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BGH, 06.02.2020, I ZB 21/19 - INJEKT/INJEX

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

 

I ZB 21/19                                                                            Verkündet am: 6. Februar 2020

 

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

 

INJEKT/INJEX

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Odörfer

beschlossen:

 

Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der am 1. März 2019 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

 

Gründe:

 

(1) A. Die Injex Pharma AG (im Folgenden: frühere Markeninhaberin) war Inhaberin der am 1. Februar 2012 angemeldeten und seit dem 11. Juni 2012 unter der Nummer 30 2012 012 744 eingetragenen deutschen Wortmarke „INJEX“, die für folgende Waren der Klasse 10 Schutz beansprucht:

nadelloses Injektionssystem, medizinische Apparate und Instrumente, nadellose ärztliche Arzneiverabreichungssysteme, nämlich nadellose Injektionsapparate, nadellose Einwegampullen, angepasste Abkoch- und Tragebehältnisse für nadellose Injektionsapparate, angepasste Verbindungselemente für die Übertragung von Flüssigkeiten und Zubehör dafür, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten sind.

(2) Gegen die am 13. Juli 2012 veröffentlichte Eintragung der Marke hat die Widersprechende zum einen aus der am 16. Mai 1998 angemeldeten und am 5. Mai 2000 unter der Nummer 398 27 581 eingetragenen deutschen Wortmarke „I N J E K T“, die für die Waren der Klasse 10 „Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente, Apparate und Geräte“ Schutz beansprucht, und zum anderen aus der unter der Nummer 772 712 eingetragenen IR-Wortmarke „INJEKT“ Widerspruch erhoben, die aufgrund einer ergänzenden Anmeldung vom 10. August 2011 für Waren der Klasse 10, nämlich „Surgical, medical, dental and veterinary instruments, apparatus and utensils“ im Gebiet der Europäischen Union geschützt ist.

(3) Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. Mai 2015 ist über das Vermögen der früheren Markeninhaberin das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat das Widerspruchsverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als unterbrochen angesehen und die Widersprüche mit Beschluss vom 13. Januar 2016 zurückgewiesen.

(4) Nachdem die Widersprechende gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt hatte, hat das Deutsche Patent- und Markenamt die angegriffene Marke mit Wirkung zum 3. Mai 2017 auf die jetzige Markeninhaberin umgeschrieben. Diese hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2017 erklärt, das Beschwerdeverfahren als Beteiligte zu übernehmen. Sowohl die frühere als auch die jetzige Markeninhaberin haben eine Benutzung der Widerspruchsmarken in Abrede gestellt.

(5) Die gegen die Zurückweisung der Widersprüche gerichtete Beschwerde der Widersprechenden ist ohne Erfolg geblieben (BPatG, Beschluss vom 1. März 2019 - 28 W [pat] 29/16). Mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihr Löschungsbegehren weiter. Die Markeninhaberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(6) Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach § 87 Abs. 2, § 68 Abs. 1 MarkenG im Verfahren Stellung genommen.

(7) B. Das Bundespatentgericht hat angenommen, das Deutsche Patent- und Markenamt habe den Widerspruch aus den Wortmarken „INJEKT“ im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

(8) Die jetzige Markeninhaberin sei wirksam als Beteiligte in das Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren eingetreten. Das Beschwerdeverfahren sei nicht infolge der Insolvenz der früheren Markeninhaberin unterbrochen.

(9) Zwischen den Streitmarken bestehe jedoch keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zugunsten der Widersprechenden könne von einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer beiden Widerspruchsmarken für die Waren „zweiteilige Einmalspritzen“ ausgegangen werden, so dass sie für die Warenkategorie der medizinischen Spritzen Schutz beanspruchen könne. Zwischen den von den Widerspruchsmarken geschützten medizinischen Spritzen und den Waren, für die die angegriffene Marke Schutz beanspruche, bestehe teilweise Identität, teilweise liege durchschnittliche Warenähnlichkeit vor. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei von Haus aus unterdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung der eingereichten Benutzungsunterlagen könne von einer Steigerung und im Ergebnis von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marken für medizinische Spritzen in Deutschland ausgegangen werden. Für das Vorliegen einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft biete der Vortrag der Widersprechenden dagegen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe allenfalls eine weit unterdurchschnittliche klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit, so dass trotz teilweiser Warenidentität eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Eine begriffliche Zeichenähnlichkeit komme aus Rechtsgründen nicht in Betracht, weil die einander gegenüberstehenden Marken auf die Wörter „inject“ oder „Injektion“ hinwiesen. Diese Angaben seien für medizinische Spritzen unmittelbar beschreibend.

(10) C. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg und führen zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht. Das Bundespatentgericht hat die jetzige Markeninhaberin mit Recht als Beteiligte des Widerspruchs- und Beschwerdeverfahrens angesehen (dazu C II). Seine Beurteilung, einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren stehe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der bisherigen Markeninhaberin nicht entgegen, weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf (dazu C III). Mit der vom Bundespatentgericht gegebenen Begründung kann eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG jedoch nicht verneint werden (dazu C IV).

(11) I. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass diese auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Februar 2019 - I ZB 34/17, GRUR 2019, 1058 Rn. 10 = WRP 2019, 1316 - KNEIPP).

(12) II. Das Bundespatentgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die jetzige Markeninhaberin als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Markeninhaberin gemäß § 28 Abs. 2 MarkenG als Beschwerdegegnerin Beteiligte des Beschwerdeverfahrens geworden ist.

(13) 1. Ist das durch die Eintragung einer Marke begründete Recht auf einen anderen übertragen worden oder übergegangen, so kann der Rechtsnachfolger nach § 28 Abs. 2 Satz 1 MarkenG in einem Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht oder einem Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof den Anspruch auf Schutz dieser Marke und das durch die Eintragung begründete Recht erst von dem Zeitpunkt an geltend machen, in dem dem Deutschen Patent- und Markenamt der Antrag auf Eintragung des Rechtsübergangs zugegangen ist. Dasselbe gilt nach § 28 Abs. 2 Satz 2 MarkenG entsprechend für sonstige Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht oder Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof, an denen der Inhaber einer Marke beteiligt ist. Übernimmt der Rechtsnachfolger ein Verfahren nach § 28 Abs. 2 Satz 1 oder 2 MarkenG, so ist die Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht erforderlich (§ 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG).

