WIPO Arbitration and Mediation Center
EXPERTENENTSCHEID
aaba Bau + Handels AG v. J.M.
Verfahren Nr. DCH2021-0014
1. Die Parteien
Der Gesuchsteller ist aaba Bau + Handels AG, Schweiz, vertreten durch Steiger Legal AG, Schweiz.
Der Gesuchsgegner ist J.M., Schweiz.
2. Streitiger Domain-Name
Gegenstand des Verfahrens ist der Domain-Name <aaba-ag.ch> (nachfolgend der “Domain-Name”).
Die Registerbetreiberin ist SWITCH, Zürich, Schweiz.
3. Verfahrensablauf
Das Gesuch ging beim WIPO Schieds- und Mediationszentrum (das “Zentrum”) am 19. Mai 2021 per E-mail ein. Das Gesuch stützt sich auf das Verfahrensreglement von SWITCH für Streitbeilegungsverfahren für “.ch” und “.li” Domainnamen (“Verfahrensreglement”), welches am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist.
Am 21. Mai 2021 bestätigte die Registerbetreiberin SWITCH, dass der Gesuchsgegner Inhaber und administrative Kontaktperson des Domainnamens ist. Das Zentrum stellte fest, dass das Gesuch den formellen Anforderungen des Verfahrensreglements entspricht.
Am 1. Juni 2021 wurde das Gesuch ordnungsgemäss zugestellt und das Streitbeilegungsverfahren eingeleitet. Die Frist für die Einreichung einer Gesuchserwiderung war der 21. Juni 2021.
Am 29. Juni 2021 wurde das Verfahren bis zum 27. Juli 2021 sistiert. Die Parteien sind nicht zu einem Vergleich gekommen.
Der Gesuchsgegner hat gegenüber dem Zentrum seine Bereitschaft zur Teilnahme an einer Schlichtungsverhandlung nicht zum Ausdruck gebracht. Der Gesuchsteller hat die Fortsetzung des Verfahrens verlangt.
Aufgrund eines administrativen Versehens scheinte es, dass die Benachrichtigungs-E-Mails des Zentrums nicht an den Gesuchsgegner unter [...]@hoststar.ch weitergeleitet wurden am 1. Juni 2021.
Das Zentrum stellte jedoch fest, dass die Benachrichtigung erfolgreich an [...]@gmx.ch und [...]@aaba-ag.ch zugestellt wurde. In Anbetracht der obigen Ausführungen räumte das Zentrum dem Beschwerdegegner eine Frist von fünf Tagen ein (bis zum 4. September 2021), um mitzuteilen, ob er an diesem Verfahren teilnehmen möchte. Das Zentrum hörte aber nichts von dem Beschwerdegegner innerhalb dieser Frist.
Das Verfahren wurde in Übereinstimmung mit Paragraph 19 des Verfahrensreglements fortgesetzt, und das Zentrum bestellte am 20. September 2021 Daniel Kraus als Experten. Der Experte stellt fest, dass er ordnungsgemäss bestellt wurde, und hat in Übereinstimmung mit Paragraph 4 des Verfahrensreglements seine Unabhängigkeit erklärt.
4. Sachverhalt
Die Gesuchstellerin ist Inhaberin der Firma aaba Bau + Handels AG welche seit dem 19. Juni 2015 im Handelsregister des Kantons Zürich registriert ist.
Der streitiger Domain- Name wurde am 8. Februar 2017 registriert und führt zu einer Website die angeblich von der Aaba Bau + Handels AG ist, und der Gesuchsgegner gibt vor, diese Firma zu sein.
5. Parteivorbringen
A. Gesuchsteller
Gemäss Gesuchstellerin wurde der Gesuchsgegner stand mit der Gesuchstellerin in Verhandlung, für diese in den Bereichen Akquise, Projektentwicklung, Finanzierung und dergleichen tätig zu werden. In diesem Zusammenhang hätte er für die Gesuchstellerin auch den strittigen Domain-Namen <aaba-ag.ch> auf deren Namen registrieren sollen. Diese Registrierung habe der Gesuchsgegner zwar getätigt, jedoch - wie sich später herausstellte - nicht auf den Namen der Gesuchstellerin, sondern auf sich persönlich. Die Gesuchstellerin habe von diesem Umstand erfahren, weil sie vom Registrar Multimedia Networks AG (Hostar) darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das entsprechende Kundenkonto nicht auf die Gesuchstellerin laute. Nach Erhalt einer grösseren Geldsumme der Gesuchstellerin, welche für ein Projekt gewesen wäre, sei der Gesuchsgegner untergetaucht.
Der derzeitige Halter (mutmasslich der Gesuchsgegner) gäbe sich unter dem Domain-Namen als Gesuchstellerin aus. So sei bereits der Überschrift der Website zu entnehmen, dass es sich um den (angeblichen) Intemetauftritt der aaba Bau + Handels AG- also jener der Gesuchstellerin - handeln soll. Auch in der Fusszeile der Website gäbe sich der derzeitige Halter als die Gesuchstellerin aus.
