WIPO Arbitration and Mediation Center

EXPERTENENTSCHEID

Lidl Stiftung & Co. KG v. Malkhaz Kapanadze

Verfahren Nr. DCH2016-0024

1. Die Parteien

Die Gesuchstellerin ist Lidl Stiftung & Co. KG aus Neckarsulm, Deutschland, vertreten durch Rentsch & Partner, Schweiz.

Der Gesuchsgegner ist Malkhaz Kapanadze aus Tbilisi, Georgien.

2. Streitiger Domainname

Gegenstand des Verfahrens ist der Domainname <wwwlidl.ch> (nachfolgend der „Domainname”).

Die Registerbetreiberin ist SWITCH, Schweiz, und die Domainvergabestelle ist RegistryGate GmbH, Deutschland.

3. Verfahrensablauf

Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das „Zentrum”) am 12. Oktober 2016 per Email und am 17. und 26. Oktober 2016 per Post ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen („Verfahrensreglement”), welches am 1. März 2004 in Kraft getreten ist.

Am 14. Oktober 2016 bestätigte die Domainvergabestelle SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.

Am 27. Oktober 2016 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung lief am 16. November 2016 ab.

Das Zentrum teilte mit Schreiben vom 17. November 2016 mit, dass der Gesuchsgegner weder eine Gesuchserwiderung eingereicht, noch auf andere Weise gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung zum Ausdruck gebracht hat. Die Gesuchstellerin wurde vom Zentrum über die Möglichkeit benachrichtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, was die Gesuchstellerin in der Tat am 22. November 2016 auch tat.

Am selben Tag wurde das Verfahren in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglementes fortgesetzt; am 30. November bestellte das Zentrum Michael A.R. Bernasconi als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde; in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements hat der Experte seine Unabhängigkeit erklärt.

4. Sachverhalt

Die Gesuchstellerin ist ein grosser Lebensmittel-Discounter. Im Jahr 2009 eröffnete die Gesuchstellerin die erste Filiale in der Schweiz. Seit September 2013 bestehen in der Schweiz die Lidl Schweiz AG und die Lidl Schweiz DL AG, beide mit Sitz in Weinfelden.

Die Gesuchstellerin ist die eingetragene Markeninhaberin der folgenden IR-Marken: Nr. 585719 (Lidl), registriert am 4. Dezember 1991, Nr. 748064 (LIDL) registriert am 26. Juli 2000, Nr. 887902 (LIDL) registriert am 10. April 2006, Nr. 974355 (LIDL), registriert am 9. Mai 2008 und Nr. 1238386 (LIDL), registriert am 24. April 2014, u.a. mit Schutzwirkung in der Schweiz.

Zudem ist die Gesuchstellerin Inhaberin der folgenden Domainnamen (nicht abschliessend):

- <lidl.ch>, registriert am 24. Mai 2000;

- <lidl.com>, registriert am 20. Februar 2000;

- <lidl.uk>, registriert am 11. Juni 2014;

- <lidl.nl>, registriert am 10. August 1998.

Der streitgegenständliche Domainname wurde vom Gesuchsgegner am 17. Dezember 2015 registriert.

Gemäss einer Online-Recherche des Experten am 9. Dezember 2016 verweist der streitgegenständliche Domainname auf eine Webseite, welche Links zu verschiedenen Online-Shops auflistet.

5. Parteivorbringen

A. Gesuchstellerin

Die Gesuchstellerin behauptet, Inhaberin diverser internationaler Markenregistrierungen mit Schutzwirkung für die Schweiz zu sein, welche das Element „Lidl“ bzw. „LIDL“ als kennzeichnungskräftigen Hauptbestandteil aufweisen. Ausserdem betont die Gesuchstellerin den hohen Bekanntheitsgrad sowie den grossen wirtschaftlichen Wert ihrer Marken.

Die Gesuchstellerin macht geltend, dass die Registrierung und die Benutzung des streitgegenständlichen Domainnamens ihre Markenrechte im Sinne des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben („MSchG“) verletze. Sie argumentiert, dass zwischen ihren Marken und dem Domainnamen eine Überlappung im wesentlichen Bestandteil „LIDL“ vorliege und folglich offensichtlich von Identität oder zumindest hochgradiger Ähnlichkeit auszugehen sei. Des Weiteren bringt die Gesuchstellerin vor, dass die mit dem Domainnamen verbundene Webseite verschiedene Links wie z.B. „Grocery Stores“, „Discount Shopping“ und „Shopping Deals“ aufliste. Sie argumentiert weiter, dass die genannten Begriffe ohne weiteres im Gleichartigkeitsbereich des breit gefächerten Detailhandelsgeschäfts der Gesuchstellerin liegen.

Des Weiteren behauptet die Gesuchstellerin, dass der Gesuchsgegner durch den Gebrauch der Marke „Lidl“ bzw. „LIDL“ bewusst vom hohen Bekanntheitsgrad und dem guten Ruf der Gesuchstellerin profitieren möchte. Er erlange den „Vorteil“ gerade deshalb, weil die potentiellen Kunden der Lidl-Unternehmensgruppe aufgrund von typographischen oder sonstigen technischen Fehlern - fehlendes Satzzeichen bzw. ein „www“ zu viel - auf den streitgegenständlichen Domainnamen gelangen, obwohl sie eigentlich zu Webseiten der Lidl-Unternehmensgruppe möchten. Ausserdem argumentiert die Gesuchstellerin, dass Internetbenutzer, die auf der streitgegenständlichen Webseite landen, die Webseiteninhalte mit ihr assoziieren und ihren guten Ruf beeinträchtigen.