(14) 2. Die jetzige Markeninhaberin hat nach Umschreibung im Markenregister mit Wirkung zum 3. Mai 2017 das Beschwerdeverfahren übernommen. Damit ist sie als Rechtsnachfolgerin in die Verfahrensposition der früheren Markeninhaberin eingetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2007 - X ZB 41/03, BGHZ 172, 98 Rn. 28 - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren) und muss in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO sämtliche Handlungen der früheren Markeninhaberin im Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren gegen sich gelten lassen (zu § 265 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 25; zur grundsätzlichen Geltung des § 265 ZPO im Anwendungsbereich von § 28 MarkenG vgl. BGHZ 172, 98 Rn. 28 - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren).

(15) III. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts ist nicht wegen eines absoluten Verfahrensmangels gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 MarkenG in Verbindung mit § 547 Nr. 4 ZPO aufzuheben. Sie ist nicht während der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO ergangen.

(16) 1. Während des rechtlichen Verfahrensstillstands ergangene Gerichtsentscheidungen sind - mit Ausnahme im Fall einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Unterbrechung (§ 249 Abs. 3 ZPO) - zwar nicht nichtig, aber mit den statthaften Rechtsmitteln angreifbar (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2009 - XI ZR 519/07, NZI 2009, 783 Rn. 10 mwN). Eine insolvente Partei ist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ordnungsgemäß vertreten. Ergeht in einem Berufungsverfahren trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei dennoch ein Urteil, beruht dieses Urteil auf einem Verfahrensfehler, der den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO begründet (BGH, NZI 2009, 783 Rn. 11). Dies gilt entsprechend im markenrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren. Wäre die angegriffene Entscheidung trotz der Unterbrechung des Verfahrens ergangen, wären Entscheidung und Verfahren gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 MarkenG in Verbindung mit § 547 Nr. 4 ZPO aufzuheben.

(17) 2. Das Bundespatentgericht hat zu Recht angenommen, dass es durch die Insolvenz der früheren Markeninhaberin nicht an einer Entscheidung in dem von der Widersprechenden eingeleiteten und von der jetzigen Markeninhaberin als Beschwerdegegnerin weitergeführten Beschwerdeverfahren gehindert war. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht war die angegriffene Marke nicht mehr Bestandteil der Insolvenzmasse der früheren Markeninhaberin. Die Marke ist mit ihrer Übertragung Teil des Vermögens der jetzigen Markeninhaberin geworden, das von dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Markeninhaberin nicht betroffen ist. Die jetzige Markeninhaberin war als Rechtsnachfolgerin der früheren Markeninhaberin gemäß § 28 Abs. 2 MarkenG von dem Zeitpunkt an, in dem dem Deutschen Patent- und Markenamt der Antrag auf Eintragung des Rechtsübergangs zugegangen ist, zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens berechtigt.

(18) IV. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, zwischen den Widerspruchsmarken „I N J E K T“ und „INJEKT“ und der angegriffenen Marke „INJEX“ bestehe keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar ist die Beurteilung des Bundespatentgerichts hinsichtlich des Grads der Identität oder Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken geschützten Waren im Ergebnis nicht zu beanstanden (dazu C IV 3). Das Bundespatentgericht ist weiter rechtsfehlerfrei von schwacher originärer Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgegangen, die infolge Benutzung gesteigert und damit als durchschnittlich anzusehen ist (dazu C IV 4). Soweit es angenommen hat, eine Verwechslungsgefahr scheide wegen fehlender Zeichenähnlichkeit zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke aus, hält dies der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand (dazu C IV 5).

(19) 1. Während des Beschwerdeverfahrens ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, S. 2357) mit Wirkung vom 14. Januar 2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht.

(20) a) Da die Anmeldung der angegriffenen Marke am 1. Februar 2012 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen die Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG nF) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 MarkenG in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung (MarkenG aF) anzuwenden.

(21) Nach § 42 Abs. 1 MarkenG aF kann innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung der Marke gemäß § 41 Abs. 2 MarkenG von dem Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aF darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann.

(22) Das nach § 42 Abs. 2 MarkenG aF auf Löschung der angegriffenen Marke gerichtete Widerspruchsverfahren hat das Ziel, einen bestehenden Störungszustand zu beseitigen. Der Löschungsgrund muss daher sowohl im Kollisionszeitpunkt, das heißt zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen jüngeren Marke, als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorliegen (BGH, GRUR 2019, 1058 Rn. 14 - KNEIPP). Eine Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss deshalb schon im Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke vorgelegen haben und im Zeitpunkt der Entscheidung noch vorliegen. Eine nach dem Anmeldezeitpunkt eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft ist zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - I ZB 61/07, GRUR 2008, 903 Rn. 14 = WRP 2008, 1342 - SIERRA ANTIGUO; Beschluss vom 2. Juni 2016 - I ZR 75/15, GRUR 2017, 75 Rn. 31 = WRP 2017, 74 - Wunderbaum II; BGH, GRUR 2019, 1058 Rn. 14 - KNEIPP).

(23) b) Für das Bestreiten der Benutzung durch die Markeninhaberin im Widerspruchsverfahren nach § 43 Abs. 1 MarkenG bestimmt § 158 Abs. 5 MarkenG nF, dass die Vorschrift des § 43 MarkenG aF für vor dem 14. Januar 2019 erhobene Widersprüche fortgilt. Nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG aF ist die Benutzung lediglich glaubhaft zu machen.

(24) c) Die mit Wirkung vom 14. Januar 2019 in Kraft getretenen Änderungen des § 9 MarkenG sind für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Die neu eingeführte Regelung in § 9 Abs. 3 MarkenG nF dient der Umsetzung von Art. 39 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2015/2436. Danach werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse der Nizza-Klassifikation erscheinen. Andererseits werden Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen. Dass Klasseneinteilungen keine unmittelbare Bedeutung für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen zukommt, entspricht bereits der deutschen Rechtspraxis (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 221; Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 9 Rn. 100 mwN).