Mit dem Internetauftritt des Gesuchsgegners unter dem streitbetroffenen Domain-Namen <aaba-ag.ch> mässe sich dieser die Identität der Gesuchstellerin an, was zweifelsfrei persönlichkeitsverletzend im Sinn von Art. 28 ZGB sei. Die Anmassung der Identität sei auch unlauter im Sinn von Art. 3 Abs. 1 lit. b und d des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbwerb (UWG). Gleichzeitig mässe sich der Gesuchsgegner die Firma der Gesuchstellerin an, weshalb er mit dem Gebrauch des inkriminierten Domain-Namens gegen das Firmenrecht nach Art. 944 ff. OR und damit gegen das Kennzeichenrecht verstosse.
Die Identitätsanmassung verstosse auch gegen das UWG, weil der Gesuchsgegner damit a) unrichtige Angaben über sich selber tätige (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG) und b) Massnahmen treffe, die geeignet seien, Verwechslungen mit dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen (Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG).
Auch die Verwendung des Domain-Namens an sich verletze das Firmenrecht der Gesuchstellerin, weil der verwendete Domain-Namen hauptsächlich aus dem unterscheidungskräftigen Teil “aaba” der Firma der Gesuchstellerin bestehe. Der andere Teil der Firma “Bau + Handels AG” sei beschreibender Natur und damit nicht kennzeichnungskräftig.
Selbst wenn der Gesuchsgegner unter dem streitbetroffenen Domain-Namen nicht unter der Identität der Gesuchstellerin auftreten würde, hätte diese auf Grund ihrer Firma das bessere Recht an diesem Domain-Namen. Weder habe der Gesuchsgegner den kennzeichnungskräftigen Bestandteil “aaba” in seinem Namen, noch sei er Träger einer Firma oder einer Marke mit demselben Kennzeichenbestandteil.
Die Gesuchstellerin beantragt, den streitgegenständlichen Domain-Namen auf die Gesuchstellerin zu übertragen.
B. Gesuchsgegner
Der Gesuchsgegener hat nicht offiziell geantwortet. Er hatte aber verschiedene Mails Wechsel mit der Gesuchstellerin und das Zentrum, woraus es klar herauskommt, dass er seine Zusage gegeben hat, der Domain-Name an die Gesuchstellerin zu übertragen sowie insbesondere die dafür nötige Authentificationscode. Am 27. Juli 2021 schrieb er die folgende Nachricht am Zentrum:
“Geschätzte Damen und Herren
Es braucht in dieser Angelegenheit keine Fortsetzung.
Es wurde mehrmals mitgeteilt, dass die Domain aaba‐ag.ch an die aaba Bau + Handels AG zu übertragen sei.
Schalten Sie die Domain zur Übertragung frei, damit der Registar Hoststar den Auth Code für den Domain‐Transfer lösen kann oder machen Sie dies direkt falls möglich.
Besten Dank
Freundliche Grüsse
[Signatur].“
6. Entscheidungsgründe
Gemäss Paragraph 24(a) des Verfahrensreglements hat der Experte über das Gesuch unter Einhaltung des Verfahrensreglements und anhand des Vorbringens beider Parteien und den eingereichten Schriftstücken zu entscheiden. Gemäss Paragraph 24(c) des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, welches dem Gesuchsteller nach schweizerischem oder liechtensteinischem Recht zusteht. Gemäss Paragraph 24(d) des Verfahrensreglements liegt eine solche Verletzung insbesondere dann vor, wenn
(i) sowohl der Bestand als auch die Verletzung des geltend gemachten Kennzeichenrechts sich klar aus dem Gesetzeswortlaut oder aus einer anerkannten Auslegung des Gesetzes und den vorgetragenen Tatsachen ergeben und durch die eingereichten Beweismittel nachgewiesen sind; und
(ii) der Gesuchgegner keine relevanten Verteidigungsgründe schlüssig vorgetragen und bewiesen hat; und
(iii) die Rechtsverletzung je nach dem im Gesuch erhobenen Rechtsbegehren, die Übertragung oder Löschung des Domainnamens rechtfertigt.
A. Die Gesuchstellerin ist Inhaberin eines Kennzeichenrechts nach dem Recht der Schweiz
Die Gesuchstellerin besitzt keine Marke, hat aber erwiesen, dass sie in der Schweiz seit dem 10. Juni 2015 im Handelsregister als aaba Bau + Handels AG registriert ist.
