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WIPO Arbitration and Mediation Center

EXPERTENENTSCHEID

Bewital Holding GmbH & Co. KG v. Roman Willi

Verfahren Nr. DCH2018-0008

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist Bewital Holding GmbH & Co. KG aus Suedlohn-Oeding, Deutschland, vertreten durch Rausch Wanischeck-Bergmann Brinkmann Partnerschaft mbB Patentanwälte, Deutschland.

Der Gesuchsgegner ist Roman Willi aus Carouge, Schweiz.

2. Streitiger Domainname

Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <belcando.ch> (nachfolgend der „streitige Domainname”).

Die Registerbetreiberin ist SWITCH, Zürich, Schweiz. Die Domainvergabestelle ist Hostpoint AG.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 16. März 2018 per E-Mail und per Post ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für „.ch” und „.li” Domainnamen („Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 19. März 2018 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des streitigen Domainnamens ist. Am 22. März 2018 reichte die Gesuchstellerin ein geändertes Gesuch ein. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.

Am 4. April 2018 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 24. April 2018. Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 25. April 2018 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, und beantragte diese am 2. Mai 2018.

Am 3. Mai 2018 wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 11. Mai 2018 Tobias Zuberbühler als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin ist eine Holdinggesellschaft mit Sitz in Deutschland. Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der Internationalen Marke Nr. 763148 BELCANDO, welche am 25. April 2001 in den Klassen 31 (Tierfutter) und 42 (Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und Landwirtschaft) registriert wurde und unter anderem auch in der Schweiz zum Schutz zugelassen ist.

Der Gesuchsgegner ist eine natürliche Person, wohnhaft in der Schweiz.

Der streitige Domainname wurde am 4. August 2005 durch den Gesuchsgegner registriert und führt zu einer inaktiven Webseite.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin trägt zusammengefasst Folgendes vor:

Die Bezeichnung BELCANDO ist in der Schweiz markenrechtlich geschützt, wird von der Gesuchstellerin auch umfangreich innerhalb der Schweiz benutzt und geniesst als Hundefutter-Marke bei den Verbrauchern eine überdurchschnittliche Bekanntheit.

Der streitige Domainname ist wortidentisch mit der Marke BELCANDO der Gesuchstellerin, womit Verwechslungen unvermeidbar sind. Es handelt sich vorliegend um einen Fall des Domain-Grabbings, da der Gesuchsgegner seit über 10 Jahren den streitigen Domainnamen blockiert, ohne ihn zu nutzen, und die Möglichkeit besteht, dass der Gesuchsgegner den streitigen Domainnamen an einen Konkurrenten der Gesuchstellerin veräussern könnte. Indem der Gesuchsgegner den streitigen Domainnamen über Jahre hinweg blockiert, handelt er wettbewerbswidrig. Der Gesuchsgegner scheint zudem eine Vielzahl von anderen Domainnamen zu besitzen, um sie zu blockieren oder gegebenenfalls zu verkaufen.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner hat keine formelle Gesuchserwiderung eingereicht und hat somit das Vorbringen der Gesuchstellerin nicht bestritten.

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.

A. Bestand von schweizerischen Kennzeichenrechten

Die Gesuchstellerin hat nachgewiesen, dass sie über ein Kennzeichenrecht an der Marke BELCANDO verfügt, dessen Schutzumfang sich auch auf die Schweiz erstreckt.

B. Die Registrierung und/oder Verwendung des streitigen Domainnamens ist eine klare Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin

Das schweizerische Bundesgericht hielt in einem Leitentscheid fest, dass Domainnamen in ihrer Funktion die dahinter stehenden Personen, Produkte bzw. Sachen oder Dienstleistungen identifizieren und deshalb vergleichbar seien mit Personennamen, Firmen oder Marken (vgl. BGE 126 III 239, 244).

Der streitige Domainname ist, abgesehen von der country code Top-Level Domain („ccTLD”) „.ch”, identisch mit der Wortmarke BELCANDO der Gesuchstellerin. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob der streitige Domainname überhaupt die Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin verletzen kann.