(25) 2. Die Frage, ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist - ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG - unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - C-16/06, Slg. 2008, I-10053 = GRUR-RR 2009, 356 Rn. 45 f. - Les Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; Urteil vom 12. Juni 2019 - C-705/17, GRUR 2020, 52 Rn. 41 bis 43 = WRP 2019, 1563 - Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - I ZB 16/14, GRUR 2016, 283 Rn. 7 = WRP 2016, 210 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Beschluss vom 14. Januar 2016 - I ZB 56/14, GRUR 2016, 382 Rn. 19 = WRP 2016, 336 - BioGourmet; Beschluss vom 9. November 2017 - I ZB 45/16, GRUR 2018, 79 25 - 11 - Rn. 7 = WRP 2018, 82 - OXFORD/Oxford Club; BGH, GRUR 2019, 1058 Rn. 19 - KNEIPP). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - I ZR 154/09, GRUR 2011, 826 Rn. 11 = WRP 2011, 1168 - Enzymax/Enzymix).

(26) 3. Das Bundespatentgericht ist im Ergebnis zu Recht teilweise von Identität und teilweise von Ähnlichkeit zwischen den Waren der angegriffenen Marke und den Waren der Widerspruchsmarke, deren Benutzung glaubhaft gemacht worden ist, ausgegangen.

(27) a) Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die neue Inhaberin der angegriffenen Marke spätestens mit Schriftsatz vom 26. Juni 2018 die Benutzung der beiden Widerspruchsmarken gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG aF bestritten hat und dass diese Einrede im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen war. Hiergegen erhebt die Rechtsbeschwerde auch keine Rügen.

(28) b) Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass die Widersprechende gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG aF eine Benutzung der Widerspruchsmarken für die Waren „zweiteilige Einmalspritzen“ glaubhaft gemacht hat. Dies wird im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angegriffen.

(29) c) Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Bundespatentgericht teilweise eine Identität und teilweise eine Ähnlichkeit zwischen den Waren der Widerspruchsmarke, für die es eine rechtserhaltende Benutzung festgestellt hat, und den für die angegriffene Marke im Register eingetragenen Waren bejaht hat.

(30) aa) Wird die ältere Marke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen benutzt, für die sie eingetragen ist, so gilt sie nach § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG aF im Kollisionsfall lediglich für diesen Teil als eingetragen.

(31) bb) Das Bundespatentgericht hat die „zweiteiligen Einmalspritzen“, für die eine Benutzung glaubhaft gemacht worden ist, den für die deutsche Widerspruchsmarke „I N J E K T“ eingetragenen Waren „ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Geräte“ und den für die internationale Registrierung „INJEKT“ eingetragenen Waren „medical, dental and veterinary instruments and utensils“ zugeordnet. Um die geschäftliche Bewegungsfreiheit der Inhaberin der Widerspruchsmarken nicht ungebührlich einzuengen, hat es die rechtserhaltend benutzte Warenkategorie auf „medizinische Spritzen“ erweitert. Ausgehend davon hat das Bundespatengericht Warenidentität hinsichtlich der Waren „medizinische Spritzen“ mit den Waren „Nadelloses Injektionssystem, medizinische Apparate und Instrumente, nadellose ärztliche Arzneiverabreichungssysteme, nämlich nadellose Injektionsapparate, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten sind“ auf Seiten der angegriffenen Marke angenommen, da Spritzen nicht zwangsläufig eine Nadel enthalten müssten. Es ist außerdem von Warenähnlichkeit bezogen auf die Waren „Nadellose Einwegampullen, angepasste Abkoch- und Tragebehältnisse für nadellose Injektionsapparate, angepasste Verbindungselemente für die Übertragung von Flüssigkeiten und Zubehör dafür, soweit diese Waren in Klasse 10 enthalten“ sind, ausgegangen.

(32) cc) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung macht ohne Erfolg geltend, das Bundespatentgericht habe bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von der Warengruppe „medizinische Spritzen“, sondern nur von den konkreten Waren „zweiteilige Einmalspritzen“ ausgehen und damit insgesamt allenfalls eine Warenähnlichkeit annehmen dürfen, weil nur insoweit eine rechtserhaltende Benutzung nachgewiesen sei.

(33) (1) In der Rechtsprechung des Senats zum Löschungsklageverfahren ist anerkannt, dass die Benutzung für eine Spezialware auch für einen umfassenderen, nicht zu breiten Warenoberbegriff rechtserhaltend wirkt. Die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise und das berechtigte Interesse des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeengt zu werden, rechtfertigen es, auch die Waren im Warenverzeichnis zu belassen, die nach der Verkehrsauffassung gemeinhin zum gleichen Warenbereich gehören. Dadurch wird ein sachgerechter Ausgleich erzielt zwischen dem Interesse des Markeninhabers und dem Interesse an der Freihaltung des Registers von Marken, die für einen Teil der Waren und Dienstleistungen nicht benutzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2008 - I ZR 167/05, GRUR 2009, 60 Rn. 32 f. = WRP 2008, 1544 - LOTTOCARD). Zum gleichen Warenbereich gehören gemeinhin Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - I ZR 157/87, GRUR 1990, 39, 40 f. - Taurus; Urteil vom 5. Dezember 2012 – I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 61 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 38/13, GRUR 2014, 662 Rn. 12 = WRP 2014, 856 - Probiotik).

(34) (2) Die für das Löschungsverfahren im Interesse der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Markeninhabers entwickelte Rechtsprechung zur Einschränkung von Oberbegriffen gilt allerdings nicht für das Markenverletzungsverfahren. Der Sinn und der Zweck des Benutzungszwangs gebieten es, die Marke in Kollisionsfällen nach Ablauf der Schonfrist so zu behandeln, als sei sie nur für die konkret benutzten Waren eingetragen. Die gegenteilige Auffassung führte zu einer nicht zu rechtfertigenden Bevorzugung des Inhabers einer Marke für ein Waren- oder Dienstleistungsverzeichnis mit einem weit gefassten Oberbegriff gegenüber demjenigen, der die Eintragung von Anfang an auf die sodann benutzte Ware beschränkt hat, und im Übrigen auch zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bei der Prüfung, ob eine Kollisionslage vorliegt. Unerheblich ist, in welchem Umfang die Nichtbenutzung zu einer Löschung führen müsste (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 110/03, GRUR 2006, 937 Rn. 21 f. = WRP 2006, 1133 - Ichthyol II). Ist die Marke für einen (weiten) Warenoberbegriff eingetragen, ist sie deshalb auch im Widerspruchsverfahren so zu behandeln, als sei sie nur für die konkret benutzten Waren registriert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 - I ZB 52/09, GRUR 2012, 64 Rn. 10 = WRP 2012, 83 - Maalox/Melox-GRY, mwN).

