Die Gesuchstellerin ist Raiffeisen Schweiz Genossenschaft aus St. Gallen, Schweiz, intern vertreten.
Der Gesuchsgegner ist Lucjan Misiag aus Rzeszow, Polen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <raiffeissen.ch> (nachfolgend der „Domainname”).
Die Domainvergabestelle ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 19. August 2016 per Email und am 24. August 2016 per Post ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.
Am 22. August 2016 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist und dass die Sprache der Registrierungsvereinbarung Deutsch ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 25. August 2016 wurde das Gesuch dem Gesuchsgegner ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 14. September 2016.
Am 25. August 2016 brachte der Gesuchsgegner informelle Kommunikation auf Englisch ein, übermittelte jedoch keine Gesuchserwiderung. Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 15. September 2016 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Der Gesuchsteller wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen und beantragte diese am 19. September 2016.
Am 21. September 2016 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt und das Zentrum bestellte am 21. September 2016 Peter Wild als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
Die Gesuchstellerin ist eine der grössten Banken der Schweiz und vor allem im Retail-Geschäft tätig. Sie hat am 22. August 1994 in der Schweiz die Wortmarke RAIFFEISEN, Marke Nr. 2P-411923 sowie die Wort-/Bildmarke “RAIFFEISEN, am 26. Mai 1998, Marke Nr. P-451754 in mehreren Klassen registriert. Am 1. Januar 1996 hat die Gesuchstellerin den Domainnamen <raiffeisen.ch> registriert und benutzt diesen seither für ihren Internetauftritt.
Der Gesuchsgegner hat den strittigen Domainnamen gemäß Auskunft über die Registrierungsdaten bei SWITCH am 6. April.2007 registriert.
Der strittige Domainname verweist auf eine Webseite, welche Links zu verschiedenen Finanzdienstleistern und -dienstleistungen auflistet, unter anderem auch zur Webseite der Gesuchstellerin und zu konkurrierenden Dienstleistern.
Die Gesuchstellerin sei Inhaberin von schweizerischen Kennzeichenrechten. Der strittige Domainname und das Schriftbild im entsprechenden Internetauftritt seien beinahe identisch mit dem Domainnamen <raiffeisen.ch> sowie mit den Marken der Gesuchstellerin. Damit verletzte der Gesuchsgegner Artikel 13 Markenschutzgesetz („MSchG“), Artikel 2 und Artikel Absatz 1 3 lit. d des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“), Artikel 29 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches („ZGB“) und Artikel 951 Abs. 2 des Obligationenrechts („OR“).
Der Gesuchgegner stehe weder zur Gesuchstellerin noch zu einer anderen (Gruppen-)Gesellschaft der Gesuchstellerin mit dem Namen “Raiffeisen” in einer Beziehung. Mit seinem unter <raiffeissen.ch> registrierten Domainnamen betreibe der Gesuchsgegner Typosquatting. Die Aktivitäten des Gesuchsgegners hätten auch direkt nachteilige Konsequenzen für die Gesuchstellerin. Die Verlinkung zum eigenen und zu Konkurrenzunternehmen führe zu Fehlzurechnungen und schädige die Reputation der Gesuchstellerin. Neben dem Markenrecht seien auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Firmen- und Namensrecht eine Grundlage für die Übertragung des strittigen Domainnamens.
Der Gesuchsgegner hat sich einzig informell geäussert und vorgebracht, dass er kein Deutsch verstehe.
Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.
Die Gesuchsterllerin hat bewiesen, dass sie Inhaberin der Schweizer Wortmarke „RAIFFEISEN“ ist und somit ein Kennzeichenrecht nach dem Recht der Schweiz im Sinne des Verfahrensreglements hat.
Die Gesuchstellerin beruft sich auf Artikel 13 MSchG, Artikel 15 MSchG; Artikel 2 und Artikel 3 lit. a und d UWG sowie dasRecht auf den Namen, Namensschutz,· Artikel 29 ZGB und den Schutz der Firma; Artikel 956 OR.
Artikel 13 MSchG verleiht dem Inhaber einer Marke das ausschliessliche Recht, diese zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen. Zudem bietet Artikel 13 MSchG Schutz gegen den Gebrauch identischer oder ähnlicher Zeichen durch Dritte zwecks Kennzeichnung gleicher oder gleichartiger Ware oder Dienstleistungen (Artikel 3 MSchG in Verbindung mit Artikel 13 MSchG). Eine Verwechslungsgefahr besteht gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts, sobald «mit der Verwendung eines ähnlichen oder gleichlautenden Namens fur einen Internet-Site durch einen schlechter Berechtigten die Gefahr von Fehlzurechnungen des Sites
geschaffen wird», (vgl. BGE 128 III 403).
Der Domainname <raiffeissen.ch> ist im Schriftbild praktisch identisch zur Marke und zum von der Gesuchstellerin registrierten Domainnamen <raiffeisen.ch>. Es besteht die Gefahr, dass Nutzer, welche die Homepage der Gesuchstellerin besuchen mochten, sich bei der Eingabe des Domainnamens aber vertippen, ungewollt auf die Homepage des Gesuchgegners zugreifen, wo identische oder gleichartige Dienstleistungen durch Verlinkung beworben werden. Der Domainname schafft damit eine Verwechslungsgefahr zur Marke und zur Webseite der Gesuchstellerin.
Domainnamen unterstehen überdies dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 126 III 245). Gemäss Artikel 3 Abs. 1 lit. d UWG handelt unlauter, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Die Schaffung einer Verwechslungsgefahr durch Ausnutzen von Tippfehlern der
Internet-Nutzer bei der Eingabe des Domainnamens, um die Benutzer auf die eigene Website zu lenken (sog. “Typosquatting”), verletzt in der Regel nicht nur die Rechte von Markeninhabern, sondern fällt auch unter Artikel 3 Abs. 1 lit. d UWG (Mark Schweizer, 5 Jahre SWITCH-Streitbeilegungsverfahren: Fair.ch?, AJP 8/2009 971, 980; vgl. Auch Comparis.ch AG v. Nguyen Huong Quynh, WIPO Verfahren Nr. DCH2008-0003; Raiffeisen Schweiz Genossenschaft v. Nguyen Huong Quynh, WIPO Verfahren Nr. DCH2007-0023; YouTube, LLC v. Matthias Moench, WIPO Verfahren Nr. DCH2007-0010; und TDC Switzerland AG v. Algis Skara, WIPO Verfahren Nr. DCH2006-0028).
Die Registrierung und Benutzung des Domainnamens verstösst somit gegen Artikel 13 MSchG sowie Artikel 2 und Artikel 3 Abs. 1 lit. d UWG. Angesichts der klaren Verletzung des MSchGs und des UWGs muss nicht weiter untersucht werden, ob auch das Namensrecht oder der Firmenschutz der Gesuchstellerin beeinträchtigt sind.
Der Gesuchsgegner bringt keine formalen Verteidigungsgründe vor. Somit entscheidet der Experte, dass die Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin durch die Registrierung und Verwendung des Domainnamens durch den Gesuchsgegners eine Übertragung des Domainnamens rechtfertigt.
Der Experte entscheidet aus den oben genannten Gründen, dass der Domainname <raiffeissen.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements an die Gesuchstellerin zu übertragen ist.
Peter Wild
Experte
Datum: 6. Oktober 2016