2018, 211 = WRP 2018, 33 - Coty Germany). Ein solches Vertriebssystem kann gleichwohl die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte begründen, wenn es Querlieferungen an autorisierte Händler in einem anderen Mitgliedstaat beschränkt.

(50) Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken. Vereinbarungen, die ein selektives Vertriebssystem darstellen, beeinflussen den Wettbewerb im Binnenmarkt zwangsläufig (EuGH, GRUR 2018, 211 Rn. 23 - Coty Germany), sind aber an sich geeignet, die Qualität von Luxuswaren zu wahren und ihren richtigen Gebrauch zu gewährleisten (EuGH, GRUR 2018, 211 Rn. 26 bis 28 - Coty Germany). Ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, ist mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH, GRUR 2018, 211 Rn. 36 - Coty Germany).

(51) Diese Beurteilung hat auf die Frage, welche der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit die Beweislast für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Erschöpfung trägt, keinen Einfluss. Ein selektives Vertriebssystem ist kartellrechtlich zulässig, wenn es primär der Sicherstellung des Images von Luxuswaren dient. Ein solches selektives Vertriebssystem soll jedoch im Markenverletzungsstreit dem Markeninhaber nicht die Mittel an die Hand geben, die die Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte begründen und damit der Beibehaltung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten dienen. Eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs kann auch dann vorliegen, wenn die Schwelle zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit nicht überschritten ist. In diesem Fall ist eine Beweislastumkehr zum Schutz des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und 36 AEUV erforderlich (vgl. OGH, GRUR Int. 2018, 1192, 1194 f.).

(52) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung spricht gegen eine Umkehr der Beweislast daher nicht, dass die Klägerin berechtigt sein mag, den ihr wirtschaftlich verbundenen Vertriebshändlern qualitative Verkaufsbeschränkungen zum Schutz des Luxuscharakters ihrer Produkte aufzuerlegen und Verstöße gegen diese Beschränkungen wie den vertragswidrigen Verkauf an die Beklagte zu sanktionieren. Dies berechtigt die Klägerin nicht, Querlieferungen zwischen ihren Vertriebshändlern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten so einzuschränken, dass dies die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten begünstigt und damit die Gefahr einer Marktabschottung begründet.

(53) 5. Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Umkehr der Beweislast zu den Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 UMV (Art. 13 Abs. 1 GMV) eintritt, bedarf es nicht. Die Maßstäbe für diese Beurteilung sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urteil vom 16. November 2004 - C-245/02, Slg. 2004, I-10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 84 - Anheuser Busch [Budweiser Budvar]; Urteil vom 8. Juli 2010 - C-558/08, GRUR 2010, 841 Rn. 65 - Portakabin; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin vom 6. April 2006 - C-348/04, Slg. 2007, I-3391 Rn. 3 - Boehringer Ingelheim u. a.).

(54) C. Danach ist das angegriffene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.

(55) D. Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz wird auf Folgendes hingewiesen:

(56) I. Der Klägerin ist zunächst Gelegenheit zu geben, dazu vorzutragen, ob die Markeninhaberin ihr eine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung erteilt oder einen Schadensersatzanspruch an sie abgetreten hat, dessen Vorbereitung die geltend gemachten Auskunftsansprüche dienen.

(57) II. Das Berufungsgericht wird - auch wenn keine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung der Markeninhaberin bestehen sollte - zumindest bei der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch Feststellungen dazu zu treffen haben, ob ausnahmsweise die Klägerin die Beweislast dafür trifft, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung nicht vorliegen.

(58) Dabei wird es zunächst festzustellen haben, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass Preisunterschiede bei dem in Rede stehenden Produkt zwischen den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums bestehen. Sollte dies der Fall sein, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das von der Klägerin unterhaltene selektive Vertriebssystem eine tatsächliche Gefahr der Marktabschottung begründet und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten gefördert wird. In diesem Fall obliegt es der Klägerin, diese Vermutung zu widerlegen und gegebenenfalls darzulegen und zu beweisen, dass solche Preisunterschiede andere Ursachen als das von ihr betriebene selektive Vertriebssystem haben.

(59) III. Falls die weiteren Feststellungen ergeben, dass eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt ist, obliegt der Klägerin der Nachweis, dass die Waren ursprünglich von der Markeninhaberin oder mit ihrer Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht wurden. In diesem Fall kann es auch erforderlich werden, Beweis darüber zu erheben, ob die im Prozess vorgelegten Waren tatsächlich aus dem streitgegenständlichen Testkauf stammen.

 

Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 26.09.2017 - 33 O 691/16

OLG München, Entscheidung vom 19.07.2018 - 29 U 3493/17