(35) (3) Damit steht die Annahme des Bundespatentgerichts, der geschäftlichen Bewegungsfreiheit des Inhabers der Widerspruchsmarke müsse im Widerspruchsverfahren - ebenso wie im Löschungsverfahren - Rechnung getragen werden, nicht in Einklang. Dieser Rechtsfehler wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus.

(36) Nach der Senatsrechtsprechung ist der Schutz der Klagemarke oder der Widerspruchsmarke im Verletzungsverfahren auf die konkret benutzten Waren beschränkt. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf gleichartige Waren (vgl. Hoppe/Dück in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 4. Aufl., § 25 Rn. 46; Spuhler in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann aaO § 26 Rn. 88). Ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen.

(37) Das Bundespatentgericht hat angenommen, „zweiteilige Einmalspritzen“ gehörten zur Warenkategorie der „medizinischen Spritzen“. Es hat damit den Schutz der Widerspruchsmarken, ausgehend von den weiten Warenbereichen der deutschen Wortmarke „Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente, Apparate und Geräte“ und der internationalen Registrierung „Surgical, medical, dental and veterinary instruments, apparatus and utensils“, im Ergebnis zutreffend auf gleichartige Waren reduziert.

(36) dd) Danach ist die Beurteilung des Bundespatentgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Widerspruchsmarken Schutz für medizinische Spritzen und damit für identische Waren wie die angegriffene Marke beanspruchen. Soweit das Bundespatentgericht Ähnlichkeit mit den weiteren von der angegriffenen Marke geschützten Waren angenommen hat, weil diese Waren zusammen mit medizinischen Spritzen verwendet werden, wird dies von der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht angegriffen und lässt dies auch keinen Rechtsfehler erkennen.

(39) 4. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, die für die in Anspruch genommenen Waren originär nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei infolge ihrer Benutzung gesteigert und deshalb als durchschnittlich anzusehen, lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

(40) a) Das Bundespatentgericht hat den Widerspruchsmarken rechtsfehlerfrei eine unterdurchschnittliche originäre Unterscheidungskraft zugesprochen.

(41) aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi/ HABM [Vorsprung durch Technik]; Urteil vom 9. September 2010 - C-265/09, Slg. 2010, I-8265 = GRUR 2010, 1096 Rn. 31 - BORCO/HABM [Buchstabe α]; BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZB 35/09, GRUR 2010, 935 Rn. 8 = WRP 2010, 1254 - Die Vision; Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8 = WRP 2012, 337 - Link economy; Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 27 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B; BGH, GRUR 2016, 382 Rn. 31 - BioGourmet). Dabei ist auf die Eigenart der 38 39 40 41 - 16 - Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen (BGH, GRUR 2017, 75 Rn. 19 - Wunderbaum II). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler oder - was dem entspricht - durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. BGH, GRUR 2012, 64 Rn. 12 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2016, 283 Rn. 10 - BSA/ DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; GRUR 2017, 75 Rn. 19 - Wunderbaum II). Das Bundespatentgericht hat diese Grundsätze seiner Beurteilung zugrunde gelegt.

(42) bb) Das Bundespatentgericht hat angenommen, das Deutsche Patent- und Markenamt sei in seinem Beschluss vom niedrigsten Grad der Kennzeichnungskraft ausgegangen. Eine derartige Beschränkung des Schutzbereichs werde vorrangig bei eingetragenen Marken in Betracht kommen, die im Kollisionszeitpunkt als schutzunfähig einzustufen seien. Die Frage, ob die Widerspruchsmarken „I N J E K T“ und „INJEKT“ zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke schutzunfähig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG gewesen seien, sei jedoch nicht entscheidungserheblich. Es bestehe von Hause aus eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, weil sie jedenfalls über einen für medizinische Spritzen erkennbar beschreibenden Anklang verfügten. Die Bezeichnungen „INJEKT“ wichen von dem englischsprachigen Verb „inject“ mit den Bedeutungen „spritzen, injizieren“ lediglich durch den Buchstaben „k“ anstelle des Buchstabens „c“ ab. Das Verb „inject“ beziehungsweise „injizieren“ stelle eine gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG schutzunfähige Angabe über den Bestimmungszweck von Spritzen dar, der regelmäßig im Injizieren einer Substanz in einen Organismus bestehe. Die englischsprachige Herkunft der Widerspruchsmarken ändere hieran nichts. Die Bedeutung des Worts „inject“ liege für den angesprochenen Verkehr - inländisches professionelles Pflegepersonal - aufgrund der sprachlichen Nähe zu den deutschen Begriffen „injizieren“ oder „Injektion“ auf der Hand. Zugunsten der Widersprechenden könne unterstellt werden, dass der Austausch der Buchstaben „c“ und „k“ den Widerspruchsmarken eine geringe und damit Schutz begründende Eigenprägung verleihe. Dies lasse jedoch den erkennbar beschreibenden Anklang an das Wort „inject“ nicht entfallen. Die beiden Konsonanten „k“ und „c“ seien klanglich identisch. Zudem würden diese Buchstaben nach dem im Inland herrschenden Sprachempfinden häufig als gleichwertig wahrgenommen. Jedenfalls beeinflusse ihr Austausch regelmäßig nicht das Wortverständnis, zumal das Wort „Injektion“ ebenfalls mit „k“ geschrieben werde. Es liege deshalb nicht fern, dass das inländische Publikum die Abwandlung entweder nicht wahrnehme oder zwar als orthografisch unzutreffende, jedoch den Begriffsgehalt nicht verändernde Variation des Wortes „inject“ ansehe. Dass die Widerspruchsmarken gegebenenfalls auch als Abwandlung des deutschen Worts „Injektion“ aufgefasst werden könnten, vermittele eine geringe Eigenart, lasse jedoch das Verständnis einer erkennbaren Anlehnung an „inject“ nicht entfallen.

(43) cc) Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke obliegt im Wesentlichen dem Tatgericht. In der Rechtsbeschwerdeinstanz ist nur zu prüfen, ob das Tatgericht den Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ohne Widerspruch zu den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen geurteilt hat und ob das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2019, 1058 Rn. 24 - KNEIPP). Solche Rechtsfehler sind dem Bundespatentgericht nicht unterlaufen.