(a) Markenrecht

Art. 13 Abs. 1 MSchG verleiht dem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gemäss Art. 13 Abs. 2 MSchG kann der Markeninhaber einem anderen den Gebrauch eines Zeichens untersagen, das die Rechte des Markeninhabers verletzt, z. B. indem es mit einer älteren Marke für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a-c MSchG). Marken sind also grundsätzlich in Abhängigkeit der Waren und Dienstleistungen zu beurteilen, für die sie Schutz beanspruchen (sog. Spezialitätsprinzip; Aschmann/Noth, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz, Bern 2009, Art. 2 N 25).

Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung gilt die blosse Registrierung eines Domainnamens ohne tatsächliche Ingebrauchnahme an sich nicht als ein das Markenrecht verletzender Gebrauch im Sinne von Art. 13 MSchG (Urteil BGer vom 8. November 2004, 4C.31/2004, E. 4.2, <riesen.ch>; Urteil des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen vom 15. März 1999, E. 7.1, in sic! 1/2000 S. 24-25, <artprotect.ch>; Alberini/Guillet, L’incidence du contenu du site Internet dans les litiges en matière de noms de domaine, sic! 2012 305, S. 313; Rolf H. Weber, E-Commerce und Recht, Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, 2. Aufl., Zürich 2010, S. 137; Thouvenin/Dorigo, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz, Bern 2009, Art. 13 N 50).

Dies wird auch in der Praxis zu „.ch” und „.li”-Streitbeilegungsverfahren anerkannt (Cartier International S.A. v. Marc Baertschi, WIPO Verfahren Nr. DLI2015-0001, <cartier.li>, Abschnitt C.1; Tropicana Products, Inc. v. Christian Hohnbaum, WIPO Verfahren Nr. DCH2011-0013, <tropicana.ch>; Feldschlösschen Getränke Holding AG v. John De Souza, WIPO Verfahren Nr. DCH2004-0012, <rhäzünser.ch>). Andere Experten haben darauf hingewiesen, dass die Frage einer Markenverletzung gemäss Spezialitätsprinzip selbst bei inaktiven Domainnamen über andere Indizien wie z.B. den Gesellschaftszweck gemäss Handelsregistereintrag beurteilt werden könnte (Cash Converters Pty Ltd. v. M. Botana Rojo Miguel Adolfo, WIPO Verfahren Nr. DCH2012-0021, <cashconverters.ch>, Abschnitt B.c). Eine entsprechende Analyse ist jedoch nach Meinung des mit dem vorliegenden Fall befassten Experten eher im Zusammenhang mit einer möglichen Verletzung von Art. 2 UWG vorzunehmen (s. unten).

Ferner wird in der Lehre die Ansicht vertreten, dass bei Domainnamen, die zu inaktiven Webseiten führen, eine drohende Verletzung von Markenrechten im Sinne eines Verbots gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. a MSchG sanktioniert werden könne (vgl. Mark Schweizer, 5 Jahre SWITCH-Streitbeilegungsverfahren: Fair.ch?, AJP 8/2009 971, S. 982-985; Freecom Technologies GmbH v. Urs Frei, WIPO Verfahren Nr. DCH2007-0012; The Toro Company v. Toro User Club, WIPO Verfahren Nr. DCH2004-0014). Zu beachten ist hierbei, dass nur Handlungen, die unmittelbar drohen, Gegenstand eines entsprechenden Begehrens bilden können, da bloss hypothetische Störungen nicht mit der Unterlassungsklage verhindert werden können (Roger Staub, in: Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], SHK Markenschutzgesetz, Bern 2009, Art. 55 N 34; BSK MSchG-David, Art. 55 N 12). Im vorliegenden Fall sind die streitigen Domainnamen bereits seit über 10 Jahren registriert, ohne dass irgendwelche konkreten Vorbereitungen zu Markenrechtsverletzungen ersichtlich oder von der Gesuchstellerin dargelegt worden wären. Eine Anwendung von Art. 55 Abs. 1 lit. a MSchG erscheint daher nicht angebracht.

(b) Wettbewerbsrecht (UWG)

Domainnamen unterstehen auch dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 128 III 353 E. 4). Nach Art. 3 lit. d UWG handelt unlauter, wer „Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen”. Laut der Generalklausel von Art. 2 UWG ist zudem unlauter und widerrechtlich „jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst”.

Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung schafft das blosse Registrieren eines Domainnamens noch keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG, da noch keine Gefahr von betrieblichen Fehlzuordnungen entsteht (Urteil HGer SG vom 25. Juni 2002, sic! 2003 348, S. 351 E. III/3c, <breco.ch>; BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 198-199; vgl. auch Cartier International S.A. gegen Marc Baertschi, supra, Abschnitt C.4). Eine gegenteilige Position nehmen Alberini/Guillet ein (a.a.O., S. 313-314 Ziff. 4), die auch bei inaktiven Domainnamen eine Verwechslungsgefahr auf Grundlage des reinen Wortlauts eines Domainnamens bejahen. Es darf aber wohl bezweifelt werden, dass die Eingabe eines inaktiven Domainnamens in die Adresszeile eines Browsers mit anschliessender Fehlermeldung tatsächlich geeignet ist, eine Verwechslungsgefahr mit Produkten eines anderen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG herbeizuführen (vgl. Mark Schweizer, 5 Jahre SWITCH-Streitbeilegungsverfahren: Fair.ch?, AJP 8/2009 971, S. 983).

Immerhin ist die Lehre (analog zum Markenrecht) bereit, eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG anzuerkennen, falls konkrete Massnahmen zum Gebrauch eines Domainnamens nachgewiesen sind. Die Gebrauchsabsicht muss aber anhand anderer Sachverhaltsumstände, wie entsprechende Äusserungen des Inhabers oder Vorbereitungshandlungen, dargetan werden können (BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 199). Konkrete Anhaltspunkte für eine Gebrauchsabsicht sind aber vorliegend wie erwähnt keine ersichtlich.

Allenfalls stellt die Registrierung eines bestimmten Domainnamens jedoch eine unlautere Behinderung im Sinne von Art. 2 UWG dar, wenn durch die Registrierung der Ruf eines fremden Kennzeichens ausgebeutet werden soll oder wenn sie ohne objektiv schützenswerte Interessen und damit erkennbar zulasten Dritter erfolgt (Rolf H. Weber, E-Commerce und Recht, Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, 2. Aufl., Zürich 2010, S. 159; BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 199; vgl. auch Cartier International S.A. gegen Marc Baertschi, supra, <cartier.li>, Abschnitt C.4).

Vorliegend hält der Gesuchsgegner den streitigen Domainnamen seit dem Jahr 2005, ohne darunter irgendeinen Inhalt aufzuschalten. Durch die Blockierung des streitigen Domainnamens über mehr als ein Jahrzehnt wird die Gesuchstellerin daran gehindert, in der Schweiz eine ihre Marke reflektierende eigene Domain unter der ccTLD „.ch” zu betreiben und über die entsprechende Homepage ihre Produkte zu vermarkten. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesuchsgegner vom Ruf der gesuchstellerischen Marke in irgendeiner Weise profitieren will, indem er z. B. den streitigen Domainnamen an die Gesuchstellerin oder an einen anderen Interessenten gewinnbringend verkauft. Angesichts dieser Umstände ist der Experte der Auffassung, dass die Registrierung des streitigen Domainnamens ohne ein erkennbares schützenswertes Interesse des Gesuchsgegners und somit in unlauterer Absicht erfolgt ist.

Das Verhalten des Gesuchsgegners verletzt somit in klarer Weise Art. 2 UWG.

C. Übertragung des streitigen Domainnamens ist gerechtfertigt

Da der Gesuchsgegner, wie oben ausgeführt, keine formelle Gesuchserwiderung eingereicht und keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgebracht hat, welche die Darstellung der Gesuchstellerin widerlegen oder sein eigenes legitimes Interesse begründet, befindet der Experte, dass die Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin durch die Registrierung des Domainnamens seitens des Gesuchsgegners eine Übertragung des Domainnamens rechtfertigt.

7. Entscheidung

Aus vorstehenden Gründen entscheidet der Experte, dass der streitige Domainname <belcando.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerin zu übertragen ist.

Tobias Zuberbühler
Experte
Datum: 23. Mai 2018