B. Die Zuteilung oder Verwendung des streitigen Domainnamens durch den Gesuchsgegner stellt nach dem Recht der Schweiz eine Verletzung der geltend gemachten Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin dar
(a) Firmenrecht
Gemäss Art. 956 Abs. 1 OR kommen die im Handelsregister eingetragenen und im Schweizerischen Handelsamtsblatt (“SHAB”) veröffentlichten Handelsgesellschaften in den Genuss des Firmenschutzes. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann sich der Firmeninhaber auf ein Exklusivrecht berufen, sofern ein Domainname mit dem Firmennamen verwechselbar ist (BGE 125 III 91; vgl. Hotel Appenzel gegen “XY”, WIPO Verfahren Nr. DCH2015-0013, <hotelappenzel.ch>, sowie Casino Bad Ragaz AG gegen Zimat AG, WIPO Verfahren Nr. DCH2010-0035, <casino-badragaz.ch>, 7.B.1). Die Aktiengesellschaft der Gesuchstellerin wurde bereits am 10. Juni 2015 mit der Firma “aaba Bau + Handels AG” im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Der streitige Domainname wurde einerseits erst im Jahr 2017 registriert und andererseits ohne die Zustimmung der Gesuchstellerin verwendet. Der Gesuchsgegner verwendete den streitigen Domainnamen <aaba-ag.ch> in dem Sinne, dass er - im Gegensatz zu dem, was vereinbart worden war - die Kontrolle über den Authentifizierungscode behielt und damit verhinderte, dass der Beschwerdeführer die Kontrolle über die Website seines Unternehmens erhielt.
Nach Auffassung des Experten schafft der Gesuchsgegner aufgrund dieses Verhaltens eine Verwechslungsgefahr. Die Verwechslungsgefahr ist gemäss Lehre bereits dann gegeben, wenn die Rechte eines Gesuchstellers lediglich gefährdet oder mit Schaden bedroht sind bzw. aufgrund der Umstände eine Schädigung erwartet werden kann (BSK OR-Altenpohl, Art. 956 N 9). Indem der Gesuchsgegener den Authentifizierungscode blockiert und vorgibt, der Inhaber des Domänennamens zu sein, schafft er eine Verwechslungsgefahr.
Weil nach Auffassung des Experten eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist die Nutzung des streitigen Domainnamens unzulässig (Art. 956 Abs. 1 OR). Folglich ist der Gesuchsteller schon auf dieser Basis berechtigt, die weitere Nutzung des streitigen Domainnamens zu verbieten oder die Übertragung zu verlangen (Art. 956 Abs. 2 OR).
(b) Wettbewerbsrecht (UWG)
Domainnamen unterstehen (auch) dem Lauterkeitsgebot des Wettbewerbsrechts (BGE 128 II 353, E. 4). Wer “Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen”, handelt gemäss Art. 3 lit. d UWG unlauter. Auch “jedes täuschende oder in einer anderen Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossendes Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst”, ist gemäss der Generalklausel von Art. 2 UWG unlauter und widerrechtlich.
Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung schafft das blosse Registrieren eines Domainnamens noch keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG, da noch keine Gefahr von betrieblichen Fehlzuordnungen entsteht (Urteil HGer SG vom 25. Juni 2002, sic! 2003 348, S. 351 E. III/3c, <breco.ch>; BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 198-199; vgl. auch Cembra Money Bank AG v. Canan Siddik, Canankredit, WIPO Verfahren Nr. DCH2015-0010, <cembracredit.ch>, 6.B.c; Cartier International S.A. gegen Marc Baertschi, WIPO Verfahren Nr. DLI2015-0001, <cartier.li>, C.4).
Jedoch anerkennt die Lehre eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG, falls konkrete Massnahmen zum Gebrauch eines Domainnamens nachgewiesen sind. Dafür muss die Gebrauchsabsicht anhand anderer Sachverhaltsumstände wie entsprechenden Äusserungen des Inhabers oder Vorbereitungshandlungen dargetan werden können (BSK UWG-Arpagaus, Art. 3 Abs. 1 lit. d N 199). Die Tatsache, dass der Domainname auf den Namen der Klägerin registriert wurde, der Authentifizierungscode aber auf dem eigenen Namen des Gesuchsgegners läuft und somit, der Gebrauch des Domainnamens durch der Gesuchstellerin blockiert, stellt ein solches Verhalten dar.
Somit wird auch die Generalklausel von Art. 2 UWG verletzt.
Der Gesuchsgegner hat keine schlüssigen Verteidigungsgründe vorgebracht, welche die Darstellung des Gesuchstellers widerlegen oder sein eigenes legitimes Interesse begründen. Im Gegenteil, er hat sich ausdrücklich bereit erklärt, der Authentifikationscode der Gesuchstellerin zu übertragen, hat es aber nie getan. Somit befindet der Experte, dass eine Übertragung des streitigen Domainnamens auf den Gesuchsteller aufgrund klarer Verletzungen von Kennzeichenrechten durch den Gesuchsgegner gerechtfertigt ist.
Zusammengefasst erfüllt der Gesuchsteller unter Berücksichtigung des Vorbringens beider Parteien und der eingereichten Schriftstücke die Voraussetzungen von Paragraph 24 (c) und (d) des Verfahrensreglements.
7. Entscheidung
Gemäss Paragraph 24 des Verfahrensreglements gibt der Experte dem Gesuch statt und entscheidet, dass der Domain-Name <aaba-ag.ch> an die Gesuchstellerin übertragen wird.
Daniel Kraus
Experte
Datum: 4. Oktober 2021