(44) (1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, bei den von medizinischen Spritzen angesprochenen Verkehrskreisen handele es sich um in Krankenhäusern und Arztpraxen tätige Personen. Dies wird im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angegriffen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

(45) (2) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, die Annahme einer unterdurchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken stehe mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang.

(46) Die Rechtsbeschwerde meint, das Bundespatentgericht habe seinen Erwägungen ein falsches Bezugswort zugrunde gelegt. Nach der Lebenserfahrung stellten die angesprochenen Verkehrskreise - inländisches professionelles Pflegepersonal - keinen unmittelbaren Bezug zur englischen Sprache her, sondern sähen in dem Phantasiewort „INJEKT“ eine ungewöhnliche Kurzform von „lnjektion“.

(47) Damit zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf, sondern setzt lediglich die von ihr für richtig gehaltene Sicht der Dinge an die Stelle derjenigen des Tatgerichts. Das Bundespatentgericht hat den beschreibenden Anklang der Widerspruchsmarken an das englischsprachige Verb „inject“ nachvollziehbar hergeleitet. Es hat berücksichtigt, dass die Widerspruchsmarken auch als Abwandlung des deutschen Wortes „Injektion“ aufgefasst werden und den Widerspruchsmarken deshalb eine geringe Eigenart vermitteln könnten, wodurch jedoch die erkennbare Anlehnung an das Verb „inject“ nicht in den Hintergrund trete. Dass Ärzten und medizinischem Pflegepersonal medizinische Fachbegriffe in englischer Sprache wie „inject“ geläufig sind, entspricht der Lebenserfahrung.

(48) dd) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung macht ohne Erfolg geltend, das Bundespatentgericht habe nicht offenlassen dürfen, ob die Widerspruchsmarken originär schutzunfähig seien. Im Falle ihrer Schutzunfähigkeit sei ihr Schutzbereich auf den Identitätsschutz beschränkt und der Widerspruch ohne weitere Prüfung zurückzuweisen gewesen.

(49) (1) Die Widerspruchsmarke ist in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführten Register eingetragen worden. Ihr kann deshalb nicht jeglicher Schutz mit der Begründung versagt werden, sie sei originär nicht unterscheidungskräftig. Eine Schutzversagung mit dieser Begründung ist sowohl im Verletzungsverfahren (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2011 - I ZR 175/09, GRUR 2012, 618 Rn. 15 = WRP 2012, 813 - Medusa) als auch im Widerspruchsverfahren unzulässig (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - C-196/11, GRUR 2012, 825 Rn. 38 f. - Formula One Licensing/HABM [F1-LIVE]; BGH, GRUR 2016, 382 Rn. 38 - BioGourmet; GRUR 2017, 75 Rn. 19 - Wunderbaum II; GRUR 2019, 1058 Rn. 20 - KNEIPP).

(50) (2) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, durfte das Bundespatentgericht offenlassen, ob die Widerspruchsmarken zum Zeitpunkt ihrer Eintragung schutz- und damit eintragungsfähig waren. Das Vorbringen des Inhabers der angegriffenen Marke, die Widerspruchsmarke sei als Ganzes schutzunfähig, findet im Widerspruchsverfahren keine Berücksichtigung. Ist ein Zeichen eingetragen worden, kann die Frage, ob es rein beschreibend ist und der Eintragung des Widerspruchszeichens ein Freihaltebedürfnis für diese Angabe entgegenstand, nicht erneut aufgeworfen werden. Die einmal anerkannte Schutzwürdigkeit eines Zeichens darf nicht aus Anlass der Eintragung eines anderen Zeichens in Frage gestellt werden (BGH, Beschluss vom 10. Mai 1963 - Ib ZB 24/62, GRUR 1963, 630, 632 - Polymar; Beschluss vom 24. November 1965 - Ib ZB 4/64, BGHZ 45, 131, 135 [juris Rn. 19] - Shortening). Dies ist dem Löschungsverfahren vorbehalten (vgl. Miosga in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 42 Rn. 62).

(51) (3) Es kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Schutz der Widerspruchsmarken im Falle ihrer Schutzunfähigkeit auf den Identitätsschutz beschränken würde. Bei der Verwechslungsgefahr handelt es sich um ein bewegliches System, bei dem die Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, der Grad der Ähnlichkeit der Zeichen sowie die Kennzeichnungskraft der älteren Marke festzustellen sind. Diese Parameter stehen zueinander in einer Wechselwirkung, die dazu führt, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (dazu oben C IV 2). Danach verbietet sich eine schematische Betrachtung. Es ist vielmehr unter Berücksichtigung der maßgeblichen Parameter zu prüfen, ob im Einzelfall Verwechslungsgefahr gegeben ist. Dies führt bei schutzunfähigen, aber eingetragenen Zeichen dazu, dass wegen ihrer schwachen Kennzeichnungskraft höhere Anforderungen an das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu stellen sind. Einem solchen Zeichen kann dagegen nicht von vornherein Schutz vor Verwechslungen mit der Begründung versagt werden, es hätte nicht in das Markenregister eingetragen werden dürfen.

(52) b) Das Bundespatentgericht hat seiner Prüfung der Verwechslungsgefahr ohne Rechtsfehler eine durch Benutzung gesteigerte durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zugrunde gelegt.