Des Weiteren liegt laut der Gesuchstellerin gestützt auf das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“) eine Verletzung ihrer Kennzeichenrechte vor. Sie bringt vor, dass kein sachlich gerechtfertigtes Interesse seitens des Gesuchsgegners an der Haltung des fraglichen Domainnamens ersichtlich sei. Insbesondere verfüge er über keine eigenen Rechte an „LIDL“ und „Lidl“. Ausserdem werde seine Missbrauchsabsicht insbesondere durch den Umstand, dass er den Domainnamen nicht seriös betreibt, indiziert. Zudem argumentiert die Gesuchstellerin, dass es für die Internetbenutzer naheliegend sei, zwischen der streitgegenständlichen Webseite und der Gesuchstellerin eine Verbindung anzunehmen.

Schliesslich liegt laut der Gesuchstellerin eine Verletzung ihres Handelsnamens nach der Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums in Verbindung mit Art. 29 des Schweizer Zivilgesetzbuches vor. Die Gesuchstellerin argumentiert, dass der Domainname das Kernelement ihres Handelsnamens unmittelbar und lediglich unter Zufügung eines bloss generischen Präfixes übernehme. Das Vorliegen einer Namensanmassung, welche die Gesuchstellerin in ihren schutzwürdigen Interessen verletze, sei daher ohne weiteres zu bejahen.

B. Gesuchsgegner

Der Gesuchsgegner hat weder eine Gesucherwiderung eingereicht, noch auf irgendeine Weise Stellung zum vorliegenden Verfahren genommen.

6. Entscheidungsgründe

Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domainnamens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht.

Unter Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements finden sich folgende Erläuterungen:

Eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts liegt insbesondere dann vor, wenn

(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und

(ii) der Gesuchsgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und

(iii) die Rechtsverletzung, je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.

Wie oben dargelegt, ist die Gesuchstellerin Inhaberin der folgenden IR-Marken mit u.a. Schutzwirkung in der Schweiz: Nr. 585719 (Lidl), Nr. 748064 (LIDL), Nr. 887902 (LIDL), Nr. 974355 (LIDL) und Nr. 1238386 (LIDL).

Art. 13 Abs. 1 MSchG verleiht einem Markeninhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen, für die sie beansprucht wird. Gestützt auf Art. 13 Abs. 2 MSchG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 MSchG kann die Gesuchstellerin dem Gesuchsgegner verbieten, ein mit den Marken „Lidl“ und „LIDL“ ähnliches Zeichen für gleiche oder gleichartige Waren zu gebrauchen.

Der Domainname kombiniert das Präfix "www" mit dem Begriff „lidl“. Der Begriff „lidl“ ist der unterscheidungskräftigste Bestandteil des Domainnamens und der Marken der Gesuchstellerin. Das Präfix „www“ verändert den Domainnamen nicht in der Weise, als dass er damit von den Marken Lidl und LIDL genügend unterscheidungskräftig würde. Der Internetbenutzer unterliegt folglich einer Verwechslungsgefahr und wird getäuscht.

Die Kombination des Präfixes "www" mit einer Marke wurde auch in den folgenden Fällen als eine Verletzung der Kennzeichenrechte des Markeninhabers qualifiziert: Allianz SE v. Privacy Gods, Privacy Gods Limited, WIPO Verfahren Nr. D2016-0112; Apple Inc. v. Protection Domain, WIPO Verfahren Nr. D2014-0187; Raiffeisen Schweiz Genossenschaft v. Wildvest LLC, WIPO Verfahren Nr. DCH2008-0004; MasterCard International Incorporated v. DL Webb, WIPO-Verfahren Nr. D2008-0324; F. Hoffmann-La Roche AG v. Transure Enterprise Ltd., WIPO Verfahren Nr. D2008-0422; comparis.ch AG v. Matthias Moench, WIPO Verfahren Nr. DCH2008-0014.

Domainnamen unterstehen ausserdem dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 126 III 239, 245; Raiffeisen Schweiz Genossenschaft v. Malkhaz Kapanadze, WIPO Verfahren Nr. DCH2016-0017). Nach Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG handelt unlauter, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, eine Verwechslungsgefahr mit den Waren, Werken oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Die Schaffung einer Verwechslungsgefahr durch Ausnutzen von Tippfehlern der Internetbenutzer bei der Eingabe des Domainnamens, um die Benutzer auf die eigene Webseite zu lenken, verletzt in der Regel nicht nur die Rechte von Markeninhabern, sondern fällt auch unter Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG (Raiffeisen Schweiz Genossenschaft v. Malkhaz Kapanadze, supra; Comparis.ch AG v. Nguyen Huong Quynh, WIPO Verfahren Nr. DCH2008-0003; Raiffeisen Schweiz Genossenschaft v. Nguyen Huong Quynh, WIPO-Verfahren Nr. DCH2007-0023).

Die Registrierung und Benutzung des streitgegenständlichen Domainnamens verstösst somit gegen Art. 13 MSchG sowie Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG. Angesichts der klaren Verletzung des MSchG und UWG muss nicht weiter untersucht werden, ob auch das Namensrecht der Gesuchstellerin beeinträchtigt ist.

Der Gesuchsgegner bringt keine Verteidigungsgründe vor. In Anbetracht aller Umstände entscheidet der Experte, dass die Verletzung der Rechte der Gesuchstellerin durch die Registrierung und Verwendung des streitgegenständlichen Domainnamens durch den Gesuchsgegner eine Übertragung des Domainnamens rechtfertigt.

7. Entscheidung

Aus den oben dargelegten Gründen entscheidet der Experte, dass der Domainname <wwwlidl.ch> gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements auf die Gesuchstellerin entsprechend ihrem Gesuch zu übertragen ist.

Michael A.R. Bernasconi
Experte
Datum: 10. Dezember 2016