(53) aa) Das Bundespatentgericht ist zugunsten der Widersprechenden unter Berücksichtigung der eingereichten Benutzungsunterlagen von einer Steigerung der originär geringen Kennzeichnungskraft und damit im Ergebnis von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marken für medizinische Spritzen in Deutschland ausgegangen. Es hat angenommen, für das Vorliegen einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft wegen besonderer Bekanntheit der Widerspruchsmarken biete der Vortrag der Widersprechenden keine Anhaltspunkte. Es könne zwar von jährlichen Umsätzen in Höhe von durchschnittlich 12 Mio. € ab dem Geschäftsjahr 1973/1974 beziehungsweise in Höhe von durchschnittlich 10 Mio. € ab dem Jahr 2002 ausgegangen werden, die durch mit dem Wort „INJEKT“ gekennzeichnete Spritzen erzielt worden seien. Dies allein lasse jedoch noch keine Rückschlüsse auf eine größere Bekanntheit der Widerspruchsmarken im Inland zu. Insbesondere fehle es an aussagekräftigen Hinweisen auf den Marktanteil dieser Spritzen. Die in dem Parallelverfahren 28 W (pat) 15/16 (= I ZB 22/19) vorgelegte Anlage A 4 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 14. August 2013 beziehe sich ausschließlich auf das Jahr 1997 und sei aus sich heraus kaum verständlich. Jedenfalls lasse sie nicht erkennen, von wem und auf welcher Grundlage der von der Widersprechenden vorgetragene Marktanteil für zweiteilige Einmalspritzen in Deutschland in Höhe von 64% ermittelt worden sei. Auch die in jenem Verfahren mit dem genannten Schriftsatz als Anlage A 3 vorgelegte Bestätigung des Bundesverbands Medizintechnologie e.V., nach der diesem die Marke „INJEKT“ der Widersprechenden in Verbindung mit Einmalspritzen seit Jahren gut bekannt sei, reiche nicht aus, die erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarken zu belegen. Es handele sich um einen Wirtschaftsverband zur Förderung und Vertretung der Interessen von Unternehmen der Medizintechnologie, der als Abnehmer von Einmalspritzen kaum in Betracht komme. Zudem sei die Aussage nicht repräsentativ für alle angesprochenen Fachkreise, sondern gebe allenfalls die Sichtweise eines einzigen Verkehrsteilnehmers wieder.

(54) bb) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe aufgrund der von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen von einer infolge Benutzung gesteigerten überdurchschnittlichen und nicht lediglich von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausgehen müssen. Die Widersprechende habe in dem Schriftsatz vom 14. August 2013 dargelegt, dass die im Parallelverfahren als Anlage A 4 vorgelegte Studie von der Gesellschaft für Pharma-Informationssysteme erstellt worden sei; auch die Grundlage der Berechnung des Marktanteils sei mit den jeweiligen Stückzahlen des Verkaufs hinreichend deutlich gemacht worden. Hinsichtlich der Bestätigung gemäß Anlage A 3 habe das Bundespatentgericht die Breitenwirkung unterschätzt, die einer Aussage des Bundesverbands Medizintechnologie e. V. als des für Medizinprodukte maßgebenden Bundesfachverbands zukomme. Zudem könne dieser Verband aufgrund seines Überblicks über den Markt der Medizinprodukte eine repräsentative Gesamteinschätzung vornehmen. Damit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen.

(55) (1) Das Bundespatentgericht hat die Anlage A 4 jedenfalls deshalb nicht als für die Darlegung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ausreichend erachtet, weil die Studie lediglich das Jahr 1997 betrifft. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass die Widersprechende vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Bundespatentgericht vorgetragen hat, dass sich der behauptete damalige Marktanteil von unter der Marke „INJEKT“ vertriebenen Spritzen auf die Folgejahre und damit die entscheidungserhebliche Zeit übertragen lässt. Dies wäre erforderlich gewesen, weil eine nach dem Anmeldezeitpunkt eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, GRUR 2019, 1058 Rn. 14 - KNEIPP, mwN).

(56) (2) Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die Beurteilung der Anlage A 3 durch das Bundespatentgericht wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf, sondern versucht nur in unzulässiger Weise, die tatrichterliche Beurteilung des Bundespatentgerichts durch ihre eigene zu ersetzen. Bei der Anlage A 3 handelt es sich um eine aus einem Absatz bestehende Bestätigung des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V. vom 21. Januar 2005, die sich inhaltlich auf die Aussage beschränkt, die Marke „INJEKT“ der Widersprechenden sei dort seit Jahren für Einmal-Spritzen „gut bekannt“. Das Bundespatentgericht hat diese Unterlage als Beleg für eine nicht unerhebliche Bekanntheit der Widerspruchsmarke angesehen, sie jedoch als Nachweis für eine weiter gesteigerte Bekanntheit nicht ausreichen lassen. Dies ist mit Blick darauf, dass die Bestätigung lange Zeit vor dem Kollisionszeitpunkt verfasst wurde und inhaltlich wenig aussagekräftig ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(57) 5. Die Widersprechende wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Bundespatentgerichts, zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke bestehe keine hinreichende Zeichenähnlichkeit, die unter Berücksichtigung der Wechselwirkung mit der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marken eine Verwechslungsgefahr begründen könnte.

(58) a) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2009 - C-498/07, Slg. 2009, I-7371 = GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 - Aceites del Sur-Coosur [La Española/Carbonell]; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2015 - I ZR 23/14, GRUR 2016, 197 Rn. 37 = WRP 2016, 199 - Bounty; GRUR 2016, 382 Rn. 37 - BioGourmet). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - C-334/05, Slg. 2007, I-4529 = GRUR 2007, 700 Rn. 35 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO]; BGH, Urteil vom 3. April 2008 – I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002 Rn. 23 = WRP 2008, 1434 - Schuhpark; Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 14 und 25 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips; GRUR 2016, 382 Rn. 37 - BioGourmet; Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, GRUR 2016, 1301 Rn. 59 = WRP 2016, 1510 - Kinderstube). Soweit die Beurteilung des Gesamteindrucks auf tatsächlichem Gebiet liegt, kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob ihr ein zutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt (BGH, GRUR 2008, 903 Rn. 21 - SIERRA ANTIGUO, mwN).

(59) b) Das Bundespatengericht hat angenommen, eine Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, weil zwischen den Vergleichsmarken lediglich eine weit unterdurchschnittliche klangliche oder schriftbildliche und keine begriffliche Ähnlichkeit bestehe.

(60) Es sei Wettbewerbern grundsätzlich unbenommen, sich mit ihren Kennzeichnungen an dieselbe beschreibende Angabe anzunähern. Eine markenrechtlich relevante Zeichenähnlichkeit sei nur gegeben, soweit sich die Übereinstimmungen nicht auf die beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe selbst beschränkten, sondern eine Identität oder Ähnlichkeit gerade im Bereich der konkreten Abwandlungen bestehe. Dies sei im Streitfall auch unter Berücksichtigung der Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auf Grund ihrer Benutzung nur sehr eingeschränkt der Fall. Die Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken führe nur zu einem erweiterten Schutzumfang der ihre Eigenprägung bestimmenden Merkmale.

(61) Die Schutzfähigkeit der Wortmarken „INJEKT“ und „I N J E K T“ im Zusammenhang mit medizinischen Spritzen beruhe allenfalls auf dem Austausch des Konsonanten „C“ der zugrundeliegenden beschreibenden Angabe „inject“ durch den Konsonanten „K“. Sofern die Widerspruchsmarken ebenso ausgesprochen würden, könne ihnen in klanglicher Hinsicht kein Schutz zukommen. Wenn sie wie ein deutsches Wort wiedergegeben würden, beschränke sich ihr Schutzumfang auf diese Aussprachevariante, weil allenfalls ein Teil des angesprochenen Verkehrs die an deutsche Sprachregeln angelehnte Artikulation des Buchstabens „j“ als Hinweis auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden ansehe. Bei einer derartigen Wiedergabe stimmten die Widerspruchsmarken und die angegriffene Marke in der Lautfolge „INJEK-„ klanglich zwar überein, da der Buchstabe „X“ im Gesamtgefüge der jüngeren Marke wie „ks“ beziehungsweise „kss“ klinge. Diesem Umstand komme vorliegend jedoch nur eingeschränkte Bedeutung zu, da die Lautfolge „INJEK-„ in Verbindung mit medizinischen Spritzen auch bei der jüngeren Marke nur als Anlehnung an das beschreibende Wort „Injektion“ verstanden werde. Sie begründe somit nicht die kennzeichnende Eigenart der angegriffenen Marke. Diese liege vielmehr in der Wortendung „-X“. Der klangstarke Zischlaut „x“ trete bei der jüngeren Marke deutlich hervor. Trotz des mitklingenden Konsonanten „k“ setze sie sich damit - im Unterschied zu den Widerspruchsmarken - klar von den beschreibenden Angaben „inject“ oder „Injektion“ ab. Der kennzeichnende Schwerpunkt der jüngeren Marke am Zeichenende finde keine akustische Entsprechung in den älteren Marken.

(62) Die Streitzeichen seien auch in schriftbildlicher Hinsicht allenfalls in sehr geringem Umfang ähnlich. Es sei nicht zu verkennen, dass sie in der Buchstabenfolge „INJE-„ übereinstimmten und die rechte Seite des Buchstabens „K“ der Widerspruchsmarken durch die schräg aufeinander zulaufenden Striche Gemeinsamkeiten mit der rechten Seite des Buchstabens „X“ der angegriffenen Marke auswiesen. Allerdings falle der in dieser nicht enthaltene Buchstabe „T“ am Ende der älteren Marken auf. Auch finde in den Widerspruchsmarken die charakteristische Formung des Buchstabens „X“ keine Entsprechung. Da auch im Rahmen der schriftbildlichen Ähnlichkeit von der den Schutzumfang beschränkenden Eigenprägung der Widerspruchsmarken auszugehen sei, reichten die angesprochenen Abweichungen in ihrer Gesamtheit aus, um Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang ausschließen zu können.

(63) Eine begriffliche Ähnlichkeit sei zu verneinen, da die Angaben „inject“ oder „Injektion“ die geschützten medizinischen Spritzen unmittelbar beschrieben. Eine darauf beruhende Annäherung im Sinngehalt komme aus Rechtsgründen nicht in Betracht.

(64) c) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(65) aa) Das Bundespatentgericht hätte die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes betrachten und - ausgehend vom Verständnis des von ihm rechtsfehlerfrei bestimmten Verkehrskreises der medizinischen Fachkräfte in Krankenhäusern und Arztpraxen - prüfen müssen, wie das jeweilige Gesamtzeichen klanglich, bildlich und inhaltlich wahrgenommen wird. Es durfte bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit beschreibende Aspekte der einheitlichen Zeichen nicht von vornherein unberücksichtigt lassen.

(66) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs sind bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2015 - C-20/14, GRUR 2016, 80 Rn. 36 - BGW [BGW/BGW Bundesverband der deutschen Gesundheitswirtschaft]; EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 48 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]), jeweils mwN; BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 – I ZR 162/05, GRUR 2008, 803 Rn. 23 = WRP 2008, 1192 - HEITEC; BGH, GRUR 2011, 826 Rn. 11 - Enzymax/Enzymix; GRUR 2013, 833 Rn. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2019, 1058 Rn. 34 - KNEIPP). Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (EuGH, GRUR 2007, 700 Rn. 35 - HABM/Shaker [Limoncello/LIMONCHELO], mwN). Danach sind die einander gegenüberstehenden Zeichen bei dem Vergleich jeweils als Ganzes zu prüfen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Bestandteile zu berücksichtigen sind (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 48 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL], mwN).

(67) bb) Diese Prüfung hat das Bundespatentgericht nicht vorgenommen. Es hat vielmehr beim Zeichenvergleich Teile der Zeichen ausgeblendet und in den Zeichenvergleich lediglich die letzten Buchstaben der Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke einbezogen. Dies steht mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats nicht in Einklang.

(68) (1) Die für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr maßgeblichen Kriterien sind unionsweit einheitlich zu bestimmen. Die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aF geht zurück auf die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG (MarkenRL aF), die in der Neufassung der Markenrichtlinie (Richtlinie 2015/2436/EU) unverändert enthalten ist. Beide Richtlinien bringen in ihrem Erwägungsgrund 10 zum Ausdruck, dass es für das Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlich ist, dass die eingetragenen Marken im Recht aller Mitgliedstaaten einen einheitlichen Schutz genießen (vgl. auch EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 32, 38 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL], mwN). Auch die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit hat richtlinienkonform zu erfolgen. Unionsweite unterschiedliche tatsächliche Feststellungen dürfen nicht darauf beruhen, dass die nationalen Gerichte abweichende rechtliche Maßstäbe anlegen (Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rn. 192, 294).

(69) (2) Danach ist es nicht zulässig, das nationale Recht so auszulegen, dass im Ergebnis ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke oder ein Teil eines einheitlichen Zeichens wegen seines beschreibenden Charakters oder wegen seiner fehlenden Unterscheidungskraft von der Prüfung der Zeichenähnlichkeit ausgeschlossen wird (vgl. EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 46 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Ein solcher Ausschluss könnte dazu führen, dass sowohl die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen als auch die Unterscheidungskraft der älteren Marke unzutreffend beurteilt werden und dies zu einer veränderten Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr führt. Die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Faktoren stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, die dazu führen soll, dass die gesamte Beurteilung der Verwechslungsgefahr so weit wie möglich mit der tatsächlichen Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise in Einklang gebracht wird (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 47 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Würden bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit beschreibende Bestandteile von vornherein dem Vergleich entzogen, würde der Faktor der Ähnlichkeit der Marken zugunsten des Faktors der Unterscheidungskraft neutralisiert (EuGH, MarkenR 2016, 592 Rn. 61, 64 - BSH/EUIPO [compressor technology/KOMPRESSOR]). Dadurch würde die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke im Rahmen der Faktoren der Verwechslungsprüfung mehrfach berücksichtigt. Es kann nicht von vornherein und generell davon ausgegangen werden, dass die beschreibenden Bestandteile einander gegenüberstehender Zeichen von der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit auszuschließen sind (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 49 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]; vgl. auch EuGH, Beschluss vom 7. Mai 2015 - C-343/14, juris Rn. 38 - Adler Modemärkte/HABM [MARINE BLEU/BLUMARINE]). Die beschreibenden, nicht unterscheidungskräftigen oder schwach unterscheidungskräftigen Bestandteile einer zusammengesetzten Marke haben zwar im Allgemeinen ein geringeres Gewicht bei der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen Zeichen als die Bestandteile mit einer größeren Unterscheidungskraft, die auch den von dieser Marke hervorgerufenen Gesamteindruck eher dominieren können (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 53 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Die Bestimmung des Gesamteindrucks jedes Zeichens ist jedoch nach Maßgabe der besonderen Umstände des konkreten Falls vorzunehmen. Dafür gelten keine allgemeinen Vermutungen (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 54 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Stimmen die ältere Marke und das angemeldete Zeichen lediglich in einem schwach unterscheidungskräftigen oder für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Bestandteil überein, wird dies zwar häufig dazu führen, dass eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden kann. Jedoch kann die Feststellung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr wegen der Wechselwirkung der hierbei relevanten Faktoren nicht im Voraus und in jedem Fall ausgeschlossen werden (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 55 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]).

(70) (3) Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei Marken oder Markenbestandteilen, die - wie die hier in Rede stehenden Marken - an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnt sind und nur dadurch Unterscheidungskraft erlangen und als Marke eingetragen werden konnten, weil sie von diesem Begriff (geringfügig) abweichen, der Schutzumfang der eingetragenen Marke eng zu bemessen, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und der Unterscheidungskraft, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleiht. Ein darüber hinausgehender Schutz kann nicht beansprucht werden, weil er dem markenrechtlichen Schutz der beschreibenden Angabe gleichkäme (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040 Rn. 39 = WRP 2012, 1241 - pjur/pure, mwN).

(71) Das bedeutet nicht, dass beschreibende Zeichenbestandteile bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit von vornherein außer Betracht zu bleiben haben. Da die einander gegenüberstehenden Kennzeichen bei dieser Prüfung jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind, sind vielmehr auch beschreibende Zeichenbestandteile in diese Betrachtung einzubeziehen. Soweit die Senatsentscheidung „pjur/pure“ dahin zu verstehen sein sollte, aus Übereinstimmungen in beschreibenden Zeichenbestandteilen könne sich von vornherein und generell keine Zeichenähnlichkeit oder -identität ergeben (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 38), wird daran nicht festgehalten.

(72) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind allerdings insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente der Kollisionszeichen zu berücksichtigen. Einer beschreibenden Angabe kann daher kein bestimmender Einfluss auf den Gesamteindruck einer Marke zukommen, weil der Verkehr beschreibende Angaben nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen, sondern lediglich als Sachhinweis auffasst. Für den Schutzumfang einer an eine beschreibende Angabe angelehnten Marke sind deshalb nur diejenigen Merkmale bestimmend, die dieser Marke Unterscheidungskraft verleihen. Entsprechend eng ist der Schutzbereich der Marke bei nur wenig kennzeichnungskräftigen Veränderungen gegenüber der beschreibenden Angabe zu fassen (BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 40 - pjur/pure).

(73) (4) Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts führt dies nicht zu einer mit dem Zweck der absoluten Schutzhindernisse unvereinbaren Begünstigung schwacher Marken. Zeichen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die Kategorien von Waren oder Dienstleistungen beschreiben, für die die Eintragung beantragt wird, sind grundsätzlich von der Eintragung ausgeschlossen. Sind sie dennoch eingetragen worden, können sie bei Vorliegen eines Schutzhindernisses für ungültig erklärt und daher von anderen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden (EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 59 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL]). Ist ein Zeichen wirksam als Marke eingetragen, verhindert im Verletzungsverfahren die - im Widerspruchsverfahren allerdings nicht zur Anwendung gelangende (BGH, Beschluss vom 28. Mai 1998 - I ZB 33/95, GRUR 1998, 930, 931, Rn. 18 = WRP 1998, 752 - Fläminger) - Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG aF (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nF) einen unangemessenen Schutz von Zeichen, die wegen ihrer beschreibenden Anklänge originär schutzunfähig sind (zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG: EuGH, GRUR 2020, 52 Rn. 60 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL], mwN).

(74) cc) Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit der im Streitfall einander gegenüberstehenden Zeichen kann nicht ausgeblendet werden, dass sie in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht bis auf die Schlusskonsonanten identisch sind. Die Schlusskonsonanten sind zudem klanglich ähnlich, weil der Konsonant „X“ in der angegriffenen Marke als „KS“ gesprochen wird und sich damit von den Schlusskonsonanten „KT“ der Widerspruchsmarken nur geringfügig unterscheidet. Da sich die einander gegenüberstehenden Zeichen in vergleichbarer Weise an die beschreibenden Begriffe „inject“ und „Injektion“ anlehnen, besteht auch eine begriffliche Ähnlichkeit. Danach kann nicht von einer so geringen Zeichenähnlichkeit ausgegangen werden, dass eine Verwechslungsgefahr schon deshalb ausscheidet.

(75) V. Im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Die Frage, in welcher Weise im Widerspruchsverfahren die Prüfung der Zeichenähnlichkeit zu erfolgen hat, ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hinreichend geklärt.

(76) VI. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).

 

Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.03.2019 - 28 W(pat) 29/16